Hämorrhagische Fieber-Syndrome
Synonym(e)
Definition
Unter dem Begriff „virale hämorrhagische Fieber“ (VHF) oder "Hämorrhagische Fiebersyndrome" läßt sich eine heterogene Gruppe von bedeutenden viralen Infektionen zusammenfassen, die weltweit das Interesse der Öffentlichkeit und der Gesundheitsbehörden finden. Es handelt sich hierbei fast ausschließlich um Virusinfektionen der Tropen und Subtropen, wobei sich unterschiedliche Durchseuchungsgrade der Bevölkerung manifestieren. Klinisch besteht häufig eine Kombination unspezifischer Grippesymptome, die durch die Symptome:
- Fieber mit unspezifischen Allgemeinsymptomen
- Störungen der Gefäßpermeabilität und der Blutgerinnung mit hämorrhagischer Diathese unterschiedlicher Stärke
- möglicher hypovolämischer Schock und Multiorganversagen.
Einteilung
Zur Zeit sind 12 verschiedene Virusspezies als VHF-Erreger bekannt.
Die die Infektionen werden auf unterschiedlichen Übertragungswegen durch RNA-Viren aus 4 Familien hervorgerufen:
- Arenaviren (Arenaviridae: Choriomeningitis,Lassavirus, Juninvirus, Machupovirus, Sabiavirus, Guanaritovirus)
- Bunyaviren (Bunyaviridae- Orthobunyavirus mit den Arten: Tahyna-Virus, Inkoo-Virus, Phlebovirus, Nairovirus 34 Arten mit dem Erreger des Krim-Kongo-hämorrhagisches Fieber, Hantavirus mit den Arten: Hantaan-Virus, Pumula-Virus, Dobrava-Belgrad-Virus)
- Filoviren (Filoviridae – Marburgvirus, Ebola-Virus)
- Flaviviren (Flaviviridae - Flavivirus, FSME-Virus, Gelbfiebervirus, Dengue-Virus 1-4, West-Nil-Virus, Virus der russischen FSME, Louping-II-Virus, Japanisches-Enzephalititis-Virus, Zika-Virus, St. Louis-Enzephalitis-Virus Hepacivirus = Hepatitis-C-Virus).
Einteilung
Virale Hämorrhagische-Fieber
Virus Virusfamilie Überträger Geographische Verteilung Bezeichnung
Marburg-Virus Filoviridae/ Fledermäuse / Afrika/Marburg Hämorrhagisches Fieber
Ebola Virus Filoviridae/Fledermäuse (?) / Afrika/Ebola Hämorrhagisches Fieber
Lassa-Virus Arenaviridae/ Nagetiere/ West-Afrika/ Lassa-Fieber
Lujo-Virus Arenaviridae/ Nagetiere (?)/ Südliches Afrika/Lujo-hämorrhagisches Fieber
Machupo-Virus Arenaviridae/ Nagetiere/ Bolivien/Bolivianisches Hämorrhagisches Fieber
Junin-Virus Arenaviridae/ Nagetiere/ Arg./Argentinisches Hämorrhagisches Fieber
Guanarito-Virus Arenaviridae/Nagetiere/Venez./Venezuelanisches Hämorrhag. Fieber
Sabia-Virus Arenaviridae/Vekt. ?/Brasilien/Brasilianisches Hämorrhagisches Fieber
Chapare-Virus Arenaviridae/ Überträger ?/Bolivien /Anden Hämorrhagisches Fieber
LCM Arenaviridae/ Mäuse/weltweit /Lymphozytäre Choriomeningitis
Gelbfieber-Virus Flaviviridae/ Stechmücken/ Afrika, Südamerika/Gelbfieber
Dengue-Virus Flaviviridae/Stechmücken/Tropen weltweit/Dengue Hämorrhag. Fieber
Omsk Häm.-Fieber-Virus Flaviviridae/ Zecken/ Russland /Omsk Hämorrhagisches Fieber
Kyasanur-Forest-Virus Flaviviridae/ Zecken/ Indien/Kyasanur-Wald-Krankheit
Alkhumra-Virus Flavivir1idae/Zecken (?)/Arabien, Ägypten/Arabisch Hämorrhagisches Fieber
Rift-Valley-Virus Bunyaviridae/ Stechmücken/Afrika/ Rift-Tal-Fieber
Krim-Kongo-HFV Bunyaviridae/Zecken/Afrika, Asien, Eur./Krim-Kongo-Hämorrhag. Fieber
Huaiyangshan-Virus Bunyaviridae/ Zecken/China Huaiyangshan-Fieber
Garissa-Virus Bunyaviridae /Stechmücken/Afrika/Garissa-Fieber
Puumala-Virus Bunyaviridae/Nager/Eur. Asien/Hämorrhag Fieber+Ren. Symptomatik
Hantaan-Virus Bunyaviridae /Nagetiere/Asien/Koreanisch Hämorrhagisches Fieber
Dobrava-Virus Bunyaviridae/Nagetiere/Europa/Balkan Hämorrhagisches Fieber
Vorkommen/Epidemiologie
Als natürliche Wirte der Viren kommen Nagetiere, Moskitos oder Zecken in Betracht, die vor allem in tropischen und subtropischen Regionen verbreitet sind. Eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung ist bei verschiedenen Virusinfektionen möglich (z.B. Ebola-Virus, Lassa-Virus), weshalb virale hämorrhagische Fiebererkrankungen vereinzelt auch als importierte Infektionen im europäischen Raum auftreten können.
Ätiopathogenese
Das Gelbfieber ist als hämorrhagische Erkrankung schon seit Jahrhunderten bekannt. Es wird vermutet, dass es in China bereits vor 1000 Jahren auftrat.
Andere Erkrankungen dieser Art wie z.B. das Rift-Tal-Fieber, die Marburg-Virus-Krankheit, das Ebola- und das Lassa-Fieber sowie das hämorrhagische Dengue-Fieber sind seit mehreren Jahrzehnten als eigenständige Erkrankungen anerkannt. Zwar sind VHF für die Gesamtpopulation einer Region oder eines Staates nicht so bedeutend wie Masern oder die neuerdings so gefürchteten Corona-Virus-Erkrankungen (Epidemie 2019/2020). Diese Infektionen bereiten aber wegen ihrer gefürchteten Letalität und der Schwierigkeiten beim gesundheitlichen Management den Gesundheitsbehörden vieler Länder ungewohnte Probleme.
Tatsächlich gehören diese Tropenerkrankungen zu den Zoonosen. Sie werden durch Arthropoden, Nager oder durch direkten Kontakt übertragen. Häufig ist der Mensch Endglied einer Infektionskette. Vertebraten stellen meist das Reservoir dar. Bestimmte Säugetiere wirken als Verstärker der Viruszirkulation (sog. Amplifierwirte) , wie z.B. Affen beim Gelbfieber oder Hauswiederkäuer wie beim Rif-Tal-Fieber und bei der Kyasanurwald-Krankheit. Beim Krim-Kongo-Fieber sind Zecken Vektoren und Reservoir zugleich.
Die komplexen Zusammenhänge der Übertragung dieser Krankheiten mit ihrer Einbindung in bestimmte Biotope und Ökosysteme erklärt ihre begrenzte geographische Verteilung.
Großes Aufsehen bereitet in den Medien immer wieder das Ebola-Virus, dessen Beispiel deutlich macht, dass auch in unseren Breitengraden ein genauer Kenntnisstand zur Vorgehensweise bei reiseassoziierten Infektionskrankheiten notwendig ist, um einer Virusausbreitung durch gezielte Maßnahmen entgegenzuwirken.
Die Erreger von VHF haben einen besonderen Tropismus zu Kapillarendothelien. Ihre Schädigung verursacht eine erhöhte Gefäßpermeabilität, wobei Komplementaktivierung mit der Bildung von Immunkomplexen über vaskulitische Prozesse zur erhöhten allgemeinen Blutungsneigung beitragen.
Dies führt zu Hypovolämie, Gewebehypoxie, Azidose, Hyperkaliämie, Erbrechen, Dehydrierung und einem möglichen irreversiblen Schock. Eine intravasale Blutgerinnung kann die Blutungsneigung noch verstärken.
Klinisches Bild
Pharyngitis, Erbrechen, Durchfall, Bauchschmerzen, hämorrhagische Diathese mit Blutungsneigungen in Haut und Schleimhäute
Eine rasche Diagnose ist extrem wichtig weil sie für das weitere Management ausschlagegebend ist.
Fallweise ist zu prüfen inwieweit Kontaktpersonen oder Verdachtsfälle in Quarantäne gehalten werden müssen. Weiterhin sind Transportprobleme zu lösen, da häufig die lokalen Versorgungsmöglichkeiten absolut ungenügend sind.
Nicht zu vermeiden ist dass erkrankte Personen während der Inkubationszeit oder im uncharakteristischen Prodromalstadium mit dem Flugzeug heimkehren.
Die Kenntnis der Inkubationszeiten, die Periode der Infektiosität und ein generelles Wissen um die Einschleppungsmöglichkeiten dieser Tropenkrankheiten sind deshalb für medizisniches Personal von großer Bedeutung.
Diagnose
Die Gefährlichkeit der VHF erfordert ein konsequentes Vorgehen vonAnfang an:
- Erhebung einer korrekten Anamnese
- Herkunft
- Reiseaktivitäten der letzten 4 Wochen
- Kontaktmöglichkeiten mit Kranken oder deren Sekrete
- Kontaktmöglichkeiten mit Tieren
- Fieberreaktionen
Differentialdiagnose
Malaria, Leptospirose, Sepsis, Intoxikationen (z.B. Lebensmittelvergiftungen durch Enterobacter oder Staphylokokken)
Hinweis(e)
Verdachsfälle sind meldepflichtig. Weiterhin sollte das RKI in Berlin informiert werden.
Nur für das Gelbfieber gibt es „International Health Regulations“!