Cannabidiol

Autor: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer

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Zuletzt aktualisiert am: 21.08.2024

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Synonym(e)

CAS-Nummer: 13956-29-1; CBD; (–)-trans-2-para-Mentha-1,8-dien-3-yl-5-pentylresorcinol; (–)-trans-Cannabidiol

Definition

Cannabidiol (CBD) ist ein aus Cannabis sativa isoliertes, nicht-psychoaktives Cannabinoid, das aufgrund seiner behaupteten positiven Eigenschaften und seines therapeutischen Potenzials in letzter Zeit große Aufmerksamkeit in der wissenschaftlichen Gemeinschaft erregt hat (Casiraghi A et al. 2020). Cannabidiol liegt – wie alle Cannabinoide – in der Pflanze überwiegend als Säure (CBD-Carbonsäure) vor.

Medizinisches Cannabis ist derzeit in Kanada, 31 Staaten in Amerika und 19 Ländern in Europa legalisiert (Sheriff Tet al. 2020). In Deutschland unterliegt Cannabidiol seit einigen Jahren der Verschreibungspflicht. Hingegen unterliegt Cannabidiol im Gegensatz zu Tetrahydrocannabinol in Deutschland nicht den Bestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes.

Cannabidiol haltige Produkte können als Nahrungsergänzungsmittel oder Kosmetikartikel verkauft werden, solange der THC-Gehalt in den Produkten unter 0,2 Prozent liegt.

Pharmakodynamik (Wirkung)

CBD  werden anti-proliferative, pro-apoptotische, zytotoxische, anti-invasive, anti-antiangiogene, anti-inflammatorische, antipruritische und immunmodulatorische Eigenschaften zugeschrieben (Kis B et al. 2019; Sheriff Tet al. 2020).

Der exakte Wirkmechanismus von Cannabidiol ist bislang noch nicht genau bekannt.

Cannabidiol bindet u.a. an die Cannabinoid-Rezeptoren CB1 und CB2 agonistisch. Es kann aber die Aktivität dieser Rezeptoren auch blockieren. Weiterhin wirkt Cannabidiol als Antagonist an dem G-Protein gekoppelten Rezeptor GPR55. Vermutet wird eine Wirkung auf den spannungsgesteuerten Ionenkanal VDAC1 (voltage-dependent anion-selective channel protein 1) der auf Mitochondrien exprimiert wird. Diese Kanäle spielen eine Rolle im Calciumtransport in den Zellen (Übertragung von elektrischen Signalen in Nervenzellen).

Indikation

CBD wird weltweit bei zahlreichen Krankheiten eingesetzt, für die es keine wissenschaftlichen Beweise für die Wirksamkeit des Medikaments gibt (Huestis MA et al. 2019). Größere Umfragen bei CBD-Konsumenten ergab, dass das Medikament zur Bewältigung von selbst wahrgenommenen Angstzuständen, Stress, Schlafstörungen und anderen Symptomen einnehmen, oft in niedrigen Dosen, und diese Muster variieren nach demografischen Merkmalen (Moltke J et al. 2021).Grundsätzlich hängen die Wirkungen der Produkte von der Reinheit, Zubereitung und Konzentration von CBD und anderen Bestandteilen ab. Es fehlt jedoch ein Konsens in Bezug auf ihre Zubereitung, Zusammensetzung, Verwendung und Wirksamkeit. Damit sind auch Vergleiche hinsichtlich Wirksamkeit und Nebenwirkungen nur mit Einschränkungen möglich (Arzimanoglou A et al. 2020).

Zugelassene Indikationen für systemische Applikationen:

  • Multiple Sklerose (Nabiximols): CBD ist Bestandteil des arzneilich genutzten Hanfextrakts Nabiximols (alkoholischer Cannabisextrakt als Subligualspray), der als Spasmolytikum bei multipler Sklerose eingesetzt wird. Er ist für diese Indikation seit 2011 erhältlich.
  • Refraktäre epileptische Syndrome im Kindesalter (Huestis MA et al. 2019): Cannabidiol ist seit Oktober 2019 gegen seltene Epilepsieformen zugelassen (Handelspräparat: Epidyolex). Cannabidiol wird, zusammen mit Clobazam, bei Patienten ab 2 Jahren für die adjuvante Behandlung von Krampfanfällen, im Zusammenhang mit dem Lennox-Gastaut-Syndrom (LGS) oder dem Dravet-Syndrom (DS) angewendet. Cannabidiol wird bei Patienten ab 2 Jahren für die adjuvante Behandlung von Krampfanfällen im Zusammenhang mit Tuberöser Sklerose (TSC) angewendet. Die empfohlene Anfangsdosis von Cannabidiol beträgt bei dieser Indikation zweimal täglich 2,5 mg/kg (5 mg/kg/Tag) über eine Woche. Nach einer Woche sollte die Dosis auf eine Erhaltungsdosis von zweimal täglich 5 mg/kg (10 mg/kg/Tag) erhöht werden. Je nach individuellem klinischen Ansprechen und der Verträglichkeit kann jede Dosis in wöchentlichen Schritten von 2,5 mg/kg zweimal täglich (5 mg/kg/Tag) erhöht werden bis zu einer empfohlenen Höchstdosis von zweimal täglich 10 mg/kg (20 mg/kg/Tag). Absetzen des Präparates: Wird Cannabidiol abgesetzt, sollte die Dosis schrittweise verringert werden. In klinischen Studien wurde das Absetzen von Cannabidiol durch eine Verringerung der Dosis um etwa 10 % pro Tag über 10 Tage durchgeführt. Eine langsamere oder schnellere Titration kann nach Ermessen des behandelnden Arztes klinisch erforderlich sein.

Nicht-zugelassene Indikationen für systemische Applikationen: Neben den zugelassenen bestehen für andere Indikationen keine oder unzureichende Wirksamkeitsbelege. Dies gilt für folgende Erkrankungen:

  • Weitere Epilepsieformen: Berichtet wurde über signifikante Verbesserung der primären Endpunkte z. B. psychotische Symptome, Angstzustände, Krampfanfälle. Die Dosis lag zwischen <1 und 50 mg/kg/d. CBD wurde als gut verträglich berichtet.
  • Diverse Erkrankungen: In kleinen randomisierten, kontrollierten Studien (n = 6-62; Dosierungen durchschnittlich 2,4 mg/kg/d)) wurden folgende Erkrankungen untersucht:   Diabetes mellitus, Morbus Crohn, okuläre Hypertension, Fettleber, chronische Schmerzen. Die Ergebnisse dieser Studien bedürfen allerdings entsprechender Belege durch nachprüfbare klinische Studienergebnisse.    
  • SARS-CoV2: Cannabis-sativa-Extrakte mit hohem Cannabidiol-Gehalt sind in der Lage, die Expression der beiden Schlüsselrezeptoren für SARS-CoV2 herunterzuregulieren. Cannabidiol übt eine breite Palette immunmodulatorischer und entzündungshemmender Effekte aus und kann die unkontrollierte Zytokinproduktion bei der SARS-CoV2-Infektion abschwächen (Esposito G et al. 2020).

Topische Applikationen:  Cannabidiol wird in Produkten wie Ölen, Cremes und Sprays angeboten. Diese CBD-Produkte sind keine zugelassenen Medikamente. Ihre klinische Effizienz ist unsicher. Tierexperimentell zeigte sich, dass CBD nach intranasaler Applikation innerhalb von 10 Minuten mit einer Bioverfügbarkeit von 34-46% resorbiert wurde.  Die Steady-State-Plasmakonzentration von CBD bei Meerschweinchen nach transdermaler Gel-Applikation betrug 6,3 +/- 2,1 ng/ml, die nach 15,5 +/- 11,7 Stunden erreicht wurde. Das Erreichen einer signifikanten Steady-State-Plasmakonzentration deutet darauf hin, dass CBD ausreichend transdermal resorbiert wird (Paudel KS et al.2010).

Nicht zugelassene dermatologische Indikationen:

  • Bei der Überprüfung der aktuellen Literatur kristallisiert sich heraus, dass Cannabinoidprodukte bei einer Vielzahl von Hauterkrankungen eingesetzt wurden. Hierzu gehören: Pruritus, Akne, allergische Kontaktdermatitis, asteatotische Dermatitis, atopische Dermatitis, Hidradenitis suppurativa, Kaposi-Sarkom, Psoriasis, Karzinome der Haut und die kutanen Manifestationen der systemischen Sklerose. Die meisten Studien sind jedoch aus wissenschaftlicher Sicht wenig aussagekräftig. Somit besteht ein Mangel an qualitativ hochwertigen randomisierten, kontrollierten Studien, mit denen die Wirkungen eindeutig bewertet werden können (Eagleston LRM et al. 2018; Sheriff Tet al. 2020).
  • UV-Protektion durch CBD: Nachweislich sind zytoprotektive Verbindung gegen UV-induzierte metabolische Veränderungen in fibroblastischen Hautzellen (Gęgotek A et al. 2019).

Unerwünschte Wirkungen

CBD ist nicht risikofrei. In präklinischen und klinischen Studien werden über unerwünschte Wirkungen (UAWs) und Toxizität nach CBD-Einnahme berichtet.

Bei Tieren beinhalteten CBD-AEs Entwicklungstoxizität, embryofötale Mortalität, Hemmung des zentralen Nervensystems und Neurotoxizität, hepatozelluläre Verletzungen, Verringerung der Spermatogenese, Organgewichtsveränderungen, Veränderungen des männlichen Reproduktionssystems und Hypotonie (allerdings bei höheren Dosen als für menschliche Pharmakotherapien empfohlen).  

Beim Menschen kann systemisch appliziertes Cannabidiol Schläfrigkeit und Benommenheit (10 %) verursachen. Die Symptome treten häufiger zu Beginn der Behandlung auf und können bei fortgesetzter Behandlung nachlassen. Sie sind bei Patienten, die gleichzeitig Clobazam erhalten stärker. Andere ZNS-dämpfende Mittel, einschließlich Alkohol, können die Somnolenz und den Sedierungseffekt verstärken.

Für CBD sind beim Menschen weitere unerwünschte Effekte bekannt:

  • sehr häufig: Schläfrigkeit und Benommenheit (10 %)
  • häufig: Unwohlsein, Durchfall, Appetitlosigkeit, Hautausschläge
  • Schlaflosigkeit, Schlafstörungen, innere Unruhe
  • gesteigerte Infekthäufigkeit (Huestis MA et al. 2019).

Wechselwirkungen

Es bestehen ausgeprägte pharmakokinetische Interaktionen mit anderen Antiepileptika, insbesondere Clobazam.

Kontraindikation

Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff. Patienten mit erhöhten Transaminasewerten, die das Dreifache der oberen Normgrenze übersteigen, und deren Bilirubinwerte das Zweifache der Norm übersteigen.

Bei Patienten mit mäßiger (Child-Pugh B) oder schwerer Leberfunktionsstörung (Child-Pugh C) ist hinsichtlich der Verordnung Vorsicht geboten. Bei Patienten mit mäßiger oder schwerer Leberfunktionsstörung wird eine niedrigere Anfangsdosis empfohlen. Die Dosistitration sollte entsprechend den Angaben in der nachstehenden Tabelle durchgeführt werden.

Hinweis(e)

Nahrungsergänzungsmittel: Lebensmittel mit Cannabidiol werden in Deutschland im Nahrungsergänzungsmittel-Bereich ohne gesundheitsbezogene Auslobung, aber mit dem ausdrücklichen Hinweis auf das enthaltene CBD angeboten. Bei einer oralen Verabreichung von CBD in einer Maisöl-Formulierung keine Biokonversion zu THC beim Menschen erfolgt (Crippa JAS et al. 2020)

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Arzimanoglou A et al. (2020) The Cannabinoids International Experts Panel; Collaborators. Epilepsy and cannabidiol: a guide to treatment. Epileptic Disord 22:1-14. 
  2. Casiraghi A et al. (2020) Topical Administration of Cannabidiol: Influence of Vehicle-Related Aspects on Skin Permeation Process. Pharmaceuticals (Basel)13: 337
  3. Crippa JAS et al. (2020) Oral Cannabidiol Does Not Convert to Δ8-THC or Δ9-THC in Humans: A Pharmacokinetic Study in Healthy Subjects. Cannabis Cannabinoid Res 27: 89-98.
  4. Bedi G et al. (2013) Subjective, cognitive and cardiovascular dose-effect profile of nabilone and dronabinol in marijuana smokers. Addict Biol 18:872-81. 
  5. Eagleston LRM et al. (2018) Cannabinoids in dermatology: a scoping review. Dermatol Online J 24:13030/qt7pn8c0sb.
  6. Gęgotek A et al. (2019) The Differences in the Proteome Profile of Cannabidiol-Treated Skin Fibroblasts following UVA or UVB Irradiation in 2D and 3D Cell Cultures. Cells 8:995.
  7. Hoffenberg EJ et al. (2019) Cannabis Oil Use by Adolescents and Young Adults With Inflammatory Bowel Disease. J Pediatr Gastroenterol Nutr 68:348-352
  8. Huestis MA et al. (2019) Cannabidiol Adverse Effects and Toxicity. Curr Neuropharmacol. 17:974-989.
  9. Kafil TS et al. (2018) Cannabis for the treatment of ulcerative colitis. Cochrane Database Syst Rev 11:CD012954Kafil TS et al. (2018) Cannabis for the treatment of Crohn's disease. Cochrane Database Syst Rev 11:CD012853
  10. Kis B et al. (2019) Cannabidiol-from Plant to Human Body: A Promising Bioactive Molecule with Multi-Target Effects in Cancer. Int J Mol Sci 20:5905. 
  11. Millar SA et al. (2019) A systematic review of cannabidiol dosing in clinical populations. Br J Clin Pharmacol 85:1888-1900.
  12. Moltke J et al. (2021) Reasons for cannabidiol use: a cross-sectional study of CBD users, focusing on self-perceived stress, anxiety, and sleep problems. J Cannabis Res 3:5. 
  13. Mücke M et al. (2018) Cannabis-based medicines for chronic neuropathic pain in adults. Cochrane Database Syst Rev 3:CD012182.
  14. Paudel KSet al.(2010) Cannabidiol bioavailability after nasal and transdermal application: effect of permeation enhancers. Drug Dev Ind Pharm 36:1088-1097.
  15. Sheriff Tet al. (2020) The potential role of cannabinoids in dermatology. J Dermatolog Treat 31:839-845
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