Synonym(e)
Definition
Primär kutanes B-Zell-Lymphom mit rasch progredientem klinischen Verlauf, hoher Rezidivrate und häufiger extrakutaner Disseminierung.
Es handelt sich bei diesem B-Zell-Lymphom um eine extranoduläre Variante des diffusen großzelligen B-Zell-Lymphoms (DLBCL). Dieses ist die häufigste Neoplasie des lymphatischen Systems.
Diese Lymphom-Variante wird zu den aggressiven B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphomen (B-NHL) gerechnet und geht von reifen B-Zellen aus. Das diffuse großzellige B-Zell-Lymphom (DLBCL) zeichnet sich durch schnell fortschreitende Lymphknotenvergrößerungen und/oder extranodale Manifestationen, außerdem variabel durch Allgemeinsymptome (B-Symptomatik) aus und verläuft ohne Behandlung schnell tödlich.
Ätiopathogenese
Unbekannt. Zusammenhänge mit EBV-Infektionen wurden beschrieben. Insbesondere die Konstellation von chronischer EBV-Infektion und MTX-Therapie scheint mit der Entstehung dieser Lymphomart assoziiert zu sein. Bekannt sind Zusammenhänge zwischen einer längerdauernden MTX-Therapie und assoziierten B-Zell-Lymphomen.
Auf molekularer Ebene wurden zahlreiche Aberrationen identifiziert, die die Zellhyperproliferation und Zelltodresistenz erklären. Diese sind v.a. in der p21-Region von Chromosom 9 lokalisiert. Hierzu zählen Deletionen CDKN2A-Gens (cyclic-dependent kinase inhibitor 2A), die zu einer erhöhten Zellproliferation führen. Auch die beim Burkitt-Lymphom nachweisbare Translokalisation t(q24/q32) ist bei diesem Lymphomtyp nachweisbar. Weiterhin sind Punktmutationen im MYD88 Gen nachweisbar, die eine Zelltodresistenz der malignen Zellpopulation erklären könnte.
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Manifestation
Bei älteren Menschen (> 70 Jahre) auftretend. Frauen sind 3-4 mal häufiger als Männer betroffen. Assoziationen zur rheumatoiden Polyarthritis und zu chronischen Lymphödemen sind beschrieben.
Klinisches Bild
Ein oder mehrere, rote, bräunlich-rote oder blau-rote, feste oberflächenglatte Knoten oder Plaques mit Tendenz zur Ulzeration. Unter Umständen imponiert diese Lymphomvariante klinisch als "Ulkus des Unterschenkels" und wird dann in seiner Dignität leicht verkannt. Das Lymphom kann auch bei 10-15% der Patienten an anderen Manifestationsorten auftreten.
Diagnostik
Zur Diagnose ist eine ausreichend große Gewebsprobe, präferenziell als Entnahme des gesamten Lymphknotens, erforderlich, an der histologische, immunhistochemische, zytogenetische und molekulargenetische Untersuchungen durchgeführt werden. Die Morphologie ist für die Diagnose und Abgrenzung von Differentialdiagnosen von besonderer Bedeutung. Folgenden Analysen müssen durchgeführt werden:
CD20-Expression und ggf. weiterer B-Zell-Marker; Testung auf MYC-Translokationen, um entsprechend der WHO-Klassifikation eine Abgrenzung von ‚High-grade B-Zell-Lymphomen‘ vornehmen zu können. Die prognostische Relevanz von MYC Translokationen scheint vom Translokationspartner abhängig zu sein (Rosenwald A et al. 2019).
Parallele Testung auf die Expression von MYC und BCL2: Bei Expression beider Marker liegt ein so genannter ‚double expressor‘ Status vor. Patienten mit ‚double expressor‘ Lymphom zeigten in retrospektiven Analysen eine schlechtere Prognose (Johnson NA et al. 2012). Das Vorliegen eines ‚double expressor‘ Status hat jedoch momentan keine therapeutische Relevanz.
Bestimmung des COO-Subtyps, wobei die Wahl der Methode freigestellt ist. Die COO-Subtypisierung hat derzeit keine klinische Relevanz, ist aber Bestandteil der WHO-Klassifikation.
Stadieneinteilung: Zur Stadieneinteilung wird die Ann-Arbor-Klassifikation herangezogen (Lister TA et al. (1989). Diese erfordert eine Anamnese (B-Symptome), eine körperliche Untersuchung (Tonsillen, Lymphknoten, Leber, Milz, Ergüsse, sicht- oder tastbare Raumforderungen), Computertomographien (CT) mit Kontrastmittel von Hals, Thorax und Abdomen und eine Knochenmarkbiopsie (einseitig; Aspiration und Trepanat von mindestens 2 cm Länge).
Bildgebung: Internationaler Standard für die Detektion von Lymphommanifestationen ist die Positronen-Emissionstomographie (PET) unter Verwendung des Tracers 18-Fluordesoxyglukose (FDG-PET).
Die FDG-PET ist in der Ausbreitungsdiagnostik und der Evaluierung des Behandlungsergebnisses internationaler Standard (Johnson NA et al. 2012). Die Ausbreitungsdiagnostik erfolgt in der Regel mit Hilfe der Ganzkörper-PET/CT, in der pathologische Glukoseanreicherungen (PET-Komponente) anatomischen Strukturen (CT-Komponente) zugeordnet werden. Das PET/CT kann bei Diagnose bezüglich Knochenmarkinfiltration und Staging zusätzliche Informationen liefern und führt bei etwa 20 % der Fälle zu einem Upstaging.
Laboruntersuchungen: Die Laboruntersuchungen umfassen ein Blutbild mit Differentialblutbild, klinisch-chemische Parameter wie: Bilirubin, GOT, GPT, alkalische Phosphatase, Gamma-GT; Kreatinin. Die LDH im Serum gibt Aufschluss über die Zellproliferation, die Harnsäure über den Zellzerfall. Vor Therapiebeginn: Durchführung einer Hepatitis- und HIV-Serologie.
Weitere Untersuchungen: Elektrokardiogramm; Echokardiographie.
Histologie
Dichte, knotige oder diffuse Infiltrate im Bereich der gesamten Dermis und der oberen Subkutis. Die Epidermis bleibt ganz überwiegend frei von Infiltraten. Das histopathologische Muster zeigt überwiegend große Zellen mit den Charakteristika von Immunoblasten, Zentrozyten und Zentroblasten mit hoher Proliferationsaktivität.
Immunhistologie: Die Tumorzellen zeigen Positivität für Pan B-Marker (CD19, CD20, CD79a) und exprimieren in den meisten Fällen BCL2 und MUM-1 (in 60% der Fälle). In Einzelfällen kann auch CD30-Reaktivität vorhanden sein. Monoklonales Rearrangement des IgH-Gens ist meist nachweisbar.
Die Negativität für das Epstein-Barr-Virus ist hilfreich zur Abgrenzung zum EBV-assoziierten großzelligen B-Lymphom.
Differentialdiagnose
Lymphome anderer Ätiologie, Ulcus cruris versch.Genese: Ulcus cruris venosum oder Ulcus cruris arteriosum. Ulzerierte epitheliale Tumoren.
Therapie
Für diesen Lymphomtypus existiert keine Leitliniensystematik sondern lediglich kleinere Fallserien mit unterschiedlichen Therapieansätzen. Wichtig für alle Therapieüberlegungen ist die im Verhältnis zu den biologisch indolenten primär kutanen B-Zell-Lymphomen schlechte Prognose.
- Bei solitären Geschwülsten empfiehlt sich die primäre Exzision und anschließende Bestrahlungstherapie .
- Bei multiplen Tumoren ist eine Polychemotherapie empfehlenswert. Neueren Studien zufolge ist die höchste Remissionsrate unter Polychemotherapie mit Antrazyklinen in Kombination mit dem monoklonalen anti-CD20 AK ( Rituximab) zu erzielen z.B. R-CHOP.
- Bei lokalen Rezidiven ist neben der Exzision eine Strahlentherapie zu erwägen.
- Weitere Empfehlungen s.u. diffuses großzelliges B-Zell-Lymphom
Verlauf/Prognose
Intermediäre Malignität. Trotz früh einsetzender Therapie Rezidive in 50% der Fälle. 3-Jahresüberlebensrate ca. 53%, 5-Jahresüberlebensrate ca. 41%. Die Prognose ist bei solitären Läsionen mit Zentrozyten-Dominanz günstiger (5-Jahres-Überlebensrate bei etwa 100%). Sie ist schlechter bei Patienten > 70 Jahre, mit multiplen Läsionen (> 5) an beiden Beinen sowie Auftreten von Zentroblasten und Immunoblasten (5 Jahresüberlebensrate bei 36%).
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio
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Verweisende Artikel (6)
BCL2; Diffuses großzelliges B-Zell-Lymphom; Großzelliges B-Zell-Lymphom des Beines; Kutanes diffuses großzelliges B-Zell-Lymphom, Bein-Typ; MUM-1; Primär kutanes Mantelzell-Lymphom ;Weiterführende Artikel (13)
BCL2; CD19; CD20; CD30; CD79a; CHOP-Schema; Chromosomendeletion; Diffuses großzelliges B-Zell-Lymphom; MUM-1; Rituximab; ... Alle anzeigenDisclaimer
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