Muzinosen kutane (Übersicht)L98.5

Autoren:Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 20.08.2024

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Synonym(e)

cutaneous mucinosis; Dermale Muzinose; Dermal mucinosis; kutane Muzinosen; Mucinosis; Myxodermien

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Definition

Gruppe ätiologisch und klinisch heterogener Erkrankungen mit fokaler oder diffuser Anreicherung von Glykosaminglykanen (Muzine), einer schleimartigen, bereits physiologischerweise in der Haut vorkommenden Substanz. Die Pathogenese der Muzinosen ist meist unklar. 

Einteilung

A Primäre kutane Muzinosen

A1 Primäre dysthyroide Muzinosen 

A2 Primäre eutyhreote diffuse kutane Muzinosen

A3 Primäre euthyreote, neoplastische/naevoide/degenerative (lokaliserte) kutane Muzinosen

A4 Primäre euthyreote follikuläre kutane Muzinosen

B Sekundäre kutane Muzinosen (vermehrte kutane Muzinablagerung bei verschiedenen primär "nicht-muzinösen" Erkrankungen, v.a. bei Kollagenosen+versch.Tumoren (modifiziert nach Rongioletti und Rebora 2001a):

B1: Sekundäre kutane Muzinosen (assoziiertes Phänomen bei versch.Tumoren) 

B2 Sekundäre kutane Muzinosen (assloziiertes Phänomen bei Autoimmunerkrankungen + versch. weiteren Pathologien)

Ätiopathogenese

Die extrazelluläre Matrix der Dermis besteht aus kollagenen und elastischen Fasern sowie einer interfibrillären Grundsubstanz. Diese setzt sich aus verschiedenen Glykoproteinen , aus Wasser und Salz zusammen. Hauptkomponente dieser Grundsubstanz sind die Proteoglykane (auch als Muzine bezeichnet), die über ihren Proteinanteil mit einem fadenförmigen, zentralen Kern (Core-Protein) an Glykosaminoglykane gebunden sind. Die Proteoglykanmoleküle bestehen hauptsächlich aus Hyaluronsäure, Dermatansulfat, Chondroitin-4-Sulfat und Chondroitin-6-Sulfat. Die Dermis erhält durch hydrostatische Wechselwirkungen dieser Komponenten ihre besondere Konsistenz. Bei Störung des Glykosaminoglykanstoffwechsels kann es zu quantitativen und/oder qualitativen Verschiebungen der extrazellulären Matrix der Dermis kommen, häufig an Konsistenzveränderungen der Dermis bemerkbar.

So kann eine Überproduktion von Glykosaminoglykanen z.B. durch Schilddrüsenerkrankungen, durch immunologische Störungen oder auch durch virale Infektkionen (HIV, Hepatis C) ausgelöst werden.

Bemerkenswert ist die Beobachtung, dass bei kultivierten Fibroblasten die Kollagen- und  Glykosaminoglykan-Produktion durch rekombinantes Interleukin-6 gesteigert werden kann (Duncan MR et al. 1991).

Manifestation

Die hier aufgeführte, komplexe Klassifikation der kutanen Muzinosen, folgt mehreren Prinzipien zugleich. Zunächst wird grundsätzlich nach

  • A) Primäre (idiopathische) kutane Muzinosen

und

  • B) Sekundäre kutane Muzinosen

unterteilt. Als „Primäre kutane Muzinosen“, werden solche Erkrankungen definiert, bei denen eine pathologische primäre dermale Muzinproduktion als ursächliches, pathogenetisches Prinzip nachweislich ist. Weiterhin werden die primären kutanen Muzinosen mit Blick auf Schilddrüsenfunktionen in:

  • Euthyreote primäre kutane Muzinosen

und

  • Dysthyreote primäre kutane Muzinosen

unterschieden.

Die Gruppe der dysthyreoten primären kutanen Muzinosen ist mit 3 klinischen Vertretern gut überschaubar, umfasst im Wesentlichen die Myxödemgruppe, wobei dermatologisch die meist hyperthyreotischen, lokalisierten Myxödeme (meist prätibial lokalisiert, deswegen „prätibiales Myxödem“, seltener im Gesicht, an Schultern, Abdomen lokalisiert) die größte klinische Rolle spielen.

Die Gruppe der euthyreoten primären (distinkten) kutanen Muzinosen hingegen ist umfangreich, klinisch heterogen. Als inflammatorische Erkrankungen imponieren die Vertreter der umfangreichen Lichen-myxödematosus-Gruppe. Der prominenteste Vertreter dieser Gruppe ist, das Skleromyxoedem, das in den neuen Klassifikationen als „generalisierter, paraproteinämischer Lichen myxoedematosus“ geführt wird. Mit dieser Umbenennung soll die pathogenetische Verwandtschaft zu verschiedenen weiteren, lokalisierten Vertretern der lokalisierten Lichen-myxoedematosus-Gruppe herausgestellt. Das „Skleromyxödem Arndt-Gottron der historischen Nomenklatura“, ist die  seltene, häufig fatal verlaufende, systemische Variante des Lichen myxoedematosus mit charakteristischen, hautfarbenen, lichenoiden Papeln, flächenhafter Verdickung und Verhärtung der Haut mit Einlagerung von Muzinen und deutlich gesteigerter Fibrose der Dermis. Eine faziale Beteiligung führt zu einer eigenartigen Einschränkung der Mimik. Systemisch zu beachten sind eine kardiovaskuläre Beteiligung, sowie Myopathien und neurologische Symptome. Häufig (>90%) liegt eine monoklonale Paraproteinämie (MGUS), meist vom IgG1-Lambda-Typ, seltener vom IgG-Kappa-Typ vor. Die ätiologischen Zusammenhänge zwischen der Muzinose und der Paraproteinämie sind bisher nicht geklärt.

Die Gruppe der nicht-generalisierten, fokalen oder abgemildert (diskreter Lichen myxoedematosus) verlaufenden Lichen-myxoedematosus-Varianten ist willkürlich zusammengestellt, einmal nach Lokalisation (akrale persistierende papulöse Muzinose) nach klinischen und morphologischen Kriterien (nodulärer Lichen myxoedematosus, selbstheilende kutane Muzinose, diskreter Lichen myxoedematosus) oder nach Ätiologien (HIV-assoziierter (HCV-assoziierter Lichen myxoedematosus, „Toxic oil syndrome“, Skleromyxödem bei Nierenerkrankungen).Tatsächlich finden sich die Gemeinsamkeiten im Wesentlichen in dem übereinstimmenden histologischen Befund. Mit anderen Worten: Feingeweblich sind die einzelnen Varianten nicht zu unterscheiden, sodass die finale Diagnose nur in der Zusammenschau von Histologie, klinischem Befund und Verlauf gestellt werden kann. 

Weitere euthyreote primäre, diffuse, kutane Muzinosen: Ein weiteres klinisch wichtiges Krankheitsbild, das ebenfalls zur Gruppe der euthyreoten primären kutanen Muzinosen mit diffus interstitiell verteilten Muzineinlagerungen gehört, aber nicht zur Lichen-myxödematosus-Gruppe, ist das häufig auch diabetogen ausgelöste Scleroedema adultorum. Im Vergleich zu den Vertretern des Lichen myxoedematosus, fehlt klinisch die papulöse Komponente komplett. Die Haut ist gleichmäßig verdickt, etwas lila schimmernd, mit „peau d`orange“-Oberfläche. Histologisch zeigen sich insofern distinkte Unterschiede zum Lichen myxoedematosus, als eine Vermehrung von Fibroblasten fehlt. Die verdickten, fensterartig auseinandergedrängten kollagenen Fasern erinnern eher an eine Sklerodermie im Spätstadium. Das Skleroedema adultorum Buschke tritt in 3 Varianten auf:

  • Typ I v.a. nach Streptokokkeninfekten (oftmals selbstlimitierend bei jüngeren Frauen und Kindern)
  • Typ II bei Patienten mit monoklonaler Gammopathie (Männern mittleren Alters)
  • Typ III in Assoziation mit Diabetes mellitus bei Männern mittleren Alters.

Klinisch bemerkenswert ist, dass die von Pädiatern beschriebene „selbstheilende juvenile kutane Muzinose“, die in der Gruppe der Lichen myxoedematosus-Gruppe geführt wird, einen ganz ähnlichen klinischen Verlauf einnimmt wie der Typ I des Buschke Skleroedems. Auch diese Erkrankung beginnt fieberhaft, begleitet von Arthralgien und Arthritiden, Muskelschmerzen und allgemeiner Schwäche. Auffällig sind flächige periorbitale Ödeme, die an eine juvenile Dermatomyositis erinnern.

Auch das 1974 von Gerd-Klaus Steigleder beschriebene REM-Syndrom (Retikuläre erythematöse Muzinose), und seine 14 Jahre ältere Schwester, die von dem amerikanischen Dermatologen Harald Otto Perry beschriebenen „Plaque-like form of cutaneous mucinosis“, gehören zur Gruppe der euthyreoten primären, diffusen, kutanen Muzinosen (Hinweis: wahrscheinlich handelt es sich um die ein und selbe Entität). Beide Krankheitsbilder sind hinsichtlich ihrer Ätiopathogenese eine „Black Box“. Diskutiert werden eine gesteigerte Lichtempfindlichkeit, eine virale Induktion aber auch immunologische Auslöser. Ein assoziierter Lupus erythematodes ist ebenso abzuklären wie eine HIV-/HCV-Infektion. Therapeutisch werden bei den idiopathischen Formen Chloroquin und Hydroxychloroquin eingesetzt.

Primäre, euthyreote, follikulären, kutanen Muzinosen: Eine ganz eigene Kategorie bilden die primären, euthyreoten, follikulären kutanen Muzinosen. Hierbei sind die Follikelepithelien und nicht die Fibroblasten ursächlich für die Muzinbildung. Auch hier gilt die Aussage, dass die klinische Diagnose ausschließlich auf einem histologischen Phänomen basiert, das als Epiphänomen bei einer Reihe von entzündlichen Erkrankungen auftreten kann. Hinter dieser histopathologischen Besonderheit können sich zum einen, bei Kindern und jungen Erwachsenen, harmlose, meist lokal begrenzte, follikulär-entzündliche Krankheitsbilder verbergen. In Kombination mit klinisch auffälligem Haarausfall, wird das Krankheitsbild als Alopecia mucinosa bezeichnet. Eine andere klinische Gewichtung stellt sich bei der disseminierten Mucinosis follicularis ein, die als Erscheinungsform eines follikulotropen kutanen T-Zell-Lymphoms auftreten kann (s.u. follikulotrope Mycosis fungoides). 

Sekundäre kutane Muzinosen. Bei den sogenannten sekundären kutanen Muzinosen kann man nicht von autochthonen „muzinösen Krankheitsbildern“ sprechen. Es handelt sich um eine heterogene Ansammlung von Hauterkrankungen, bei denen sekundär muzinöse Ablagerungen auftreten. Die Gemeinsamkeit dieser Gruppe bezieht sich demnach auf ein histologisches Phänomen ohne spezifische klinische Relevanz.

Histologie

Nachweis  der Muzine mittels der Hale-Reaktion oder der Alzianblaufärbung. Bei V.a. Muzinose sollte das Präperat in absolutem Alkohol mit 1% Formalin fixiert werden.

Diagnose

Klinisches Bild; histologische Nachweis von Muzinablagerungen in der Haut.

Therapie

S.u. den in den Tabellen aufgeführten Krankheitsbildern.

Hinweis(e)

Muzin besteht aus einer Mischung von Glykosaminoglykanen (v.a. Hyaluronsäure und Dermatansulfat), die entweder an Proteine gebunden (Proteoglykane) oder frei (Hyaluronsäure) auftreten. Glykosaminoglykane werden entweder in Fibroblasten oder in Keratinozyten gebildet. Bei Störungen des Glykosaminoglykanstoffwechsels (erhöhte Produktion/verminderter Abbau) kommt es zu einer qualitativen oder quantitativen Änderung des Gleichgewichtes.

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