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Mucinosis follicularisL98.5
Synonym(e)
Erstbeschreiber
Kreibich, 1926; Pinkus, 1957
Definition
Entzündliche, in seltenen Fällen neoplastische "Follikelreaktion" bei adnexotroper lymphoidzelliger Infiltration der Dermis, die klinisch mit follikulärer Papelbildung, elevierten Erythemen und Alopezie verbunden ist. Die Diagnose wird histologisch durch den Nachweis von intraepithelialen „Muzinansammlungen“ in aufgeblähten Talgdrüsen- und Follikelepithelzellen gestellt.
Einteilung
4 klinisch (jedoch nicht histologisch) distinkte Krankheitsbilder lassen sich unterscheiden:
- Typ I (am häufigsten): Akute oder subakute, mit zirkumskripter Alopezie der Terminalhaare einhergehende, lokalisierte Verlaufsform bei Kindern und jungen Erwachsenen. Wenige 2,0-3,0-4,0 cm große, nummuläre Alopezien mit hautfarbenen, follikulären Papeln.
- Typ II (seltener): Chronische, häufig generalisierte Verlaufsform bei Erwachsenen mittleren Alters bis älteren Erwachsenen, mit disseminierten, 0,1 cm großen, hautfarbenen, auch roten follikulären Papeln am Stamm und den Extremitäten. Kann mit Juckreiz verbunden sein.
- Typ III (selten) Symptomatische Form: Chronische, meist generalisierte Verlaufsform bei Erwachsenen mittleren Alters bis älteren Erwachsenen (sehr selten bei Kindern und Jugendlichen), mit disseminierten, hautfarbenen oder roten, 0,1 cm großen, meist juckenden, follikulären Papeln am Stamm und den Extremitäten (seltener Gesicht). Als Vorläuferstadium eines follikulären kutanen T-Zell-Lymphoms (s.u. Mycosis fungoides follikulotrope) anzusehen.
- Typ IV (selten) Follikulärer muzinöser Naevus: Eine zirkumskripte Form der Mucinosis follicularis kann auch als "follikuläres muzinöses Hamartom" in Erscheinung treten (Bemerkung: nicht zu verwechseln mit dem Naevus mucinosus einem muzinösen Bindegewebsnaevus).
Ätiopathogenese
Unbekannt, idiopathische und symptomatische Formen.
In einigen (meist generalisierten) Fällen (Typ III) ist die Mucinosis follicularis als Vorläuferstadium eines (follikulären) kutanen T-Zell-Lymphoms ( = follikulären Mycosis fungoides) anzusehen (s.a. Mycosis fungoides, follikulotrope).
Manifestation
Kinder/Jugendliche und Erwachsene (20-30J/ 50-60 J).
Lokalisation
Typ I: Gesicht und und Capillitium
Typ II: V.a. Stamm und proximale Extremitäten (Gesicht selten mitbetroffen)
Typ III: V.a. Stamm und proximale Extremitäten (Gesicht selten mitbetroffen)
Klinisches Bild
S. Einteilung
Klinisches Bild einer Muzinosis follicularis ist das einer "Reibeisenhaut". Er ist von der anlagebedingten völlig harmlosen Keratosis follicularis klar abzugrenzen.
Am häufigsten imponieren größere meist unscharf begrenzte Plaques, die sich aus disseminierten, aber auch aus gruppierten, follikulären, flach erhabenen, geröteten aber auch hautfarbenen, symptomlosen aber auch deutlich juckenden (Juckreiz kann ein Ausdruck eines adnexotropen kutanen T-Zell-Lymphoms sein) festen keratotischen Papeln zusammensetzen. Die betroffenen Follikel sind stets haarlos. Insofern imponiert bei Befall des Capillitiums eine meist unscharf abgegrenzte Alopezie.
Der Befund "Mucinosis follicularis" ist bei Kindern und Jugendlichen im allgemeinen als harmlos einzuordnen.
Anders zu werten sind generalisierte Verteilungsformen im Erwachsenalter. Sind diese mit permanentem Juckreiz verbunden, so liegt der Verdacht auf eine follikulotrope Mycosis fungoides nahe.
Histologie
Vakuoläre Epithelzelldegeneration mit Ausbildung von optisch leeren (Muzin wird durch Formalin-Fixierung augewaschen) oder auch basophiles, granuläres Material enthaltenden Spalten und Hohlräumen in der äußeren Wurzelscheide des Haarfollikels oder dem supraseboglandulären Anteil des Follikels (auch in den Talgdrüsenläppchen).
Meist deutliche Follikelkeratose.
Stets Nachweis eines meist schütteren, fokal jedoch verdichteten, perifollikulären, lymphoiden Infiltrates mit fokaler Epitheliotropie. Im Follikelepithel finden sich immer wieder degenerative Veränderungen, teils auch Abschnitte mit apoptotischen Zellen.
Zur Abgrenzung eines follikulären T-Zell-Lymphoms ist der Nachweis einer T-Zell-Rezeptor-Klonalitätsanalyse hilfreich.
Muster: Follikulitis infundibulär und bulbär, spongiotisch .
Differentialdiagnose
Klinisch und histologisch:
- Alopecia areata: Wichtige Differenzialdiagnose; kein Juckreiz; follikuläre Papeln bei Alopecia areata sehr diskret; nur mit seitlicher Beleuchtung sichtbar. Histologisch kein Nachweis einer "muzinösen Follikeldegeneration".
- Keratosis pilaris: häufiges harmloses Krankheitsbild (Jugendliche, Streckseite der Extremitäten, Reibeisenhaut mit perifollikulärem Erythem). Im Erwachsenealter Besserung bzw. komplette Abheilung.
- Naevus mucinosus: Angeboren oder seltener erworben, in einseitiger linearer (naevoider) Anordnung. Histologie identisch mit Mucinosis follicularis.
- Mycosis fungoides, follikulotrope: Wahrscheinlich keine "echte" DD, da viele Autoren die (nachweisbare) follikulotrope MF als Spätstadium der Mucinosis follicularis (Typ II) ansehen.
- Urtikaria-artige Mucinosis follicularis. Sehr selten (Entität zweifelhaft), v.a. bei Männern mittleren Alters, Kopf-und Nacken, urtikarielle follikuläre Papeln und Plaques mit eingestreuten follikulären Papeln.
- Tinea corporis: Kurzer Verlauf; deutlich marginierte Herde, follikuläre Papeln nicht gleichmäßig über das befallene Areal verteilt; histologischer und/oder kultureller Pilznachweis.
- Tinea barbae: s.o.
- seborrhoisches Ekzem: Wichtige DD; typischerweise in den seborrhoischen Zonen lokalisiert; keine Alopezie; histologisch keine Muzinablagerungen.
- Keratosis follicularis: Typus rusticanus; streckseitige Extremitäten; Beginn bereits im kindlichen oder jugendlichen Alter. Klinisch meist weitere Zeichen eines Keratosis pilaris Syndroms ( Keratosis follicularis Ulerythema ophryogenes, Folliculitis ulerythematosa reticulata, Folliculitis decalvans).
- Lichen simplex chronicus: Nur wenige Herde, fest, meist zerkratzte Papeln, häufig zu Plaques konfluiert; sehr ortstreu; histologisch "Ekzembild"; keine Muzinablagerungen.
- Lichen planus follicularis: Meist am Capillitium lokalisiert; stecknadelkopfgroße, follikuläre, zart- bis kräftig rot gefärbte, halskrausenartig um den Haarfollikel angeordnete Erytheme (Papeln); ältere ausgebrannte Areale zeigen eine atrophisch vernarbte, glatt spiegelnde Fläche ohne Erytheme oder Follikelstrukturen. Histologische Abklärung notwendig. Histologisch Zeichen der Interface Dermatitis.
Therapie
Idiopathische Form: Bei kleineren Herden, insbes. bei Kopfbefall, Versuch mit Glukokortikoiden extern wie 0,1% Betamethason-Lotio (z.B. Betagalen Lotio, R030 ) oder 0,1% Triamcinolon-Creme (z.B. Triamgalen, R259 ). Therapiemöglichkeit auch mit Tacrolimus/Pimecrolimus möglich. Bei Therapieversagen oder schwerer Ausprägung /TypII/Typ III) systemische Glukokortikoide wie Prednison (z.B. Decortin) 40-60 mg/Tag p.o. mit langsamer Reduktion.
Bei den klinischen Typen II und III können versuchsweise einzeln oder in Kombination mit Glukokortikoiden DADPS (z.B. Dapson-Fatol) 100 mg/Tag p.o., PUVA-Therapie oder SUP eingesetzt werden.
Behandlungserfolge mit Interferonen sind beschrieben. Die Erkrankung zeigt eine spontane Regressionstendenz, die die Beurteilung des letztendlichen Behandlungserfolges der genannten Methoden erschwert.
Die früher eingesetzten Röntgenstrahlen werden heute durch oben genannte Therapiemethoden vollständig verdrängt.
Symptomatische Form: Behandlung der Grunderkrankung, ggf. unterstützend wie oben.
Verlauf/Prognose
Idiopathische Mucinosis follicularis:
- Akute Verlaufsform mit spontaner Abheilung nach Wochen bis Monaten ohne bleibende Alopezie.
- Chronische Form (?): Ausdehnung über das gesamte Integument ist möglich.
Symptomatische Mucinosis follicularis (Frühform einer follikulotropen Mycosis fungoides): Persistenz über mehrere Jahre, Übergang in eine klinisch und histologisch gesicherte follikuläre Mycosis fungoides.
Hinweis(e)
Follikuläre, perifollikuläre und Schweißdrüsen-assoziierte muzinöse Prozesse werden vermehrt bei HIV-Infizierten beobachtet und dürften einer Neigung zu "muzinösen degenerativen Reaktionen" bei diesem Klientel zuzuschreiben sein (beschrieben als Eccrine mucinosis, Perifollicular mucinosis). Eine "ekkrine Muzinose" wird auch bei follikulotropen T-Zell-Lymphomen beobachtet.
Literatur
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