Kallmann-Syndrom E23.07

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 20.08.2024

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Erstbeschreiber

Kallmann et al., 1943; de Morsier, 1954

Definition

Hereditäres Syndrom mit genetisch bedingter Assoziation von hypogonadotropem Hypogonadismus und Anosmie.

Vorkommen/Epidemiologie

Inzidenz (männliches Geschlecht): 1/10.000 Geburten; Inzidenz (weibliches Geschlecht): 1/50.000 Geburten.

Ätiopathogenese

Ursache des KS ist eine Entwicklungsstörung des olfaktorischen Systems und eine unterbrochene embryonale Migration der GnRH-synthetisierenden Neuronen vom Riechepithel in die Hypothalamusregion. Die meisten Fälle sind sporadisch, jedoch wurden auch familiäre Formen beschrieben. Ursächliche Gene sind

bei der X-chromosomal-rezessiven Form KAL1 (Xp22.32)

bei der autosomal-dominanten Form FGFR1 (8p12), FGF8 (10q25-q26), CHD7 (8q12.2) und SOX10 (22q13.1)

bei der autosomal-rezessiven und oligogenen Form PROKR2 (20p12.3) und PROK2 (3p21.1).

Ob evtl. weitere Gene (z.B. SEMA3A) an der Genese des KS beteiligt sind, ist noch nicht geklärt.

 

Manifestation

Geringe Penetranz beim weiblichen Geschlecht. Männer sind etwa 5-6mal so häufig wie Frauen betroffen.

Klinisches Bild

Leitsymptom ist eine ausbleibende oder unvollständige Pubertätsentwicklung mit ausgeprägtem sekundären Hypogonadismus (Hodenvolumen um 3 ml, Unterentwicklung von Penis und Prostata, fehlende oder gering ausgeprägte sekundäre Körperbehaarung, eunuchoidaler Hochwuchs, feminines Fettverteilungsmuster), oft ein- oder beidseitiger Kryptorchismus (s. Maldescensus testis) bzw. Zustand nach Orchidopexie, selten Gynäkomastie. Ohne Therapie besteht Impotentia gestandi ( Aspermie oder Azoospermie).

Zweites Kardinalsymptom ist die Hypo- oder Anosmie (beruhend auf einer Aplasie oder Hypoplasie der Bulbi und Tractus olfactorii). Zusätzlich treten häufig Synkinesien, Pes cavus, einseitige Nierenagenesie, einseitige Samenleiteraplasie, Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten und fleckförmige Hyperpigmentierungen der Haut auf.

Einige Patienten weisen Hautveränderungen der X-chromosomal-rezessiven Ichthyosis auf.

Diagnostik

Zur Diagnose führen Hormonanalysen (Geschlechtshormone, Gonadenpeptide, Hypophysen-Gonadotropintest) und die Untersuchung des Geruchssinnes (Olfaktometrie). Die morphologische Analyse der Riechkolbens durch MRI kann hilfreich sein, vor allem bei jungen Kindern. Gentests können eine mutationsverursachende Erkrankung identifizieren und sind vor Beginn einer Unfruchtbarkeitsbehandlung obligatorisch.

Pränataldiagnostik: In einem familiären Umfeld mit FGFR1-, FGF8-, KAL1- oder CHD7-Mutationen können Knochenanomalien, Lippen-/Gaumenspalten, Nierenagenesie oder multiple Entwicklungsdefekte beim Fötus durch Ultraschalluntersuchung erkannt werden.

 

 

Differentialdiagnose

Differentialdiagnosen sind der isolierte kongenitale Gonadotropin-Mangel und das CHARGE-Syndrom.

Therapie

Bei neu diagnostizierten Patienten Einleitung einer mehrmonatigen Testosterontherapie mit dem Ziel einer optimalen Versorgung des Patienten mit Testosteron und einer raschen Virilisierung, s.u. Gonadendysgenesie.

Literatur
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  1. De Morsier G (1954) Études sur les dysraphies crânio-encephaliques. I. Agénésie des lobes olfactifs (télencéphaloschizis latéral) et des commissures calleuse et antérieure (télencéphaloscizis median). La dysplasie olfacto-génitale. Schw Arch Neurol Psych (Zurich) 74: 309-361
  2. Hu Y et al. (2003) Kallmann's syndrome: molecular pathogenesis. Int J Biochem Cell Biol 35: 1157-1162
  3. Kallmann FJ, Schönfeld WA, Barrera SE (1944) The genetic aspects of primary eunuchoidism. Am J Mental Deficiency 48: 203-236
  4. Maya-Nunez G et al. (1999) An atypical contiguous gene syndrome: molecular studies in a family with X-linked Kallmann's syndrome and X-linked ichthyosis. Clin Endocrinol (Ox) 50: 157-162
  5. Silveira LF et al. (2002) Hypogonadotropic hypogonadism. Semin Reprod Med 20: 327-338
  6. Weidenreich F (1914) Über partiellen Riechlappendefect und Eunuchoidismus beim Menschen. Zeitschr Morphol Anthropol (Stuttgart) 18: 157
  7. Weissortel R et al. (1998) Analysis of an interstitial deletion in a patient with Kallmann syndrome, X-linked ichthyosis and mental retardation. Clin Genet 54: 45-51

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