Synonym(e)
Erstbeschreiber
Ferdinand v. Hebra beschrieb 1860 in seinem Lehrbuch erstmals das Erythema exsudativum multiforme als ein rein kutanes, polymorphes Erythem (Exanthem) mit gutartigem Verlauf. v. Hebra 1867: „Ich wähle zur Bezeichnung dieses Uebels [!] den Namen „Erythema multiforme". Dasselbe characterisirt [!] sich vor allem Anderen [!] durch seine Localisation [!]; es kommt nämlich immer am Hand- oder Fussrücken vor, und nur in intensiveren Fällen erscheint es auch an den Vorderarmen, Unterschenkeln, Oberarmen, Oberschenkeln und höchst ausnahmsweise am Stamme und im Gesichte, fehlt aber in den zuletzt erwähnten Fällen gewiss nie: am Handrücken, allwo sich gewöhnlich die ersten Efflorescenzen [!] einstellen. Diese Efflorescenzen [!] bestehen in abgeflachten Knötchen oder Knoten von Linsen- bis Bohnengrösse, von dunkelblauer oder braunrother [!] Farbe und treten in geringerer oder grösserer Menge auf".
1876 wurden dann klinisch schwerwiegendere, ähnliche Fälle mit Haut- und Schleimhautbefall als Erythema multiforme majus veschrieben.
1922 wurde das nach Stevens und Johnson beschriebene Syndrom publiziert, ein fieberhaftes Exanthem mit Stomatitis, purulenter Konjunktivitis.
Im Jahr 1950 schlug der britische Dermatologe Bernard Thomas vor das Erythema exsudativum multiforme in eine weniger schwer verlaufende Variante ohne Fieber mit hauptsächlicher Hautbeteiligung (Erythema exsudativum multiforme minus) und eine schwer verlaufende fieberhafte Variante mit starker Schleimhautbeteiligung als Erythema exsudativum multiforme majus zu bezeichnen (Thomas, 1950).
1956 wurde der Begriff „Toxische epidermale Nekrolyse“ durch Lyell (Lyell-Syndrom) geschaffen.
Neuerdings tendiert man dazu das Stevens-Johnson-Syndrom und die Toxische epidermale Nekrolyse unter dem Oberbegriff EN - Epidermale Nekrolyse - zusammenzufassen.
Definition
Als Erythema multiforme (EM) wird ein polyätiologisches Entzündungssyndrom bezeichnet, das durch durch eine Infekt-induzierte, hypererge, systemische Immunreaktion ausgelöst wird, die sich entweder nur auf die Haut (Erythema multiforme minus), auf Haut- und Schleimhäute (Erythema multiforme majus) oder ausschließlich auf oberflächennahe Schleimhäute (Fuchs-Syndrom) projiziert.
Klinisch kennzeichnet sich das Erythema multiforme durch ein akutes bis subakutes, selbstlimitiertes zu Rezidiven neigendes Exanthem mit charakteristischen, gut abgrenzbaren, targetoiden (Kokarden - Scheibe-in-Scheibe-Struktur mit heterogenen Ringformationen, ggfls. auch zentraler Blasenbildung).
Das klassische (von Ferdinand v. Hebra erstbeschriebenem Erythema multiforme/EM-minus), verläuft meist mild, hautbetont und wird v.a. durch Herpes simplex-Viren aber auch andere Viren sowie durch versch. Bakterien (z.B. Mykoplasmen) ausgelöst. Wenige Patienten erleiden eine rekurriende (meist durch Herpes-simplex-Infektionen ausgelöst) Form mit wiederkehren Schüben über Monate und Jahre.
Das Erythema multiforme majus verläuft deutlich schwerer als das EM-minus mit Haut und unterschiedlich stark ausgeprägtem Schleimhautbefall (Konjunktiven, Lippen- und Mundschleimhaut, Anal- und Genitalschleimhaut).
Ein Verlauf des EM, der auf Schleimhäute begrenzt ist, kann als Fuchs-Syndrom oder als Schleimhaut-EM-bezeichnet werden.
Auch interessant
Einteilung
Erythema (exsudativum) multiforme minus: milde (klassische)Verlaufsform, die v.a. durch Herpes-simplex-Infektionen ausgelöst wird. Eine Schleimhautbeteiligung wird bei dieser Variante nicht beobachtet. Ein Teil rezidiviert. Jahrelanger redzidivierender Verlauf ist möglich (recurrent erythema multiforme).
Erythema (exsudativum) multiforme majus: diese schwer verlaufende, meist einmalig auftretende, extremitätenbetonte Variante, mit unterschiedlich schwerer erosiver Schleimhautbeteiligung ist ebenfalls überwiegend virusiduziert. Typische und/oder atypische Kokarden sind nachweisbar. Bei Kindern und Jugendlichen können Mycoplasma pneumoniae auslösend sein (EM-stammbetont -S.a. unter RIME)
Fuchs-Syndrom (Schleimhaut EM): Bei dieser klinischen Variante des Erythema multiforme major (Erstbeschreibung 1906) liegt eine lokalisierte Beteiligung von Konjunktiven (und Mundschleimhaut) vor. Hauterscheinungen treten definitionsgemäß gänzlich in den Hintergrund. Keine Kokarden!
Ectodermosis erosiva pluriorificialis (Rendu-Fiessinger): Klinische Variante des Erythema multiforme major mit polytoper Beteiligung von Mund-Genital- und Analschleimhaut (heute wenig gebräuchliche Bezeichnung - die Veränderungen werden im wesentlichen dem Fuchs-Syndrom zugeordnet).
Reaktive infektiöse mukokutane Eruption (RIME): Klinische Variante des Erythema multiforme major die v.a. durch Mycoplasmae pneumoniae asugelöst wird.
Mycoplasma-induced rash and mucositis (MIRM), eine entzündliche mukokutane Eruption bei Kindern und Jugendlichen, die mit Infektionen durch Mycoplasma pneumoniae assoziiert ist. Inzwischen wurden weitere assoziierte Erreger nachgewiesen, die diese Entzündungssymptomatik hervorrufen. Der Name RIME wird bevorzugt.
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir
Kopernio
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Verweisende Artikel (1)
Immune-related adverse events, kutane ;Weiterführende Artikel (9)
Epidermale Nekrolyse; Erythema multiforme majus; Erythema multiforme minus (klassische Variante / Minor-Variante); Fuchs-Syndrom; Mycoplasma-induced rash and mucositis; Mycoplasma pneumoniae ; Reaktive infektiöse mukokutane Eruption; Stevens-Johnson-Syndrom; Toxische epidermale Nekrolyse;Disclaimer
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