Synonym(e)
Definition
Kosmetisch entstellende, zunächst chronisch rezidivierende, dann dauerhaft persistierende, granulomatöse Entzündung der Lippe, die isoliert (idiopathisch) oder als kutane Teilmanifestation einer granulomatösen Systemerkrankung auftreten kann. Hierzu gehören:
Bei Kindern ist, insbesondere bei der Konstellation von oralen Aphthen und Cheilitis granulomatosa, in einem hohen Prozentsatz mit einem M. Crohn zu rechnen.
In Einzelfällen wurden auch Typ I-Nahrungsmittelallergien ursächlich angeschuldigt.
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Manifestation
Die orofaziale Granulomatose tritt sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen auf. Das Durchschnittsalter liegt bei 23 Jahren, wobei Männer und Frauen gleichermaßen betroffen sind.
Klinisches Bild
Zunächst wechselnde, später permanente, diffuse, entzündliche Schwellung der Lippen, vor allem der Oberlippe und der umgebenden Haut mit wulstiger, manchmal rüsselförmiger Vorstülpung der Lippen (Tapirmund) und radiergummieharter Konsistenzvermehrung.
- Eine assoziierte Lingua plicata (gfls. in Kombinaiton mit einer Exfoliatio areata linguae), eine Fazialisparese oder eine hyperplastische Gingivitis weisen auf ein Melkersson-Rosenthal-Syndrom hin.
- Treten die cheilitischen Veränderungen in Kombination mit hartnäckigen (v.a. großen und tiefreichenden) Aphthen auf, so muss ein M. Crohn ausgeschlossen werden (therapeutische Konsequenzen- s.u. Cushing K et al.2021).
- Auch eine Colitis ulcerosa kann mit dieser Symptomatik assoziiert sein.
Histologie
In der frühen ödematösen Entzündungsphase finden sich dilatierte Lymph-und Blutgefäße mit schütteren, perivaskulären, lymphozytären Infiltraten. In einem späteren Stadíum können, neben einer deutlichen Fibrose der Dermis, kleine Epitheloidzellgranulome mit Riesenzellen hinzutreten. Im Falle der Assoziation mit einer Colitis ulcerosa oder einem M. Crohn findet man dichte gemischtzellige Entzündungsinfiltrate mit schrotschussartig verteilten, nicht verkäsenden Granulomen mit Epitheloid- und Riesenzellen. Bemerkung: Epitheloidzellgranulome muss man in Serienschnitten suchen. Häufig fehlen sie auch komplett.
Differentialdiagnose
Klinisch:
- Angioödem: Akutes Krankheitsbild mit imposanten ödematösen Schwellungen; nur von kurzer Dauer, Schwellungen bilden sich auch bei rezidivierendem Verlauf zwischenzeitlich komplett wieder zurück.
- Herpes simplex recidivans: Entwicklung typischer Herpes-Bläschen. Bei engmaschigen Rezidiven können feste postherpetische Schwellungen längerzeitig persitieren; begrenzt auch den Ort der Herpesinfektion.
- Sarkoidose: Lokalisation ist ungewöhnlich. Läsionen, meist plaqueartig, bräunlich-rötliche Färbung, Histologie mit epitheloidzelligen Granulomen ist diagnosttisch.
- Fremdkörpergranulome: (Anamnese wichtig!); nach Injektion von Fillersubstanzen: wichtige Differenzialdiagnose; Injektionen können langzeitig zurückliegen.
- Morbus Morbihan: Chronifizierter, diffuser, erythematöser, symmetrischer Schwellungszustand; Histologie ist uncharakteristisch. Keine wegweisende Laborsymptomatik.
Differenzialdiganose Histologie:
- Sarkoidose: dichte Ansammlung von "nackten" nicht verkäsenden Granulomen.
- Fremkörpergranulom: epitheloidzellige Granulome mit zahlreichen Riesenzellen vom Fremkörpertyp.
- Infektionen (Mykobakteriose, Leishmaniose): gemischtzellige granulomatöse Infiltrate. Erregernachweis.
Therapie
Bei Melkersson-Rosenthal-Syndrom: s. dort. Ansonsten ggf. Behandlung der Grunderkrankung, z.B. Sarkoidose, M. Crohn.
Bei der monosymptomatischen Cheilitis granulomatosa sind intraläsionale Triamcinolonacetonid Unterspritzungen (z.B. Volon A verdünnt mit Scandicain im Verhältnis 1:3) in 1- oder 2-wöchigen Abständen über einige Wochen (nach Klinik) als Therapie der 1. Wahl empfehlenswert.
Teilerfolge werden bei frühzeitigem Einsatz von Clofazimin (z.B. Lampren) 100 mg/Tag p.o. über 6 Monate (ggfls. länger) sowie einem Wiederholungszyklus nach 3 Monaten Pause ermöglicht.
Alternativ: Positive kasuistische Erfahrungen existieren über den langzeitigen (>6 Monate) hochdosierten Einsatz von Fumarsäureestern. (Hauck G 2017). Dosierung analog zu dem schematischen Vorgehen bei Psoriasistherapie.
Alternativ: Bei Therapieresistenz der dermatologischen Symptomatik und bei (zu vernachlässigender gastroenterologischer Symptomatik) ist eine Therapie mit einem TNF-alpha-Antagonisten indiziert.
Alternativ: Bei Therapieresistenz der dermatologischen Symptomatik wird der Einsatz von Vedolizumab empfohlen (Zulassung bei M. Crohn). Einzelerfolge wurden auch bei Erfolglosigkeit eines TNFα-Inhibitors beschrieben (Gueutier A et al. 2019).
Alternativ: Bei persistierender, therapieresistenter Schwellung ist eine von enoral durchzuführende chirurgische Reduktionsplastik in Erwägung zu ziehen.
Im Falle einer Assoziation mit einer Enteritis regionalis (M. Crohn) ist in Zusammenarbeit mit einem Gastroenterologen die Grunderkrankung zu behandeln.
Hinweis(e)
Beim Auftreten der Cheilitis granulomatosa im Kindesalter wird in Kombination mit oralen Aphthen eine häufige Assoziation mit dem M. Crohn gefunden. Dieses Krankheitsbild wird im pädiatrischen und internationalen Schrifttum als Orofaziale Granulomatose bezeichnet. Im übrigen scheint sich dieser Bergriff auch für die im Erwachsenenalter auftretende Cheilitis granulomatosa durchzusetzen.
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio
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Verweisende Artikel (8)
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