Synonym(e)
Definition
Prostaglandine, PGs, sind im Organismus nahezu ubiquitär vorhanden und kennzeichnen sich durch ein breites pharmakologisches Wirkungsspektrum. Prostaglandine gehören zu den Eicosanoiden und wirken als sogenannte Gewebshormone. Sie werden in den verschiedenen Organen und Zellen normalerweise nicht gespeichert, sondern werden auf verschiedene Stimuli hin neu synthetisiert und freigesetzt.
Substrate der Biosynthese der Prostaglandine sind mehrfach ungesättigte C20-Fettsäuren wie die Arachidonsäure. Die C20 Fettsäuren und ihre Derivate werden auch als Eicosanoide (griech. „eicosi“ = 20) bezeichnet. .
Die Arachidonsäure liegt in den Zellen zum größten Teil in veresterter Form in den Membranphospholipiden vor. Die Konzentration von freier (zytosolischer) Arachidonsäure ist dagegen sehr niedrig. Nur die freie Arachidonsäure kann der Cyclooxygenase bzw. den Lipoxygenasen als Substrat dienen. Somit hängt die Eicosanoid-Biosynthese primär von der Freisetzung der C20 Fettsäuren aus den Membranphospholipiden ab. Dies geschieht z.B. durch die Aktivität der Membran-gebundenen Phosopholipase A2 oder Phosopholipase C. Die Aktivierung der Eicosanoid-Biosynthese erfolgt durch chemische, physiologische, pathophysiologische und pharmakologische Stimuli.
Prostaglandine haben ein breites physiologisches und pathophysiologisches Wirkspektrum. Sie entfalten ihre Wirksamkeit über Prostaglandinrezeptoren. Prostaglandinrezeptoren gehören zu der Gruppe der G-Protein-gekoppelten Membranrezeptoren.
Prostaglandin E2 ist ein breit wirksames, biologisch hochwirksames Prostaglandinderivat das seine unterschiedliche Aktivitäten über 4 spezifische Rezeptortypen (EP1-EP4). Prostaglandin E2 wirkt inflammatorisch, vasodilatativ, schmerzaggravierend, thrombozytenaggregierend und erhöht die Gefäßpermeabilität. Weiterhin fördert Prostaglandin E2 das Wachstum verschiedener Tumoren.
Allgemeine Information
Inflammation: Freigesetzes Prostaglandin E2 aktiviert und unterhält zusammen mit dem Prostacyclin (PGI2) lokale inflammatorische Reaktionen. So werden Mastzellen über den EP3-Rezeptor aktiviert, T-Helfer-Zellen v.a. über den EP2 Rezeptor.
COX-2/ PGE2 und Tumorwachstum: Die Cyclooxygenase-2 (COX-2) und sein Downstream-Produkt Prostaglandin E2 (PGE2 ) spielen eine Schlüsselrolle bei der Initiierung und der Aufrechthaltung der inflammatorischen Begleitreaktion im Tumorgewebe und letztlich auch bei dem Tumorwachstum. Nachweislich sind die COX-2- und die Wnt/beta-catenin-Signalwege beim humanen Magenkarzinom aktiviert. Tierexperimentell ist belegbar ist, dass über die COX-2/PEGE2-Schiene eine Aktivierung mehrerer Zytokine erfolgt. So werden Interleukin-11, sowie die Chemokine CXCL1, CXCL2 und CXCL5 vermehrt exprimiert. Tierexperimentell ist nachweisbar, dass die COX2/PGE2-assoziierte Inflammation bei Magenkarzinom- Tumorzelllinien einerseits den “epidermal growth factor receptor – EGFR“ aktiviert, gleichzeitig jedoch eine „tumor suppressor microRNA“ supprimiert.
Beim Kolonkarzinom induziert PGE2 direkt das Wachstum der Tumorzellen; weiterhin induziert PGE2 die Tumorangiogenese durch Stimulierung der Synthese des „vascular endothelial growth factor“ –VEGF–.
Beim Ovarialarzinom konnte gezeigt werden, dass eine erhöhte Expression der Cyclooxygenase 2 (COX2) mit einer schlechten Prognose des Tumors einhergehen. Experimentell konnte gezeigt werden, dass EGF eine COX2- Expression and folgend eine verstärkte PGE2 Produktion induziert (Qiu X et al. 2014).
Vasodilatation: Prostaglandin E2 erhöht, wie das Prostaglandin I2 (Prostacyclin) die Gefäßpermeabilität (lokale Gewebeschwellung). Zusammen mit dem ebenfalls durch Endothelien gebildeten EDRF (endothelium relaxing factor) bindet es über seinen Rezeptor an die glatte Gefäßmuskulatur. Dort wird über Stimulierung der Adenylatcyclase cAMP eine glattmuskuläre Relaxation (führt lokal zu einer Vasodilatation) herbeigeführt.
Schmerzaggravation: Prostaglandin E2 und Prostaglandin I2 (Prostacyclin) aggravieren bei lokaler Injektion den durch andere Zytokine induzierten Entzündungsschmerz. Die Substanzen sensibilisieren Afferenzen für den Effekt chemischer und mechanischer Stimuli. Dadurch wird ein Zustand der Hyperalgesie hervorgerufen. Fieber: Fieber wird durch PGE2 mit verursacht. PGE2 wird von Endothelzellen der Hypothalamus-Gefäße freigesetzt. Bakterielle Lipopolysaccharide und Interleukin-1beta stimulieren die Cyclooxygenase-2 und die Prostaglandin-E-Synthase in den Endothelzellen, die die Blut-Hirn-Schranke bilden. PGE2 diffundiert in die Fieber-steuernde Region des Hypothalamus und induziert Fieber.
Immunsystem: Aktvierte Makrophagen und Monozyten sezernieren in bedeutenden Mengen neben Thromboxanen (Thromboxan A2) das Prostaglandin E2. Neutrophile Granulozyten bilden eher geringe Mengen an PGE2. Mastzellen hingegen bilden Prostaglandin D2 und kein PGE2. Da PGE2 zu einer cAMP-Erhöhung führt, kann die Sekretion von PGE2 durch Makrophagen als negative Rückkoppelung dienen, um die Entzündungsaktivität zu begrenzen.
Gastrointestinale Wirkungen: PGE2 und PEG1 wie auch Prostacyclin (PGI2) hemmen die Magensaftsekretion nach unterschiedlichen Stimuli wie Fütterung, Gastrin usw. Es kommt zu einer Verminderung der Säure- und Pepsinsekretion. Dagegen wird die Schleim-und Bikarbonatsekretion (neutralisierender Effekt) gesteigert. Somit steigt die Gefahr der Bildung eines Ulcus ventriculi wenn die Cyclooxygenasen (COX-1 und COX-2) medikamentös gehemmt werden. Damit wird die Prostaglandinbildung im Magen reduziert. Weiterhin stimuliert PGE2 die glatten Muskelzellen des Magens und führt so zu deren Kontraktion.
Kardiovaskuläres System: Im Gegensatz zu Prostacyclin kann PGE2 entweder eine Gefäßverengung oder Gefäßerweiterung auslösen: Diese unterschiedliche Wirkungen auf Glattmuskelsysteme der Gefäße ist von der Art der dort exprimierten Prostaglandin E-Rezeptoren abhängig. PGE2 regt die Gefäßneubildung an, indem es den vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor (VEGF) induziert.
Beeinflussung von Zytokin-Produktionen: PGE2 hemmt die Produktion und Sekretion von Interleukin-2 sowie die Interferon-gamma-Bildung durch T-Lymphozyten sowie die Interleukin-1beta-Freisetzung und TNFalpha-Freisetzung aus Makrophagen. PGE2 steigert hingegen die Interleukin-6-Synthese.
Nieren: PGE2 ist das wirkstoffbestimmende Prostaglandin das in Nierenrinde und deutlich mehr in dem Nierenmark produziert wird. PGE2 wird renal ausgeschieden. PGE2 und Prostacyclin wirken in der Niere vasodilatativ und durchblutungssteigernd. PGE2 und Prostacyclin stimulieren die Reninsekretion und steigern die Diurese. Sie hemmen den Effekt des antidiuretischen Hormons (ADH = Vasopressin)
Lungen: PGE2 ist (wie Prostacyclin) ein schwacher Bronchodilatator (während Thromboxan, PGD2 und PGF2α starke Bronchokonstriktoren sind). Entzündungsmediatoren in den Lungen stimulieren vor allem COX-2, deren Stimulation v.a. zu einer Mehrbildung von PGE2 führt (zusammen mit kleineren Mengen von Prostacyclin, Thromboxan und PGF2α).
Zentralnervensystem: Im Rückenmark wirkt PGE2 schmerzverstärkend. Im Hypothalamus bewirkt es eine Steigerung der Körpertemperatur (u. a. Fieber) und Wachheit (und ist damit dort ein Gegenspieler zum PGD2).
Temperaturregulation: PGD2 ist in der Regulation der Temperatur beim Schlaf involviert indem es die Körpertemperatur beim Schlaf reduziert. Prostaglandin E2 wirkt antagonistisch zu PGD2.
Naturheilkunde: Das natürlich vorkommende Flavonoid Taxifolin (Dihydroquercentin) hemmt u. a. die Produktion von Lipopolysaccharid-induziertem Prostaglandin E2. Taxifolin ist ein wesentlicher Bestandteil von Silybum marianum (Mariendistel).
Klinik: Prostaglandin E2 ist pathologisch erhöht beim angeborenen Hyperprostaglandin E Syndrom (antenatales Bartter Syndrom, auch Bartter-Syndrom Typ I – E26.8), einer autosomal-rezessiv vererbten renalen Tubulusfunktionsstörung (Mutation des Gens SLC12A1 das auf dem Chromosom 15q15-q21 lokalisiert ist) mit hypokaliämischer Alkalose, Salzverlust und Hyperkalziurie sowie pathologisch erhöhter Synthese von Prostaglandin E2 hervorgerufen durch eine Überexpression der Cyclooxygenase-2 (COX-2).
Therapie: Therapeutische Verwendung findet ein Prostaglandin E2 Vaginalgel (Minoprostin) als wehenförderndes Mittel zur medizinisch indizierten Geburtseinleitung bei Schwangeren am Termin oder nahe am Termin mit ausreichender Geburtsreife des Gebärmutterhalses (Bishop-Score 4 und größer) und Einlingsschwangerschaft.
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio
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