Mastzelle

Autor: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer

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Zuletzt aktualisiert am: 21.08.2024

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Definition

Mastzellen wurden (nach Paul Ehrlich) so genannt, weil sie lichtmikroskopisch wie "gemästet" aussehen. Mastzellen kennzeichnen sich durch ihre Anfärbarkeit mit basophilen Farbstoffen  (Toluidinblau; Toloniumchlorid) und einem gekörnten Zytoplasma.

Mastzellen sind amöboid bewegliche, kleine Gewebszellen, die v.a. im  Bindegewebe (connevtive tissue mast cells, CTMC, Gewebsmastzellen) des Menschens und von Wirbeltieren der Haut, des Darmes und der Lunge (Mukosa-Mastzellen) anzutreffen sind.

Im Gewebe sind Mastzellen überwiegend perivaskuläre angeordnet. Es konnte gezeigt werden, dass sie einen direkten Zugang zum Blutstrom haben. Sie dringen mit Zellfortsätzen ins Gefäßlumen vor, und üben dort eine Art Wächterfunktion aus, indem sie stichprobenartig den Blutstrom  auf seinen Inhalt überprüfen. Dabei „angeln“ sie nach freien IgE-Antikörpern (Cheng 2013).

Allgemeine Information

Die Mastzellen  gehören zum angeborenen Teil des Immunsystem (innate immunity). Zu den physiologischen Aufgaben der Mastzellen zählt die unmittelbare Infektabwehr an den Grenzflächen des Körpers zu seiner Umwelt. Mastzellen enthalten zahlreiche Mediatoren die auf „Vorrat produziert“ in 0.5-0.8 µm grossen, lichtmikroskopisch als Granula (Mastzellgranula) sichtbaren  Vesikeln gespeichert werden. Eine Mastzelle enthält etwa 500  derartiger Vesikeln. Diese enthalten u.a.  Histamin, Heparin und Serotonin. Zudem werden von Mastzellen wie auch von basophilen Granulozyten Mediatoren wie PAF, Prostaglandin D2 und Leukotriene (LTC4, LTD4, LTE4) sowie Tumornekrosefaktor produziert. Eine  Degranulation und Exozytose mit Freisetzung der Mediatoren wird z.B. bei einer Typ I-Reaktion über hochaffine IgE-Rezeptoren an der Zelloberfläche vermittelt. Diese Reaktion erfolgt dann, wenn diese Rezeptoren durch IgE gebundene Allergene kreuzvernetzt werden.

Mastzellen entwicklen sich wie basophile Granulozyten  im Knochenmark aus oligopotenten CD34 + myeloischen Stammzellen. Derartige Stammzellen reifen unter bestimmten Bedingungen zu Zellen aus, die sich zu basophilen Granulozyten des Blutes differenzieren. 

Gewebsmastzellen: Die unreifen Vorläuferzellen der Gewebemastzellen gelangen über die Blutgefäße in das Bindegewebe ihrer Endorgane, Schleimhäute und Haut. Diese Zellen exprimieren den Tyrosinkinase-Rezeptor KIT (CD117), der den Stammzellfaktor (SCF) bindet. SCF ist ein Wachstumsfaktor der für Proliferation und Differenzierung der Mastzellen essenziell ist. Im Gewebe ihrer Endorgane differenzieren die noch unreifen Zellen zu reifen Mastzellen. Mutationen die zu einem Defekt von SCF oder KIT führen, haben eine Mastzelldefizienz zur Folge. Eine aktivierende KIT D816 Mutation (>95% KIT D816V in Exon 17) ist in 80-95% der Patienten mit systemischer Mastozytose nachweisbar und führt zu einer SCF-unabhängigen Rezeptoraktivierung mit klonaler Expansion und zur Akkumulation von Gewebsmastzellen.Weitere Wachstumsfaktoren für Mastzellen sind v.a. IL-3 (Interleukin-3), IL-5 (Interleukin-5) und GM-CSF.

Mastzellen interagieren mit anderen Leukozyten und spielen bei der komplexen Initiierung und Steuerung allergischer Reaktionen sowie bei der Abwehr von Parasiten eine wichtige Rolle. So bilden z.B. Mastzellen mit basophilen Granulozyten eine funktionelle Einheit und induzieren in Plasmazellen die IgE-Synthese. Bemerkenswert ist, dass basophile Granulozyten beim Menschen bei allergischen Reaktionen wesentlich sensibler reagieren als die deutlich häufiger vertretene Mastzellen.

Die Aktivierung von Mastzellen ist entscheidend für die Induktion kutaner Entzündungsreaktion im Rahmen allergischer, autoimmunologischer und infektiöser Hauterkrankungen. Eine aktivierte Mastezelle schüttet Ihre Mediatoren aus.  Insgesamt wurden bisher > 200 Mastzellmediatoren identifiziert. Die Mastzellen bewirken mit dieser Mediatorenfreisetzung, dass eingedrungene Infektionserreger akut und direkt attackiert und beseitigt werden ohne dass weitere Prozesse einer Immunkaskade benötigt werden. Bei diesen Abwehrmechanismen folgt die Mastzelle nicht einer „Alles- oder Nichts-Reaktion“,  Vielmehr fällt die Antwort der Mastzellen auf den aktivierenden Reiz je nach Art und Intensität des Reizes unterschiedlich aus. Die Mediatorfreisetzung erfolgt entweder langsam und kontinuierlich oder explosionsartig (z.B. nach Antigenkontakt). Bei langsamer Freisetzung durch schwache Reize scheint die Mastzelle intakt zu bleiben. Bei starker Reizeinwirkung löst sich hingegen die Zellmembran komplett auf. Die Mastzelle zerfällt schlagartig. Die Granula werden hierbei freigesetzt und lösen sich auf.

Weiterhin sind auch chemische und physikalische Reize (z.B. Druck bei einer Urticaria factitia) bekannt, die bei Mastzellen zu einer nicht durch eine Immunreaktion getriggerten,  unspezifischen Freisetzung ihrer Mediatoren (ohne Antigen-Antikörper-Reaktion) führen. Derartige Reaktionen sind pathophysiologische Grundlage einer pseudoallergischen Reaktion (Pseudoallergie).

Die verschiedenen Mediatoren der Mastzellen bewirken das Einwandern anderer Immunzellen, wie z.B. neutrophile oder eosinophile Granulozyten an den Ort der Inflammation.  Die freigesetzten Mediatoren gelangen zuerst in die Interzellularräume, binden dort an ihre spezifischen Rezeptoren auf den Oberflächen der umliegenden Zellen. Sie werden nach ihrer Freisetzung rasch wieder abgebaut, noch bevor sie in die Lymph - oder Blutbahn gelangen können. Erst wenn die freigesetzte Menge an Mediatoren die lokale Bindungs- und Abbaukapazität überschreitet, können sie Systemreaktionen auslösen (z.B. anaphylaktische Reaktionen).  

Weiterhin sind Mastzellen antigenpräsentierende Zellen. Sie können spezifische Immunantworten induzieren und verstärken. Die gezielte Immunatwort erfolgt z.B. über den hochaffinen FcεRI-Rezeptoren. Wenn zwei IgE-Antikörper auf der Oberfläche der Mastzelle  sich mit einem passenden Antigen (z.B. Parasit oder Fremdstoff oder Allergen) kreuzvernetzt haben (Antigen-Anti­körper-Komplex) löst diese Vernetzung ein biochemisches Signal aus, das zur Aktivierung der Mastzelle führt.

Folgende Rezeptoren könnten auf Mastzellen nachgewiesen werden und diese aktivieren:

  • Antikörper-Rezeptoren (Fc-Rezeptoren) IgA-, und IgG-Antikörper (die Rolle der IgA-Antikörperrezeptoren ist noch nicht geklärt
  • IgG: Stimulation oder Hemmung der Mastzellaktivität, je nach Rezeptor.
  • Toll-like-Rezeptoren (TLR1-9 ): Aktivierung durch  Bakterienprodukte
  • Histaminrezeptoren (H1, H2, H4 ): Aktivierung der Mastzelle
  • Serotoninrezeptoren (5-HT1A ):  Adhäsion (Anhaften), Chemotaxis (Wanderung)
  • Kit-Rezeptor (Tyrosin Kinase-Rezeptor - CD117)
  • Stammzellfaktor: Aktivierung der Mastzelle
  • Beta2-Adrenoceptor: Hemmung der Mastzelldegranulation bei allergischen Reaktionen
  • Östrogen-Rezeptor: Verstärkte Freisetzung von Mediatoren
  • Progesteron-Rezeptor: Hemmung der Mediatorfreisetzung
  • Prostaglandin E Rezeptor ( EP2, EP3, EP4): Hemmung der IgE-Antikörper-vermittelten Eicosanoid-Produktion und Mediatorfreisetzung
  • Rezeptoren für Neuropeptide (z.B. Substanz P):  Degranulation von Mastzellen kann über Nervenreize erfolgen.
  • Vitamine-D3-Rezptoren: Die Stimulation von Vitamin-D3-Rezeptoren wirkt sich stabilisierend auf die Mastzellen aus. Vitamin D3-Mangel erhöht die Aktivierungsbereitschaft der Mastzelle.
  • Cannabinoid-Rezeptor: Unterdrückt die Mastzellaktivitäten
  • Leptin-Rezeptoren: Immunmodulierende Wirkungen
  • Protease-aktivierte Rezeptor (PAR1-4 Serinproteasen - z.B. Trypsin, Tryptase):  Mastzell­aktivierung mit  Mediator­freiset­zung

Hinweis(e)

Die Gesamtmasse an Mastzellen im Organismus entspricht  etwa einem Organ in der Größe der Milz. CTMCs aus unterschiedlichen Geweben unterscheiden sich von denen der Haut durch die Größe der Granula, ihre Funktionen, Anfärbarkeiten und phamakologischen Eigenschaften.

Mukosa-Mastzellen (MMC) werden beim Menschen v.a. im Mitteldarm und in der Lunge angetroffen.  Ihre Zahl steigt bei einer parasitären Infektion deutlich an. Mastzellen werden bei der allerg. Rhinitis in der Nasenschleimhaut  gefunden. Ihre Zahl wird durch lokale Kortikosteroide drastisch gesenkt.

Die Schleimhaut enthält reichlich Mastzellen bzw. deren Vorläufer. In der Duodenalschleimhaut finden sich 20.000 Mastzellen mm3, das ist das Dreifache im Vergleich zur äußeren Haut (Barret et al. 1984). Bei Neugeborenen ist die Zahl noch gering. Siee steigt im Laudfe des Lebens um im höheren Alter wieder abzusinken.

Die im Blut zirkulierende den CTMCs analogen Zellen werden als  basophile Granulozyten bezeichnet.

 

 

Literatur
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  1. Barrett KE et al. (1984) The mucosal mast cell and ist role in gastointestinal allergic diseases. Clin Rev Allergy 2: 39-53.
  2. Cheng LE et al. (2013) Perivascular mast cells dynamically probe cutaneous blood vessels to capture immunoglobulin E. Immunity 38:166-75.
  3. Suurmond J et al. (2016) Mast cells in rheumatic disease. Eur J Pharmacol 778:116-124.
  4. Taildeman J et al.(2009) Human mast cells express leptin and leptin receptors. Histochem Cell Biol 131:703-711.
  5. Toniato E et al. (2015) IMMUNOMODULATORY EFFECTS OF VITAMIN D ON SKIN INFLAMMATION. J Biol Regul Homeost Agents 29:563-567
  6. Suurmond J et al.(2015)  Differential TLR-induced cytokine production by human mast cells is amplified by FcɛRI triggering. Clin Exp Allergy 45:788-796.
  7. Yu et al.(2015) Non-IgE mediated mast cell activation. Eur J Pharmacoldoi: 10.1016/j.ejphar.2015.07.017.
  8. Wu H et al. (2015) The Origin, Expression, Function and Future Research Focus of a G Protein-coupled Receptor, Mas-related Gene X2 (MrgX2)."Prog Histochem Cytochem  doi: 10.1016/j.proghi.2015.06.001.
  9. Zuo L et al. (2015)  Molecular Regulation of Toll-like Receptors in Asthma and COPD. Front Physiol 6:312.

 

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