Muckle-Wells-SyndromQ84.89

Autoren:Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 20.08.2024

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Synonym(e)

Deafness amyloidosis and urticaria; OMIM: 191900; Urticaria deafness and amyloidosis; Urtikaria-Taubheits-Syndrom

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Erstbeschreiber

Muckle u. Wells, 1962

Definition

Sehr seltene, hereditäre, autoinflammatorische Erkrankung gekennzeichnet durch:

Rezidivierende urtikarielle Exantheme, Fieberschübe mit Gelenk- und Muskelschmerzen, allgemeines Schwächegefühl, progredienter Innenohrschwerhörigkeit und einer fakultativen Nierenamyloidose (AA-Amyloidose).

Ätiopathogenese

Hereditäre Erkrankung mit autosomal-dominantem Erbgang (mit unvollständiger Penetranz vererbte Mutation des CIAS1-Gens (Kälte-induziertes-autoinflammatorisches-Syndrom-1-Gen, NLRP3-Gen) das auf der Chromosomenregion 1q44 lokalisiert ist. Das Gen wird in den Leukozyten des peripheren Blutes exprimiert und kodiert für Cryopyrin. Es hat die gleiche N-terminale Proteindomäne wie Pyrin, dessen Veränderungen Ursache des Familiären Mittemeerfiebers sind.

Mutationen in den Genen NALP3/CIAS1/PYPAF1 sind für 2 weitere klinische Syndrome verantwortlich:

Manifestation

In der Kindheit oder Jugend auftretend.

Klinisches Bild

Klinische Symptome sind:

  • Chronisch rezidivierende urtikarielle Exantheme (selten: Urtikariavaskulitis)
  • Kältesensitivität insbes. bei feucht-kaltem Wetter und Wetterumschwüngen
  • Fieberschübe mit Gelenk- und Muskelschmerzen (Polyarthralgien) seit der Kindheit
  • Allgemeines Schwächegefühl und Unwohlsein
  • Fakultativ: progrediente Innenohrschwerhörigkeit
  • Fakultativ: systemische Amyloidose

Histologie

Bild der Urtikaria oder der leukozytoklastischen Vaskulitis, fakultativ Ablagerungen von Amyloid.

Differentialdiagnose

Kälteurtikaria: eindeutiger Zusammenhang mit einer Kälteexposition

Hereditäre periodische Fiebersyndrome anderer Genese (s. dort) 

Chronisch rezidivierende Urtikaria: keine Arthritiden, keine Amyloidose, keine vaskulitischen Phänomene

Sekundäre systemische Amyloidose: keine eigentliche Differenzialdiagnose, da systemisches Begleitphänomen bei zahlreichen Erkrankungen 

Alport-Syndrom: genetisch definiert; Varianten in Genen, die für Kollagen Typ IV kodieren. Sechs Gene (COL4A1–COL4A6), entsprechend der sechs homologen Kollagen-Ketten (α1–α6) für Kollagen Typ IV, sind bekannt. Die Mutationen führen zu einer progredienten Erkrankung der glomerulären Basalmembran. Diese ist kombiniert mit Innenohrschwerhörigkeit und Augenveränderungen

Schnitzler-Syndrom: chronisch rezidivierendes urtikarielles Exanthem (Urtikariavaskulitis) assoziiert mit rezidivierenden Fieberschüben, Abgeschlagenheit, Knochenschmerzen, Arthralgie oder Arthritiden der großen Gelenke, Lymphadenopathie, Hepato- oder Splenomegalie sowie einer monoklonalen IgM-Gammopathie (seltener IgG-Gammopathie) unklarer Signifikanz ( MGUS). Seltener treten begleitende Angioödeme und Knochenverdichtungen auf.

Therapie

Versch. Arbeiten belegen gute Erfahrungen mit dem bei der rheumatoiden Arthritis zugelassenen Interleukin -1-Rezeptorantagonisten Anakinra (100 mg/Tag s.c. alle 2 Tage).

Alternativ: Immunsuppressive Therapie zur Verhinderung weiterer amyloidaler Ablagerungen.

Alternativ: Cyclophosphamid (z.B. Endoxan) 100 mg/Tag in Kombination mit Methylprednisolon (z.B. Urbason) 40 mg/Tag (Reduktion nach Klinik),

Alternativ: DADPS (z.B. Dapson Fatol) initial 100 mg/Tag

Alternativ: Colchicin (z.B. Colchicum dispert).

Verlauf/Prognose

Exitus letalis durch Urämie.

Fallbericht(e)

Anamnese: Bereits seit dem Vorschulalter leidet die inzwischen 45 Jahre alte Patientin unter rezidivierenden Exanthemen an Rumpf und den unteren Extremitäten. Unter NSAR passagere Besserung. Deutlichere klinische Effekte konnten mit mittleren Prednisolon-Dosierungen erzielt werden.

Mit 20 Jahren erster Hörsturz. Rezidivierende Arthritiden meist verbunden mit Fieber, Kopfschmerzen und urtikariellen Exanthemen. Die Schubaktivitäten setzen 3-4x jährlich ein. 

Mit 30 Jahren wurde eine Hochtonschwerhörigkeit festgestellt.

Seit 10 Jahren nimmt die Pat. regelmäßig, nahezu täglich Ibuprofen ein.     

Grund der Visitation: unter Fieber, Abgeschlagenheit und Krankheitsgefühl, akute schmerzhafte Schwellung des linken Sprunggelenkes, weiterhin der Fingergrundgelenke. Gleicheitig urtikarielles, kleinfleckiges Exanthem an Rumpf und Extremitäten. Gesicht frei.

Labor: BSG: 60/111, CRP 65mg/l, neutrophile Leukozytose, Lymphopenie, Erythrozyturie, diskrete Serum-Amyloid-A-Erhöhung. Unauffällig sind ANA, ENA, C3,C4, RF. c-ANCA. p-ANCA.  

Humagenetische Diagnostik: Nachweis einer Mutation des CIAS1-Gens (Kälte-induziertes-autoinflammatorisches-Syndrom-1-Gen) das auf der Chromosomenregion 1q44 lokalisiert ist.

Therapie: IL-1-Rezeptorantagonist (Anakinra) in einer Dosierung von 100mg/Tag s.c.    

Literatur

  1. Berthelot JM et al. (1994) Autosomal dominant muckle-wells syndrome associated with cystinuria, ichthyosis, and aphthosis in a four-generation familiy. Am J Med Gen 53: 72–74
  2. Black AK (2001) Unusual urticarias. J Dermatol 28: 632-634
  3. Gerbig AW et al. (2001) Muckle-Wells syndrome? J Am Acad Dermatol 44: 875-876
  4. Granel B et al. (2003) CIAS1 mutation in a patient with overlap between Muckle-Wells and chronic infantile neurological cutaneous and articular syndromes. Dermatology 206: 257-259
  5. Grassegger A et al. (1991) Urtikarielle Vaskulitis als Syndrom des Muckle-Wells-Syndroms? Hautarzt 42: 116–119
  6. Hawkins PN et al. (2003) Interleukin-1-receptor antagonist in the Muckle-Wells syndrome. N Engl J Med 348: 2583-2584
  7. Muckle TJ, Wells MV (1962) Urticaria, deafness and amyloidosis: a new heredo-familial-syndrome. Quart J Med 31: 235–248

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