Synonym(e)
Definition
Die Immuntherapie hat neue Horizonte für die Krebsbehandlung eröffnet (Topalian SL et al. 2012). Insbesondere die Immun-Checkpoint-Inhibitoren (ICIs) für die CTLA-4- und PD-1/PD-L1-Signalwege wurden zur Behandlung verschiedener solider Tumore eingesetzt. Zu den derzeit von der Food and Drug Administration (FDA) zugelassenen ICIs gehören Anti-CTLA-4 (Ipilimumab), PD-1-Inhibitoren (Pembrolizumab und Nivolumab) und die PD-L1-Inhibitoren (Atezolizumab, Tislelizumab, Durvalumab und Avelumab). Die Überlegenheit der Wirkung dieser Medikamente im Vergleich zur konventionellen zytotoxischen Chemotherapie, ist trotz zahlreicher Nebenwirkungen unstrittig. Seit einiger Zeit werden Kombinationstherapien verschiedener Immun-Checkpoint-Inhibitoren (ICIs) mit zytotoxischer Chemotherapeutika eingeleitet, wobei dann mit verstärkten Nebenwirkungen zu rechnen ist (Choi J et al. 2020; Tang J et al. 2018).
Zu den häufigen „immune-related“ unerwünschten Ereignissen (irAEs) gehören gastrointestinale, endokrine und dermatologische UAWs (Choi J et al. 2020; Chen W et al. 2024). Zu den tödlichen irAEs gehören Neurotoxizität, Kardiotoxizität und Lungentoxizität. Die Inzidenz von irAEs ist bei der ICI-Kombinationstherapien höher als bei der ICI-Monotherapien (Wolchok JD et al. 2017). Daher ist ein engmaschiges Überwachungssystem für die Früherkennung erforderlich.
Allgemeine Information
IrAEs werden anhand der Common Terminology Criteria for Adverse Events, der Leitlinien der European Society for Medical Oncology und der Leitlinien der American Society of Clinical Oncology bewertet und behandelt (Choi J et al. 2020).
- Toxizität Grad 1: Exantheme der Haut
- Toxizität Grad 2: Zielläsionen bedecken <10% der Körperoberfläche and sind nicht mit genuinen Hauterscheinungen assoziiert.
- Toxizität Grades 3:Zielläsionen bedecken 10-30% der Körperoberfläche and sind nicht mit genuinen Hauterscheinungen assoziiert
- Toxizität Grad 4: Zielläsionen bedecken >30% der Körperoberfläche , schwere lebensbedrohliche Symptome, generalisierte exfoliative/ulzerierende/bullöse Exantheme
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Klinisches Bild
Gelenke: Zu den klinischen Symptomen gehören Gelenkschwellungen, Wärme, Rötungen oder kürzlich aufgetretene Gelenkschmerzen. Erosive Gelenkschäden oder -veränderungen können schnell fortschreiten. Die Beurteilung der Gelenkerosion durch Sonographie oder Magnetresonanztomographie kann bei der Diagnose hilfreich sein. Wenn die Diagnose verzögert wird und Gelenkdeformitäten auftreten, kann es zu einer dauerhaften Bewegungseinschränkung oder chronischen Symptomen kommen. Wenn ein verdächtiges Symptom auftritt, ist es wichtig, die Krankheit frühzeitig zu diagnostizieren und in Absprache mit einem Rheumatologen zu behandeln. Im Vergleich zu anderen irAEs ist die Nebenwirkung chronisch und anhaltend und erfordert oft eine Langzeitbehandlung.
Inzidenz: Zu den typischen irAEs im Zusammenhang mit den Gelenken gehören Arthralgie, entzündliche Arthritis und Sehnenscheidenentzündung (Jagpal A et al. 2019). In klinischen Studien wird über Arthralgie in 3–7 % und über entzündliche Arthritis in 1 % der Fälle berichtet. Zu den Risikofaktoren gehören die Kombinationstherapie mit ICI, die langfristige Anwendung von ICI und das frühere Auftreten anderer irAEs. Das Auftreten von entzündlicher Arthritis ist selten und tritt später als andere irAEs auf. Gelegentlich tritt entzündliche Arthritis nach mehr als einem Jahr nach Absetzen der ICI-Behandlung auf (Cappelli LC et al. 2017). Darüber hinaus wird die Diagnose einer entzündlichen Arthritis im Vergleich zu anderen Symptomen oft verzögert, wenn die Patienten ausdrücklich nach Gelenkschmerzen gefragt werden.
Behandlungsstrategien: Wie bei anderen irAEs werden systemische Steroide zur Behandlung eingesetzt. Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) und intraartikuläre Steroidinjektionen können bei der unterstützenden Behandlung hilfreich sein (Naidoo J et al. 2017). Bei Nebenwirkungen über Grad 3 sind immunmodulatorische Therapieansätze, wie z. B. krankheitsmodifizierende Antirheumatika indiziert.
Haut: Die Haut ist am häufigsten von einer verstärkten Autoimmunität betroffen; daher ist die dermatologische Toxizität die häufigste irAEs (Jaber SH et al. 2016). Zu den häufigen Symptomen gehören psorasiforme und lichenoide Exantheme, bullöses Pemphigoid, Vitiligo, Alpecia areata, kutaner Lupus erythematodes in lichtbetonten Hautrealen (beschreiben unter dem Tislelizumab einem IgG4-Antikörper der eine hohe PD-1Affintiät und eine niedrige FcgammaRI-Affinität aufweist – Chen W et al. 2024).
Die häufig pruriginösen Exantheme treten v.a. am Rumpf und an den Extremitäten auf (Belum VR et al. 2016). Kopf, Handflächen und Fußsohlen sind oft später betroffen. Biopsie der Läsionen zeigen passend zur klinischen Morphologie unterschiedliche Muster. In schweren Fällen können toxische epidermale Nekrolyse, Stevens-Johnson-Syndrom, Vaskulitis und Arzneimittelreaktionen mit Eosinophilie und systemischen Symptomen auftreten (Lacouture ME et al. 2014; Voskens CJ et al. 2013). Sehr selten wurde über das Sweet-Syndrom, kutane Sarkoidose und bullöse Hauterkrankungen berichtet (Lacouture ME et al. 2014).
Inzidenz: Dermatologische UAWs treten schneller auf als UAWs an anderen Organen. Sie werden etwa einen Monat nach Beginn der Behandlung mit Anti-CTLA-4 bis hin zu 34 Wochen nach Beginn der Behandlung mit PD-1/PD-L1-Inhibitoren beobachtet (Tarhini A 2013). Dermatologische Toxizitäten treten in der Regel bei 25 % der Fälle auf (Minkis K et al. 2013). Sie sind häufiger und schwerwiegender bei Anti-CTLA-4 als bei PD-1/PD-L1-Inhibitoren. Bei der Anti-CTLA-4-Therapie kann die dermatologische Toxizität dosisabhängig sein. Sie tritt häufiger bei ICI-Kombinationstherapien. Unter den verschiedenen Symptomen der dermatologischen Toxizität gelten juckende Exantheme und Vitiligo als bevorzugte Marker für das Ansprechen auf die ICI-Behandlung (Minkis K et al. 2013).
In den meisten Fällen ist die dermatologische Toxizität mild und kann mit topischen Kortikosteroiden oder Antihistaminika behandelt werden. Gabapentin, ein Neurokinin-1-Rezeptorantagonist, und Doxepin können bei starkem Juckreiz eingesetzt werden. Bei Nebenwirkungen > Grad 2 wird die orale Einnahme von Prednison (1 mg/kg/Tag) empfohlen. Wenn sich der Zustand des Patienten unter der Einnahme systemischer Steroide weiter verschlechtert, sollte eine zusätzliche immunmodulatorische Therapie in Betracht gezogen werden, z. B. mit Infliximab, Cyclophosphamid und Mycophenolatmofetil (Choi J et al. 2020).
Therapie
Die Behandlung von Toxizitäten Grad 1 ist konservativ und die Aufrechterhaltung der ICI-Therapie wird auf der Grundlage der Symptome und der betroffenen Organe in Betracht gezogen.
Bei Toxizität Grad 2 sollte eine „Unterbrechung der Immuntherapie“ und eine orale Prednisonbehandlung in Betracht gezogen werden.
Bei Toxizität Grad 3 oder 4 sollten die ICIs abgesetzt und höhere Dosen systemischer Steroide in Betracht gezogen werden. Wenn die Patienten nicht auf Steroide ansprechen, sollte eine immunmodulatorische Therapie eingeleitet werden. Wenn systemische Steroide und immunmodulatorische Therapien die Symptome nicht lindern, sollte bei potemnziell lebensbedrohlichen irAEs eine intravenöse Immunglobulin- oder Plasmapherese-Behandlung in Betracht gezogen werden. Eine erneute Behandlung mit ICIs wird erst empfohlen, wenn sich die irAE auf Grad 1 reduziert hat oder die Symptome verschwunden sind.
Bei potenziell lebensbedrohlichen irAEs oder irAEs Grad 4 wird eine erneute Behandlung mit ICIs nicht empfohlen (Choi J et al. 2020).
Hinweis(e)
Einige irAEs wurden mit einem günstigen klinisch-onkologischen Ergebnis in Verbindung gebracht, aber dies ist immer noch umstritten (Teulings HE et al. 2015).
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio
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- Cappelli LC et al. (2017) Inflammatory arthritis due to immune checkpoint inhibitors: challenges in diagnosis and treatment. Immunotherapy 9:5–8.
- Chen W et al. (2024) Kutaner Lupus erythematodes ausgelöst durch Tislelizumab. JDDG 20: 1003-1005
- Choi J et al. (2020) Clinical Characteristics and Treatment of Immune-Related Adverse Events of Immune Checkpoint Inhibitors. Immune Netw. 20:e9. doi: 10.4110/in.2020.20.e9;
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- Freeman-Keller M et al. (2016) Nivolumab in resected and unresectable metastatic melanoma: characteristics of immune-related adverse events and association with outcomes. Clin Cancer Res 22:886–894.
- Jaber SH et al. (2016) Skin reactions in a subset of patients with stage IV melanoma treated with anti-cytotoxic T-lymphocyte antigen 4 monoclonal antibody as a single agent. Arch Dermatol 142:166–172.
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- Lacouture ME et al. (2014) Ipilimumab in patients with cancer and the management of dermatologic adverse events. J Am Acad Dermatol 71:161–169.
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- Tarhini A (2013) Immune-mediated adverse events associated with ipilimumab CTLA-4 blockade therapy: the underlying mechanisms and clinical management. Scientifica (Cairo) 857519. doi: 10.1155/2013/857519.
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- Wolchok JD et al. (2017) Overall survival with combined nivolumab and ipilimumab in advanced melanoma. N Engl J Med 377:1345–1356.