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Keratosis pilaris simplexQ80.0
Synonym(e)
Erstbeschreiber
Lutz 1860
Definition
Häufige, vollkommen harmlose Verhornungsstörung der Haarfollikel, wahrscheinlich autosomal-dominanter Erbgang. Gelegentlich kombiniert mit milder oder ausgeprägter Ichthyosis vulgaris und bei atopischer Diathese.
Vorkommen/Epidemiologie
Die Prävalenz der Keratosis pilaris wird mit nahezu 50% der Bevölkerung angegeben.
Ätiopathogenese
Obwohl Keratosis pilaris eine häufige Erkrankung ist, ist die genaue Ätiologie nach wie vor unbekannt.
- 1) Genetisch determinierte Kertatosis pilaris (Hyperkeratose des Infundibulums der Haarfollikel) die zu einer Atrophie des Haares führt. Das Langhaar ist bei dieser milden Form nicht betroffen. Diese Form der Erkrankung wird autosomal-dominant vererbt. Mutationen im Filaggrin-Gen korrelieren mit Keratosis pilaris, ebenso wie Anomalien der Ras-Signalkaskade. Die bei Keratosis pilaris beobachteten follikulären Anomalien können auf Mutationen im Filaggrin-Gen zurückzuführen sein. Keratosis pilaris wird am häufigsten mit atopischer Dermatitis in Verbindung gebracht. Die Mutationen im Filaggrin-Gen lassen vermuten, dass Keratosis pilaris das Ergebnis eines Verlusts der normalen epithelialen Barrierefunktion ist (Thomas M et al. 2012).
- 2) Erworbene Form der Keratosis pilaris: Die Keratosis pilaris ist eine nicht ganz seltene Nebenwirkung der Therapie mit Tyrosinkinase-Inhibitoren. Beschrieben wurde die erworbene Keratosis pilaris unter einer Therapie mit Vemurafenib und Imatinib (Braunstein I et al. 2014; Leong WM 2016).
Manifestation
Vor allem bei Jugendlichen (kein Geschlechtsbezogenheit) im Pubertätsalter erstauftretend. Die "Erkrankung" erstreckt sich meist über die gesamte Lebensspanne ist jedoch in der Adoleszen deutlich rückläufig. Im Bereich der Wangen können sich persistierende Erytheme (Erythema perstans faciei - Typus rusticanus) manifestieren, die ein "gesundes, frisches" Aussehen vermitteln. Weitgehend unbemerkt kann es im Verlaufe von Jahren an den streckseitigen Extremitäten, auch im Gesichtsbereich zu einem kompletten Verlust der Vellushaare kommen. Dies wird von Frauen eher als attraktivitätssteigernd, denn als "Krankheit" empfunden.
Anders verhält es sich mit dem Verlust der Langhaarfollikel an Augenbrauen oder an der frontalen bzw. lateralen Stirnseite. Auch diese Manifestation ist möglich (Atrophisierende Keratosis follicularis). Auch hier verläuft der Follikel-zerstörende Prozess chronisch schleichend über Jahre hinweg und ist therapeutisch nicht beeinflussbar.
Lokalisation
Vor allem Streckseiten der Oberarme, Außenseite der Ober- und Unterschenkel, Glutaealregion sind betroffen.
Klinisches Bild
Unzählige, an die Follikel gebundene, meist hautfarbene, spitzkegelige, das Hautniveau überragende, raue Hornpfröpfchen. Sie verleihen der Haut eine körnige Beschaffenheit. Die Keratosis pilaris(synonym = Keratosis follicularis) kann sowohl Körperegionen die mit Vellushaaren bedeckt sind betreffen, als auch solche mit Borstenhaaren (z.B. Augenbrauen) und Langhaaren (Capillitium).
Die Follikelumgebung kann reaktionslos hautfarben sein. Meist jedoch ist sie durch ein ringförmiges sattrotes Erythema gekennzeichnet.
Es besteht ein Reibeisengefühl beim Darüberstreichen.
Regelmäßig Akrozyanose, auch Perniosis follicularis in den betroffenen Gebieten (Typus rusticanus).
Beim Herauskratzen der Keratosen tritt häufig ein aufgerolltes Haar hervor.
S.a. die Ausführungen unter der Bezeichnung "Keratosis pilaris-Syndrom".
Histologie
Die wichtigsten histologischen und dermatoskopischen Befunde der KP sind Hyperkeratose, Hypergranulose, eine milde, von T-Helferzellen des Typs 1 dominierte lymphozytäre Entzündung, Verstopfung der Follikelöffnungen, auffälliges Fehlen von Talgdrüsen und Anomalien des Haarschafts bei KP-Läsionen (ab und zu findet sich ein von Hornmassen eingeschlossenes aufgedrehtes Vellushaar), nicht aber bei nicht betroffenen Hautstellen. Sowohl im interfollikulären als auch im follikulären Stratum corneum der läsionalen KP wurden Veränderungen der Barrierefunktion und eine abnorme parazelluläre Permeabilität festgestellt, die ultrastrukturell mit einer gestörten Reifung und Organisation der extrazellulären lamellären Doppelschicht korrelieren (Gruber R et al. 2015).
Differentialdiagnose
Ichthyosis follicularis: identisches klinisches und histologisches Bild. Bei der Keratosis pilaris fehlen jedoch sonstige Zeichen der Ichthyose.
Lichen ruber follicularis: keine keratotische Follikelstruktur. Atrophie von Vellus- und Langhaaren. Histologisch: dichtes perifollikuläres lymphozytöres Infiltrat mit Adnexotropie.
Mucinosis follicularis: kurze Entstehungszeit, akut aufschießende, meist leicht juckende follikuläre Papeln. Histologie ist diagnostisch.
Follikulotrope Mycosis fungoides: Follikelbetonte rote, heftig juckende Papeln. Histologie ist diagnostisch.
Therapie
Pflegende und keratolytische externe Maßnahmen. Fettende Lotionen (Basislotion (DAC)) oder Cremes; evtl. Zusatz von Harnstoff in einer 5-20% Konzentration (z.B. Nubral Creme oder 5% Harnstoff in Excipial Hydro- oder Lipolotio, s. Rezepturen), Salicylsäure (2-3%) oder Kochsalz (5-10%), ggf. deren Kombinationen. Auch stark verdünnte (0,005%) Tretinoin-Cremes können eine Verbesserung des Hautzustandes bewirken.
Wichtig ist das sparsame Verwenden von Reinigungsmitteln wie Syndets oder Seifen bei der Körperpflege. Statt Detergenzien Verwendungen von hydrophilen Körperölen als Waschersatz (z.B. hydrophiles Körperöl oder Fertigölbäder, die i.A. als Ölbäder Verwendung finden). Zum Baden Öl- oder Kochsalzbäder anwenden.
Interne Behandlungsmaßnahmen sind nicht notwendig und auch nicht angezeigt.
Bemerkenswert gute Erfolge werden von einer Lasertherapie berichtet, wobei insbesondere der QS:Nd YAG-Laser Vorteile bietet (Kechichian E et al. 2020; Ma H et al. 2015; Maitriwong P et al. 2020)
Verlauf/Prognose
Merke! Dieser schleichende Follikelverlust wird jedoch nicht als "Krankheitssymptom" wahrgenommen!
S.a. Keratosis follicularis spinulosa decalvans.Hinweis(e)
Literatur
- Braunstein I et al. (2014) Vemurafenib-induced interface dermatitis manifesting as radiation-recall and a keratosis pilaris-like eruption. J Cutan Pathol 41:539-543.
- Gruber R et al. (2015) Sebaceous gland, hair shaft, and epidermal barrier abnormalities in keratosis pilaris with and without filaggrin deficiency. Am J Pathol 185:1012-1021
- Ibrahim O et al. (2014) Treatment of keratosis pilaris with 810-nm diode laser: a randomized clinical trial. JAMA Dermatol 151:187-19
- Kechichian E et al. (2020) Light and Laser Treatments for Keratosis Pilaris: A Systematic Review. Dermatol Surg 46:1397-1402.
- Leong WM (2016). Nilotinib-Induced Keratosis Pilaris. Case Rep Dermatol 8:91-96.
- Ma H et al. (2015) Unilateral keratosis pilaris occurring on linear hypopigmentation patches: a new variant of keratosis pilaris in an Asian? J Dermatol 42:437-438
- Maitriwong P et al. (2020) Innovative 1064-nm Nd:YAG Laser Significantly Improves Keratosis Pilaris, A Randomized, Double-Blind, Sham-Irradiation-Controlled Trial. Lasers Surg Med 52:509-514.
- Shimizu A et al. (2016) Generalized keratosispilaris-like eruptions in a chronic myelogenous leukemia patient treated with nilotinib. J Dermatol doi: 10.1111/1346-8138.13336.
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Thomas M et al. (2012) Keratosis pilaris revisited: ist es mehr als nur eine follikuläre Keratose? Int J Trichology 4:255-258.