Synonym(e)
Definition
Das pyhsiologische Ergrauen der Haare, auch Achromotrichie genannt, tritt mit dem normalen Alterungsprozess auf. Das Alter, in dem es auftritt, ist jedoch bei den verschiedenen Ethnien unterschiedlich. Eine große bevölkerungsbezogene Studie ergab, dass 6 bis 23 % der Menschen bis zum Alter von 50 Jahren 50% graue Haare haben.
Vorzeitiges Ergrauen ist bei Kaukasiern definiert als Ergrauen der Haare vor dem 20. Lebensjahr und vor dem 30. Lebensjahr bei dunkelhäutigen Ethnien.
Das Durchschnittsalter für den Beginn des Ergrauens liegt bei Kaukasiern bei 34 ± 9,6 Jahren und bei Dunklehäutigen bei 43,9 ± 10,3 Jahren.
Ätiopathogenese
Die Farbe des menschlichen Haares ist auf das Pigment Melanin zurückzuführen, das von Melanozyten produziert wird, die im Haarbulbus lokalisiert sind.
Der menschliche Haarfollikel enthält zwei Arten von Melanin: Eumelanin und Phäomelanin. Die Vielfalt der Haarfarbe ergibt sich hauptsächlich aus der Menge und dem Verhältnis von schwarzbraunem Eumelanin und rötlich-braunem Phäomelanin. Der Phänotyp des Haares wird von dem pH-Wert und dem Cysteingehalt der Melanosomen beeinflusst. Sinkt der pH-Wert, so kommt es zu einer fortschreitenden Verringerung der Tyrosinase-Aktivität. Dies führt zu einem Anstieg des Phäomelanins und zu rötlichem oder blondem Haar.
Eine Mutation im Melanocortin-1-Rezeptor (MC1R)-Gen verursacht eine kastanienbraune oder rote Haarfarbe. Diese Mutation tritt in der Regel bei Menschen in Nordeuropa auf, die weniger der Sonne ausgesetzt sind.
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Pathophysiologie
Es gibt diverse Unterschiede zwischen der Pigmentierung der Epidermis und der Haare. Jeder Melanozyt ist in der Haarzwiebel mit fünf Keratinozyten verbunden und bildet eine "Haarfollikel-Melanin-Einheit". In der Haut hingegen ist ein Melanozyt mit 36-40 Keratinozyten verbunden, und stellt mit diesem Verbund eine "Epidermis-Melanin-Einheit" dar.
Im Gegensatz zur Epidermis, in der die Pigmentproduktion kontinuierlich erfolgt, ist die Melanogenese im Haar eng mit den Phasen des Haarzyklus verbunden. In der anagenen Phase wird das Haar aktiv pigmentiert, in der katagenen Phase wird die Melanogenes "reduziert und abgeschaltet", in der telogenen Phase fehlt sie komplett.
Bei einem normal pigmentiertem anagenen Haar wird die aktive Pigmentierungseinheit als birnenförmig gestaltete, schwarze Struktur an der Spitze der dermalen Papille sichtbar. Bei grauem Haar wird diese Pigmentiereinheit unscharf, die Anzahl der Melanozyten ist reduziert; sie runden sich ab. Es kommt zur autophagolysosomalen Degeneration. In der anagenen Phase verringert sich die Anzahl der Melanozyten in den Haarfollikeln, das Haar wird heller. Es ist davon auszugehen, dass dieser Vorgang eine zentrale Rolle in der Pathogenese des Ergrauens spielt. Weiterhin scheint eine mangelhafte Übertragung von Melanosomen auf kortikale Keratinozyten oder eine Melanininkontinenz aufgrund von Melanozytendegeneration zum Ergrauen beizutragen. Letztlich verschwinden die Melanozyten komplett aus der Haarzwiebel .
Bei pigmentierten Haaren findet eine frühere terminale Differenzierung statt als bei nicht pigmentierten Haaren.
Die Wachstumsrate, der Medulla-Durchmesser und der durchschnittliche Durchmesser der nicht pigmentierten Haare sind höher als die der pigmentierten.
Genetische und Umwelteinflüsse beeinflussen die Haarfollikelstammzellen und Melanozyten. Die Verkürzung der Telomere, die Abnahme der Zellzahl und bestimmte Transkriptionsfaktoren werden mit diesem Alterungsprozess in Verbindung gebracht. Diese molekularen Veränderungen führen wiederum zu strukturellen Veränderungen der Haarfaser, einer geringeren Melaninproduktion und einer Verlängerung der Telogenphase des Haarzyklus. Auf molekularer Ebene sind diverse Gene und Signalwege bekannt, die die Haarpigmentierung beeinflussen.
So ist bekannt, dass die Rezeptoren Bmpr2 (s.u. Bmpr2-Gen) und Acvr2a (s.u. Acvr2a-Gen), die Haarpigmentierung beeinflussen. Tierexperimentell ist nachweisbar, dass eine verringerte Aktivität von Bmpr2 und Acvr2 zu frühem Ergrauen führen. Auch der Notch-Signalweg beeinflusst verschiedene biologische Prozesse bei Wachstum und Pigmentierung des Haares. Auch der Stammzellfaktor, ein Zytokin, das an vielen physiologischen Prozessen wie der Hämatopoese beteiligt ist, spielt zusammen mit seinem Rezeptor (s.u. KIT-Gen) in der anagenen Phase des Haarwachstums eine Rolle bei der Melanogenese.
Eine melanozytenspezifische Deletion von BMI1 (s.u. BMI-1-Gen) führt bei Mäuse zu vorzeitigem Ergrauen der Haare und einem allmählichen Verlust von Zellen der Melanozytenlinie. Enthaarung verstärkt diesen Defekt der Haarvergrauung und beschleunigt den Verlust von McSCs in frühen Haarzyklen, was darauf hindeutet, dass BMI1 die McSCs vor Stress schützt. Außerdem wurden durch den Verlust von BMI1 die Glutathion-S-Transferase-Enzyme Gsta1 und Gsta2 herunterreguliert, die oxidativen Stress unterdrücken können. Dementsprechend konnte eine Behandlung mit dem Antioxidans N-Acetylcystein (NAC) die Melanozytenexpansion teilweise wiederherstellen (Wilson MM et al.2023).
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio
- Han R et al. (2012) Apair of transmembrane receptors essential for the retention and pigmentation of hair. Genesis 50:783–800.
- Wang H et al. (2004) Role of histone H2A ubiquitination in Polycomb silencing. Nature 431:873-878.
- Wilson MM et al.(2023) BMI1 is required for melanocyte stem cell maintenance and hair pigmentation. Pigment Cell Melanoma Res 36:399-406.
Weiterführende Artikel (12)
ACVR2A-Gen; BMI1-Gen; BMPR2-Gen; KIT-Gen; MC1R-Gen; Melanin; Melanogenese; Melanozyt; Notch-Signalweg; Telogenhaar; ... Alle anzeigenDisclaimer
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