Autosomal-rezessive kongenitale Ichthyosen (ARCI) (Übersicht)Q80.8

Autor:Prof. Dr. med. Peter Altmeyer

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Zuletzt aktualisiert am: 21.08.2024

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Synonym(e)

ARCI; ARCI1; ARCI10; ARCI11; ARCI12; ARCI2; ARCI3; ARCI4A; ARCI4B; ARCI5; ARCI6; ARCI7; ARCI8; ARCI9; Autosomal-rezessive kongenitale Ichthyosen; Erythrodermische lamelläre Ichthyose; Ichthyosis congenita; Kollodiumbaby; Kongenitale autosomal rezessive Ichthyosen; Kongenitale, autosomal-rezessive (nicht-syndromale, nicht-bullöse) Ichthyosen; Lamelläre Ichthyose und kongenitale ichthyosiforme Erythrodermie; Nichtbullöse kongenitale ichthyosiforme Erythrodermie; Nichterythrodermische lamelläre Ichthyose

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Erstbeschreiber

Die Bezeichnung "Autosomal rezessive kongenitale Ichthyose" -ARCI-,  bezieht sich auf Erkrankungen die früher unter der Bezeichnung Ichthyosis congenita geführt wurden.  

Definition

Die Gruppe der autosomal-rezessiven kongenitalen (nicht-syndromalen, nicht-bullösen) Ichthyosen (ARCI), ist eine seltene, klinisch, genetisch und molekularbiologisch heterogene Gruppe bereits bei Geburt bestehender, Verhornungsstörungen der Haut, die historisch der Ichthyosis vulgaris bzw. der X-chromosomal-rezessiven Ichthyose klinisch gegenübergestellt wurde. Für diese heterogene Gruppe wurde der Begriff "autosomal rezessive kongenitale Ichthyose" -kurz  ARCI – geprägt (Oji V et al. 2009).

Die Gruppenbezeichnung ARCI bezieht sich explizit auf die autosomal-rezessiven, nicht-syndromalen, kongenitalen Ichthyosen. Mit der inbegriffenen Beschreibung  „nicht-syndromal“ wird für die ARCIs festgelegt, dass sich die Verhornungsstörungen nur auf die Haut beschränken. Fehlbildungssyndrome mit Befall anderer Organe sind für diese Krankheitsgruppe ausgeschlossen. So wird beispielsweise das Netherton-Syndrom, das bei Geburt ebenfalls eine kongenitale ichthyosiforme Erythrodermie aufweist, ausdrücklich nicht unter diesem Terminus geführt, da diese Ichthyose in späteren Lebensalter einen syndromalen Verlauf aufweist.

Einteilung

Zur Gruppe der Autosomal-rezessiven kongenitalen nicht-syndromalen Ichthyosen (ARCI) gehören:

Harlequin Ichthyose (ARCI4B) OMIM:242500 (ABCA12) als schwer und unter Umständen auch lethal verlaufende Verhornungsstörung

Lamelläre Ichthyose (LI)/kongenitale ichthyosiforme Erythrodermie (CIE) (LI/CI)

              Name (Mutation)                      Kürzel          OMIM-Kennung     Gen 

       __________________________________________________________

  • LI/ CIE mit Mutation in TGMI         (ARCI 1)      OMIM: 242300     (TGM1)
  • LI/ CIE mit Mutation in ALOX12B  (ARCI 2)      OMIM: 242100        (ALOX12B)
  • LI/ CIE mit Mutation in ALOXE3    (ARCI 3)      OMIM: 242100        (ALOXE3)
  • LI/ CIE mit Mutation in ABCA12     (ARCI 4A)    OMIM: 60127          (ABCA12)
  • LI/ CIE mit Mutation in CYP4F22   (ARCI 5)       OMIM: 604777        (CYP4F22)
  • LI/ CIE mit Mutation in NIPAL4      (ARCI 6)       OMIM: 612281       (NIPAL4)
  • LI/ CIE mit Mutation in LIPN           (ARCI 8)      OMIM: 613943        (LIPN)
  • LI/ CIE mit Mutation in CERS3        (ARCI 9)      OMIM: 615023        (CERS3)
  • LI/ CIE mit Mutation in PNPLA1      (ARCI 10)    OMIM: 615024        (PNPLA1)
  • LI/ CIE mit Mutation in ST14            (ARCI 11)    OMIM: 602400        (ST14)
  • LI/ CIE mit Mutation in CASP14       (ARCI 12)   OMIM: 617320         (CASP14)

Self-improving congenital ichthyosis 

  • Self-improving congenital ichthyosis mit Mutation in TGM1 (SICI) ARCI1 (OMIM:242300) (TGM1)
  • Self-improving congenital ichthyosis mit Mutation in ALOX12B (SICI) ARCI2 (OMIM:242100) (ALOX12B)
  • Self-improving congenital ichthyosis mit Mutation in ALOXE3(SICI) ARCI3 (OMIM:606545) (ALOXE3)

Bathing suit ichthyosis mit Mutation in TGM1 (BSI) (SICI) ARC I3 (OMIM:242300) (TGMI)

Vorkommen/Epidemiologie

Die Gruppe der autosomal rezessiven kongenitalen Ichthyosen ist erheblich seltener als z.B die Ichthyosis vulgaris oder die X-chromosomal-rezessive Ichthyosis (XRI). Ihre geschätzte Häufigkeit beträgt 1: 60.000 Personen

Ätiopathogenese

Bei allen Varianten ist die terminale Differenzierung der Epidermis gestört, was zu einer verminderten Barrierefunktion und Defekten der Lipidzusammensetzung im Stratum corneum führt (Lefevre et al. 2006). Die häufigste Form der ARCI-Fälle beruht auf einer Mutation in dem Transglutaminase-1-Gen (s.u. Autosomal rezessive kongenitale Ichthyose mit Mutation in TGM1).  Ein Transglutaminasemangel kommt bei etwa 35-40% aller Patienten mit einer ARCI vor. Diese Konstellation führte zu einer älteren inzwischen überholten Einteilung nach autosomal rezessiven kongenitaler Ichthyosis mit und ohne Transglutaminasemangel.  

Eine weitere, eher seltene Form beruht auf einer Mutation im Gen ABCA12 , das ein Transporteiweiß für Fette kodiert. Dieser Defekt ist bei deutschen Familien recht selten. Weitere Formen betreffen Mutationen in zwei eng benachbart auf dem kurzen Arm von Chromosom 17 liegenden Lipoxygenase-Genen (ALOXE3 und ALOX12B) die Aufgaben im Fettstoffwechsel der Oberhaut haben (7% der Patienten). Weitere  Mutationen betreffen u.a. das Cytochrom-P-450-Oxydase-Gen (CYP4F22) (8% der Pat.) oder das Gen für die Ceramidynthetase 3 (CERS3). Letztere führt zu einem Ceramidmangel in der Haut führt (weitere Mutationen s.u. Einteilung).  

Der Schweregrad der ARCI ist sehr unterschiedlich. Bei der lamellären Ichthyose mit Transglutaminasemangel läßt sich ein Zusammenhang von klinischem Schweregrad und Art der Mutation herstellen. Bei anderen Varianten gelingt dies nicht. 

Klinisches Bild

Abgesehen von der Harlequin-Ichthyose (s.dort) liegt bei der ACRIs bei Geburt häufig eine Kollodiummembran (klinisch: Kollodiumbaby) vor.

Die autosomal-rezessive kongenitale ichthyosiforme  Erythrodermie (CIE) ist durch eine Erythrodermie gekennzeichnet, mit überlagernden, feinen weißen, oberflächlichen, semiadhärenten Schuppen. Bei Geburt weist diese Patientengruppe meist eine Kollodiummembran auf (Kollodiumbaby). Palmoplantare Keratodermien (s.a. Palmoplantarkeratosen) sind ein häufiger Befund, oft mit schmerzhaften Fissuren und digitalen Kontrakturen.  In der Hälfte der Fälle werden Nageldystrophien mit Rillenbildung und  subungualen Hyperkeratosen beschrieben, auch Uhrglasnägel. Weiterhin treten Ektropium, Eklabium, Beteiligung der behaarten Kopfhaut und Verlust von Augenbrauen und Wimpern auf. Diese Phänomene scheinen bei der autosomal-rezessiven kongenitalen ichthyosiformen Erythrodermie häufiger aufzutreten als bei dem anderen Phänotyp der autosomal-rezessiven kongenitalen lamellären Ichthyose.

Die autosomal-rezessive kongenitale lamelläre Ichthyose:  Mit dieser Bezeichnung  wird keine eigenständige Entität belegt, sondern lediglich ein besonderer Hautzustand, der bei allen genetischen Varianten der ACRIs auftreten kann. Die Schuppung  betrifft die gesamte Körperoberfläche einschließlich der großen Beugefalten. Gesicht und Kopfhaut sind bei diesen angeborenen Ichthyosen (ARCI) immer mitbetroffen.  Erytheme fehlen oder sind  nur sehr diskret ausgeprägt. Einige Betroffene weisen eine vernarbende Alopezie auf (sekundäre Vernarbungen auf Grund festhaftener Ichthyoseplatten auf dem Capillitium). Das Befallsmuster mit Beteiligung der großen Gelenkbeugen unterscheidet die ARCI-Phänotypen von der Ichthyosis vulgaris und ist auch heute noch ein führendes Differenzierungsmerkmal.

Die Größe und Farbe der Schuppung ist sehr unterschiedlich. Bei vielen Patienten ist eine eher feine und hellbraune Schuppung nachweisbar. Es können jedoch auch dickere, plattenartige und häufig sehr dunkle Verhornungen auftreten.  Die Schuppen bestehen stets aus dünnen,  übereinanderliegenden Hornlamellen. Auf Grund dieser Art der Schuppung erhielt das Krankheitsbild auch die Bezeichnung "lamelläre Ichthyose".

Hypohidrosis: Die Fähigkeit zum Schwitzen ist bei vielen ARCI-Betroffenen vermindert. Dies kann bei hohen Außentemperaturen zu einem Ansteigen der Körpertemperatur führen. Es ist wichtig, insbesondere bei Säuglinge in den heißen Sommermonaten für ausreichende Kühlung (z.B. durch feuchte Umschläge oder durch Applikation von Thermalspray in Gesicht und Nacken zu sorgen). Eine Urlaubsplanung sollte dies berücksichtigen.  Auffällig ist eine Neigung zu Dermatomykosen.

Die Trockenheit der Haut verursacht häufig ein Ektropium, seltener ein Eklabium.  Handflächen und Fußsohlen sind häufig mitbetroffen. Sie zeigen entweder eine Hyperlinearität oder Palmoplantarkeratosen.  Finger- und Fußnägel können verdickt sein oder zeigen andere Wachstumsstörungen. Einige Patienten zeigen Uhrglasnägel.

Diagnose

Klinik mit Art des Befallsmusters, Bestimmung des Genotyp.

Derzeit  geht man davon aus, dass es zumindest 10 verschiedene Genotypen bei der autosomal rezessiven kongenitalen Ichthyosis (ARCI) gibt. Es ist anzunehmen, dass weitere hinzukommen. Durch eine gene-panel Diagnostik in spezialisierten Laboren wie dem Institut für Humangenetik der Universität Freiburg können heute ca. 90% aller ARCI-Fälle genetisch aufgeklärt werden. Bei 10% gelingt dies zurzeit noch nicht.

Die Messung der Transglutaminase 1-Aktivität (s.u.TGM1-Gen) in der Haut  (direkter Immunfluoreszenz-Nachweis) spielt heute keine entscheidende Rolle mehr und ist durch eine molekulargenetische Diagnostik aus dem Blut abgelöst worden.

  

Differentialdiagnose

Kongenitale, autosomal-dominante lamelläre Ichthyose

Ichthyosis vulgaris

X-chromosomal-rezessive Ichthyose

Netherton-Syndrom

Literatur

  1. Okiyama M et al. (2003) The clinical spectrum of nonbullous congenital ichthyosiform erythroderma and lamellar ichthyosis. Clin Exp Derm 28: 235-240
  2. Eckl K.-M et al. (2009) Molecular analysis of 250 patients with autosomal recessive congenital ichthyosis: evidence for mutation hotspots in ALOXE3 and allelic heterogeneity in ALOX12B. J Invest Derm 129: 1421-1428.
  3. Eckl K-M et al. (2005) Mutation spectrum and functional analysis of epidermis-type lipoxygenases in patients with autosomal recessive congenital ichthyosis. Hum Mutat 26: 351-361
  4. Fischer J et al. (2000) Two new loci for autosomal recessive ichthyosis on chromosomes 3p21 and 19p12-q12 and evidence for further genetic heterogeneity. Am J Hum Genet 66: 904-913.
  5. Fischer J (2009) Autosomal recessive congenital ichthyosis. J Invest Derm 129: 1319-1321.
  6. Harting M et al. (2008) Self-healing collodion membrane and mild nonbullous congenital ichthyosiform erythroderma due to 2 novel mutations in the ALOX12B gene. Arch Derm 144: 351-356.
  7. Jobard F et al. (2002) Lipoxygenase-3 (ALOXE3) and 12(R)-lipoxygenase (ALOX12B) are mutated in non-bullous congenital ichthyosiform erythroderma (NCIE) linked to chromosome 17p13.1. Hum Molec Genet 11: 107-113.
  8. Lefevre C et al. (2006) Mutations in a new cytochrome P450 gene in lamellar ichthyosis type 3. Hum. Molec. Genet. 15: 767-776.
  9. Lesueur F et al. (2007) Novel mutations in ALOX12B in patients with autosomal recessive congenital ichthyosis and evidence for genetic heterogeneity on chromosome 17p13. J Invest Derm 127: 829-834.
  10.  Oji V et al. (2009) Revised nomenclature and classification of inherited ichthyoses: results of the first ichthyosis consensus conference in Soreze 2009. J Am Acad Derm 63: 607-641.
  11. Vahlquist A et al. (2010) Genotypic and clinical spectrum of self-improving collodion ichthyosis: ALOX12B, ALOXE3, and TGM1 mutations in Scandinavian patients. J Invest Derm 130: 438-443.
  12. Yu Z et al. (2003) The lipoxygenase gene ALOXE3 implicated in skin differentiation encodes a hydroperoxide isomerase. Proc Nat Acad Sci 100: 9162-9167.

Autoren

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