Synonym(e)
Definition
Häufigster durch Androgene realisierter Haarausfalltypus bei Männern und Frauen. Hervortreten des genetisch determinierten charakteristischen Ausprägungsmusters des Haarkleides. Häufig begleitende Seborrhoe (deshalb auch Alopecia oleosa, Alopecia seborrhoica).
Vorkommen/Epidemiologie
Prävalenz bei europäischen Männern bis zu 80%; Prävalenz bei asiatischen u. afrikanischen Männern gering.
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Ätiopathogenese
- Diskutiert werden Assoziationen mit polygenen erblichen Faktoren, die bislang unbekannt sind. Anzunehmen sind Gene, die in die Androgen-Haarfollikel-Interaktion involviert sind. Beschrieben im Zusammenhang mit Alopezien ist u.a. das Hairless-Gen (s.a. Alopecia congenitalis universalis) und das Androgen-Rezeptor-Gen (AR-Gen), das auf der Region Xq12-22 des X-Chromosoms lokalisiert ist. Eventuelle Assoziationen mit der A. androgenetica werden derzeit noch kontrovers diskutiert.
- Das Zusammenspiel genetischer Dispositions- und hormoneller Manifestationsfaktoren führt zur Verkürzung der Anagenphase und zur Miniaturisierung der Haarfollikel mit Vellushaarbildung ("regressive Metamorphose"). Aufgrund der genetischen Prädisposition exprimieren die Haarfollikel DHT-Rezeptoren. Natürlicher Ligand dieser Rezeptoren ist DHT (Dihydrotestosteron), das durch Konvertierung von Testosteron in DHT durch das Enzym 5α-Reduktase entsteht. 2 Isoenzyme der 5α-Reduktase sind bekannt: Typ 1 und Typ 2 (prädominiert in Haarfollikeln von Kopfhaut u. Bart). Durch intrazelluläre Bindung von DHT an DHT-Rezeptoren kommt es zur Änderung des Androgen-Rezeptor-Komplexes, der in den Zellkern transportiert wird und als Transkriptionsfaktor wirkt. Die Verteilung der Androgen-metabolisierenden Enzyme (5α-Reduktase Typ 1 u. 2, Aromatase, Hydroxysteroiddehydrogenase) ist möglicherweise für die Ausprägung der androgenetischen Alopezie verantwortlich. Bei Männern wurde frontal eine 1,5fach höhere Aktivität Androgen-metabolisierender Enzyme nachgewiesen.
- Sekundäre Faktoren (Assoziationen sind umstritten!):
- Seborrhoe
- Cholesterin-Akkumulation in der Kopfhaut (5α-Reduktase-Expression aus Cholesterin nach Kontakt mit Sonnenlicht in der Kopfhaut!).
- Durchblutungsstörungen in der Kopfhaut.
Manifestation
Variabel, meist vor dem 40. LJ; erste Anzeichen oft bereits nach der Pubertät, meist in der 3. Lebensdekade. Maximum in der 4. Dekade.
Klinisches Bild
Variable Klinik entsprechend dem Stadium der Erkrankung:
- Stadium I: Normales Behaarungsmuster.
- Stadium II: Zurücktreten der Stirn-Haar-Grenzen, insbes. an den Schläfen mit Ausbildung von Geheimratsecken.
- Stadium III: Tonsurartige, okzipitoparietale Haarlichtung bei bestehender Haarbrücke.
- Stadium IV: Fast vollständiger Verlust der Haare im Parietalbereich; verbleibender seitlicher und hinterer Haarkranz.
- Stadium V: Dünne okzipitale und parietale kranzförmige Restbehaarung.
Histologie
Diagnose
Komplikation(en)
Therapie
Merke! Die Behandlung sollte möglichst frühzeitig erfolgen, um irreversible Follikelregressionen aufzuhalten!
Leitliniengerecht 5%ige Minoxidil Lösung oder Schaum, innerlich 1 mg Finasterid pro Tag als Tablette. Bei ausbleibendem Erfolg 0,5mg Dutasterid pro Tag.
Desweiteren kann, sofern ausreichend Spenderhaar vorhanden ist, die Haartransplantation bei entsprechend spezialisierten Operateuren empfohlen werden.
Aktuell werden Erfolge mit Low Level Laser Therapie und die Injektionen von Platelet-rich Plasma aus Eigenblut (PRP) beschrieben. Für die letztgenannten beiden Verfahren fehlen noch kontrollierte klinische Studien.
Therapie allgemein
Bei ausgeprägtem Therapiewunsch ausführliche Beratung und Aufklärung über mögliche Therapieoptionen. Wichtig ist die Dämpfung der meist zu hohen Erwartungen an einen Therapieerfolg. Das primäre Behandlungsziel ist in einem Progressionstop des Haarausfalls zu sehen.
Merke! Wichtig bei allen Therapieansätzen: Therapieerfolge sind erst nach mehrwöchiger bis mehrmonatiger Anwendung zu erwarten.
Therapie mit Platelat-rich plasma (PRP) zeigt gute Erfolge.
Auch Softlaser, die mit langwelligem roten Licht arbeiten, können das Haarwachstum stimulieren.
Externe Therapie
Minoxidil 5% Lösung (z.B. Regaine 5%, Lonolox) 2mal/Tag auf die betroffenen Areale auftragen. Dauertherapie erforderlich, da es beim Mann nach Absetzen, ca. 3 Monate später, erneut zum Haarausfall kommt.
Koffein-haltige Externa: In vitro- und Penetrationsstudien zum Einfluss von Koffein auf den Haarfollikel belegen die Penetration und Akkumulation von topischem Koffein (Otberg N et al. 2008). Allerdings sind Penetration und Akkumulation nicht gleichzusetzen mit Stimulation (Dressler C 2017).
Kleinere überwiegend positive Studien existieren zu Kombinationen von Koffein+Minoxidil (Golpur et al. 2013), Koffein (1,5%)+Minoxidil (5%)+Azelainsäure (1,5%) (Pazoki-Tourodi et al. 2013)
Die Erkenntnisse zu den Effekten von topischem Koffein auch in Kombination mit anderen Wirkstoffen wie Minoxidil und Aelainsäure an der Haarwurzel sind derzeit unzureichend (Fischer TW et al. 2014). Die Europäische S3-Leitlinie zur Behandlung der AGA erwähnt Koffein als Behandlungsoption, spricht allerdings auf Grund mangelnder Evidenz keine Indikation für eine Behandlung aus (zitiert n. Dressler C 2017).
Thymuskin soll in kleinen Studienkohorten einen günstigen Einfluss auf das Haarwachstum gezeigt haben.
Finasterid lokal als Spray in einer Dosierung von 2,275 mg/ml für Männer mit leichter bis mäßiger Alopecia androgenetica (Altersangabe 18-41 Jahre). Dosierung beginnend mit 1 Srpühstoß/Tag und täglich Steigerung um 1 Sprühstoß bis auf 4 Sprühstöße / Tag auf die lichten Stellen.
Interne Therapie
- Finasterid (z.B. Propecia®: 4-Azasteroid = selektiver 5-alpha-Reduktase-Typ 2-Hemmer) 1mal/Tag 1 mg p.o. für mindestens 6 Monate ( Off-Label-Use; Finasterid ist zwar verschreibungspflichtig aber nicht erstattungsfähig). Studien im Vergleich von Finasterid mit Minoxidil zeigen eine signifikant überlegene Wirksamkeit von Finasterid (Arca E et al. 2004). Es zeigt sich, dass es sich bei dieser Therapie um einen langzeitigen Therapieansatz (>6 Monate) handelt. Die Patienten sind aufzuklären, dass mögliche Therapieerfolge zurückgehen, wenn die Therapie abgebrochen wird.
- Alternativ Dutasterid (z.B. Avodart, selektiver 5-alpha-Reduktase Typ I- und Typ 2-Hemmer): 1mal/Tag 0,5 mg p.o. für mindestens 6 Monate ( Off-Label-Use).
- Zu beachten sind die möglichen, durch den antiandrogenen Effekt bedingten Nebenwirkungen.
- Nikotinsäure p.o. (z.B. Nicobion Tbl.) und Vitamin B-Komplex (ohne B1) können unterstützend eingesetzt werden.
Operative Therapie
Ggf. Transplantation von Mini- oder Mikrografts aus den okzipitalen Kopfpartien, s. Haartransplantation. Donordominanz, Mikrografts 1-2 Haare, Minigrafts 3-5 Haare. Nach 3-6 Monaten sollte normales Wachstum eintreten.
Merke! Kunsthaarimplantationen sind wegen Fremdkörperreaktionen obsolet!
Naturheilkunde
Derzeit sind weitere Studien bei der androgenetischen Alopezie des Mannes mit Extrakten von Grünem Tee (Epigallocatechin-3-gallat), Extrakten aus Früchten der Sägepalme (Serenoa repens) sowie von Citrullus colocynthis und Cuscuta reflexa zu erwarten (Rondanelli M et al. 2016).
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio
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