Synonym(e)
Definition
Frischpflanzenpresssäfte sind naturreine wässrige Extrakte aus Frischpflanzen, die die Gesamtheit der Wirk-und Inhaltsstoffe einer Pflanze in natürlicher Form enthalten.
Offizinell
Frischpflanzenpresssäfte sind naturheilkundlich als eigenständige Arzneimittelgruppe anerkannt. Sie werden im § 44 Abs. 2 des Dt. Arzneimittelgesetz (AMG) von 1976 beschrieben als "Presssäfte aus frischen Pflanzen und Pflanzenteilen können für den Verkehr außerhalb der Apotheken freigegeben werden, sofern sie ohne Lösungsmittel mit Ausnahme von Wasser hergestellt wurden".
Der regulatorische Status einzelner Presssäfte ist uneinheitlich: Einige der im Handel befindlichen Frischpflanzenpresssäfte sind Arzneimittel mit einer Zulassung gemäß § 105 AMG, deren Anwendungsgebiete den Vorgaben der Kommission-E oder einer ESCOP-Monografie entsprechen.
Im Einzelnen wird die frische Pflanze bzw. Pflanzenteile gewaschen, zerkleinert und anschließend kalt oder auch heiß gepresst. Der ausgepresste Pflanzensaft wird zentrifugiert oder filtriert. Bei einer Heißpressung wird die Droge zuvor mit Wasserdampf behandelt und anschließend in Flaschen abgefüllt. Bei einer Kaltpressung entfällt das Erhitzen der Arzeinpflanze. Zur Haltbarmachung wird der gewonnene Presssaft entweder pasteurisiert (erhitzt) und/oder mit Alkohol (Ethanol) stabilisiert.
Nach Öffnen der Droge ist die Haltbarkeit begrenzt. Sie liegt je nach Art der Aufbewahrung (Kühlung ist empfehlenswert) bei wenigen Tagen.
Auch interessant
Vorkommen
Nach AM Beer haben sich (beispielhaft) folgende Pressäfte bewährt:
- Artischocke (Schwäche der Fettverdauung, Völlgefühl, Anregung des Gallensaftes)
- Baldrianwurzel (Valeriane radix) (Unruhezustände, nervös bedingte Einschlafstörungen)
- Betulae folium (Birkenblätter) (zur Steigerung der Diurese, Durchspülungstherapie)
- Urticae radix (Brennnesselkraut) (harntreibend, ausschwemmend)
- Potentillae anserinae herba (Gänsefingerkraut) (krampflösend, adstringierend, antidiarrhoisch)
- Farfarae folium (Huflattischblätter) (reizlindernd, entzündungshemmend: Bronchialkatarrh)
- Johanniskraut (beruhigend, antidepressiv: nervöse Erschöpfungszustände)
- Taraxaci radix cum herba (Löwenzahnwurzel mit- kraut) (choleretisch, diuretisch, appetitanregend)
- Mistelkraut s.u. Mistelpräparate (Blutdruck-regulierend: bei milden Formen der Hypertonie)
- Melisse (Völlegefühl, Blähungen)
- Echinaceae purpureae herba (Purpursonnenhutkraut) (immunmodulierend, Stärkung der Abwehrkräfte: rezidivierende Infekte der oberen Atemwege und der ableitenden Harnwege)
- Millefolii herba/flos (Scharfgarbenkraut) (choleretisch, antibakteriell, adstringierend, spasmolytisch: dyspeptische Beschwerden, Appetitlosigkeit)
- Raphani sativi radix (Schwarzrettichwurzel) (sekretionsfördernd, motilitätsfördernd, antibakteriell,: Verdauungsbeschwerden, Katarrhe der oberen Luftwege)
- Rosmarini folium (Rosmarinblätter) (Unterstützung der Hartz-Kreislauffunktion)
- Plantaginis lanceolatae herba (Spitzwegerichkraut) (reizmildernd, antibakteriell, adstringierend: Leberfunktionsstörungen, Katarrhe der oberen Luftwege)
- Thymi herba (Thymiankraut) (bronchospasmolytisch, expektorierend, antibakteriell bei Erkrankungen der oberen Luftwege)
- Crataegi folium cum flore (Weißdornblätter mit Blüten) (positiv inotrop, Steigerung der Koronar- und Myokarddurchblutung: zur Kräftigung des noch nicht Digitalis- bedürftigen sogenannten Altersherzens)
- Küchenzwiebel (antibakteriell, Blutdruck-senkend, Hemmungen der Thrombozytenaggregation)
Schwangerschaft/Stillzeit
Anwendungsbeschränkungen für Schwangere, Stillende und Kinder: In den Gebrauchsinformationen muss von einer "Anwendung in Schwangerschaft und Stillzeit wegen nicht ausreichender Untersuchungen" abgeraten werden, obgleich Zubereitungen aus Heilpflanzen traditionell auch von schwangeren und stillenden Frauen angewandt wurden. Der Warnhinweis ist damit zu begründen, dass es keine klinischen Studien gibt, die die Unbedenklichkeit bei schwangeren und stillenden Frauen belegen. Ein analoger Warnhinweis gilt für die Anwendungen im Kindes- und Jugendalter.
Hinweis(e)
Produktionsprozess: Der industrielle Produktionsprozess beginnt im Einzelnen mit der Reinigung des angelieferten Frischpflanzenmateriales und der Entfernung von vorhandenen Fremdbestandteilen. Danach wird das Ausgangsmaterial zerkleinert mit Wasserdampf behandelt und mit Drücken bis zu 250 bar gepresst. Der austretende frische Saft wird zentrifugiert um Schwebstoffe zu entfernen. HPLC-Untersuchungen zeigen, dass durch Zentrifugieren vorwiegend Ballaststoffe entfernt werden, aber keine sekundären Inhaltsstoffe, die in der Arzneibuch-Monografie der jeweiligen Pflanze beschrieben sind. Anschließend wird der Frischpflanzenpressaft mittels Ultrahochkurzzeiterhitzung sterilisiert (Uperisation bis 130 °C ) und heiß (etwa 85 °C) in sterilen Flaschen abgefüllt. Eine lange Haltbarkeit (je nach Produkt beträgt die Haltbarkeit 3-5 Jahre) ist für Frischpflanzenpresssäfte essenziell, da sie nur zur Erntezeit produziert werden können und viele Ausgangsmaterialien nur einmal im Jahr geerntet werden.
Vom „Feld in die Flasche“: Da für die Presssaftherstellung nur frische Pflanzen und keine getrockneten Drogen zum Einsatz kommen, muss das Pflanzenmaterial in der Nähe der Produktionsstätte kultiviert oder gesammelt werden. Es gilt der Grundsatz, dass die Presssäfte erntereifer Pflanzen an einem Tag vom „Feld in die Flasche“ gelangen sollen. Dadurch soll vermieden werden, dass vor Produktionsbeginn mikrobiologische Zersetzungen des Ausgangsmaterials stattfinden können.
Haltbarkeit: Bedingt durch den Verzicht auf Konservierungsmittel, sind Frischpflanzenpresssäfte nach dem Öffnen zeitlich nur begrenzt haltbar. Sie sind im Kühlschrank aufzubewahren und binnen 2-3 Wochen zu verbrauchen.
Geschmackskorrketuren: Der „ursprünglich“ manchmal unangenehme Geschmack der Frischpflanzenpresssäfte kann dadurch abgemildert werden, dass die Droge mit Tee oder Fruchtsaft (Johannisbeersaft) gemischt wird.
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio
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- Beer AM (2012) Frischpflanzenpresssäfte, in: Beer AM u. Adler M. (Hrsg) Leitfaden Naturheilverfahren für die ärztliche Praxis. Urban & Fischer München S.205-208
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Kraft K et al. (1997) Planung, Durchführung und Auswertung von Anwendungsbeobachtungen. Empfehlungen der Gesellschaft für Phytotherapie (GPHY) Pharm Ind 59: 755–759.
- Schilcher H (2010) Frischpflanzenpresssäfte, in: Hoppe B (Hrsg). Handbuch des Arznei- und Gewürzpflanzenbaus, Bd. 2. Bernburg S. 319 – 330.
- Wegener T (2009) Presssaft aus Brennnesselkraut – erfolgreiche Anwendung im Praxisalltag. Z Phytother 30: 243 – 248.
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