Definition
Campylobacter (von griech. campylo = gebogen) bezeichnet eine Gattung von Bakterien, gramnegative Stäbchen mit spiral- oder S-förmiger Gestalt. In der Gattung Camphylobacter wurden bisher mehr als 30 Spezies identifiziert, von denen Campylobacter jejuni und Campylobacter coli die wichtigsten humanpathogenen Spezies sind (Bolton DJ 2015). Beide Keime sind eng miteinander verwandt. Sie werden aus Gründen der Praktikabilität zusammenfassend als C. jejuni diagnostiziert. Sie werden aus Auch andere Spezies, die vorwiegend tierpathogen sind z.B. Campylobacter lari, Campylobacter fetus können selten Erkrankungen beim Menschen verursachen.
Einteilung
Dei wichtigsten humanpathogenen Spezies der Gattung Campylobacter:
- C. coli (Schweine und Vögel): Enteritiserreger, reaktives Guillain-Barré-Syndrom
- C. jeuni (zahlreiche Säuger und Vögel): Enteritiserreger, reaktives Guillain-Barré-Syndrom
- C. lari (Möwen): Enteritiserreger
- C. fetus: (Schaf und Rind): zahlreiche Organinfektionen bei Abwehrschwäche und Bakteriämie
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Vorkommen
Campylobacter-Spezies sind in der Natur nahezu ubiquitär verbreitet. Sie kolonisieren als enterale Kommensale ein breites Spektrum von Tieren. Dazu gehören Wildtiere (z.B. Wildvögel), Nutztiere (z.B. Geflügel, Rinder und Schweine) und Heimtiere (z.B. Hunde und Katzen). Die Erreger können, vor allem bei niedrigen Umgebungstemperaturen, einige Zeit in der Umwelt oder in Lebensmitteln überleben, sich aber nicht außerhalb des Wirtsorganismus, also z.B. in Lebensmitteln, vermehren.
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Infektionen durch Bakterien der Gattung Campylobacter sind weltweit verbreitet. In Mitteleuropa treten die Erkrankungen vermehrt in der warmen Jahreszeit auf. Kinder < 5 Jahren und junge Erwachsene zwischen 20 und 29 Jahren sind in Deutschland besonders häufig von einer Erkrankung betroffen. Camphylobacter-Infektionen. Die Campylobacter-Enteritiden (Reisediarrhhö) ist mit 60.000 - 70.000 übermittelten Fällen pro Jahr (80 - 90 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner) die häufigste bakterielle meldepflichtige Krankheit in Deutschland (Mitteilungen RKI).
Pathophysiologie
An der Ausbreitung von Campylobachter sind viele Mechanismen beteiligt, einschließlich Pathogenität, Biofilmbildung, und Antibiotikaresistenz (García-Sánchez L et al. 2018).
Camphylobacter jejuni produziert ein hitzelabiles Enterotoxin, dem bei den Erkrankungserscheinungen eine pathogenetische Bedeutung beigemessen werden kann.
Bestimmte Lipopolysaccharide in der äußeren Membran des Erregers kommt es wegen ähnlicher Strukturmerkmale (antigenes/molekulare Mimikry) der Ganglioside des peripheren Nerven des Patienten zu einer Kreuzreaktion. Diese postinfektiöse Entzündung manifestiert sich als ein Guillain-Barré-Syndrom. 30% aller Guillain-Barré-Erkrankungsfälle treten nach einer Infektion mit Campylobacter-Infektionen auf.
Weitere seltene Folgeerkrankungen einer Campylobacter-Infektion können reaktive Arthritiden. Auch ein Reizdarmsyndrom sowie chronisch entzündlichen Darmerkrankungen werden diskutiert.
Manifestation
Campylobacter-Infektionen des Menschen sind überwiegend lebensmittelbedingt (García-Sánchez L et al. (2018). Geflügelfleisch, insbesondere Hühnerfleisch ist als bedeutendste Infektionsquelle für sporadische Campylobacter-Enteritiden (v.a. C. jejuni) identifiziert worden. Krankheitsausbrüche werden in Deutschland immer wieder durch den Verzehr von nicht pasteurisierter Milch (Rohmilch), aber auch von rohem oder unzureichend erhitztem Fleisch verursacht.
Als weitere Ursachen für Ausbrüche wurden Infektionen über kontaminiertes Trinkwasser oder durch den Kontakt zu Heimtieren, z.B. Hundewelpen, beschrieben. Auch Infektionen durch Baden in kontaminierten Oberflächengewässern kommen vor.
Die Kontamination von Lebensmitteln und Wasser erfolgt primär durch Ausscheidungen von mit Campylobacter kolonisierten Tieren.
Geflügelfleisch kann während des Schlachtprozesses über den Darminhalt der Tiere kontaminiert werden. Frisches Hähnchenfleisch im Einzelhandel ist häufig mit Campylobacter kontaminiert. Die direkte Übertragung von Mensch zu Mensch spielt eine untergeordnete Rolle. Wegen der niedrigen krankheitsauslösenden Infektionsdosis von ≥500 Keimen ist sie jedoch insbesondere bei Kleinkindern möglich. Eine Besonderheit stellt die Infektion mit C. fetus dar.
Möglich ist eine Mutter-Kind-Übertragung intrauterin oder perinatal, die zu Abort, Sepsis oder Meningitis führen kann.
Klinisches Bild
Inkubationszeit: In der Regel 2–5 Tage, in Einzelfällen 1–10 Tage. Viele Infektionen verlaufen asymptomatisch. Eine symptomatische Infektion stellt sich gewöhnlich als akute Enteritis dar, die ohne weiterführende Diagnostik nicht von Enteritiden anderer Genese zu unterscheiden ist. Häufig bestehen 12–24 Stunden vor Auftreten der enteritischen Symptome Prodromi mit Fieber (38–40°C), Kopfschmerzen, Myalgien, Arthralgien und Mattigkeit. Die häufigsten Symptome sind Diarrhö, Bauchschmerzen bzw. -krämpfe, Fieber und Mattigkeit. Die Diarrhö kann breiig bis massiv wässrig, nicht selten auch blutig sein (Hof H et al. 2019).
Verlauf: Die Erkrankung dauert in der Regel bis zu einer Woche, mitunter auch länger. Die seltenen protrahierten oder chronischen Verläufe betreffen meist resistenzgeminderte und immungeschwächte Personen.
Dauer der Ansteckungsfähigkeit: Die Patienten sind infektiös, solange Erreger im Stuhl ausgeschieden werden. Die mittlere Ausscheidungsdauer beträgt 2–4 Wochen. Bei Kleinkindern und immungeschwächten Personen, z.B. AIDS-Patienten, ist mit einer Langzeitausscheidung zu rechnen.
Diagnostik
Die Sicherung der Diagnose durch Nachweis des Erregers erfolgt in der Regel durch Anzucht aus möglichst frischem Stuhl (ohne weitere Voranreicherung über bluthaltige Selektivmedien in einer Campylobacter-Gasatmosphäre bei 42°C; thermophile Erreger). Die Transportzeit der Probe ist auf Grund der Empfindlichkeit der Erreger gegenüber Temperaturschwankungen ein relevanter Faktor. Es ist grundsätzlich anzustreben, Proben für die Erregerdiagnostik im Stadium der akuten Symptomatik zu gewinnen und diese dem Labor so zeitnah wie möglich zuzustellen. Der Nachweis von C. jejuni und C. coli kann auch durch Antigennachweis im Stuhl mittels Enzym-Immunoassay (ELISA) oder durch Nukleinsäurenachweis (PCR) durchgeführt werden. Ein kultureller Nachweis sollte zusätzlich angestrebt werden, um ggf. eine Resistenztestung zu ermöglichen. Es ist absehbar, dass sich für epidemiologische Fragestellungen auch hier zunehmend die Genomsequenzierung (Whole Genome Sequencing, WGS) – zunächst in Speziallaboratorien – durchsetzen wird.
Differentialdiagnose
Differenzialdiagnostisch sind weitere bakterielle (z.B. Salmonellen, Shigellen, Yersinien, enterotoxische E. coli, enterohämorrhagische E. coli, Clostridium difficile), virale (z.B. Noroviren, Adenoviren, Rotaviren) sowie parasitäre Durchfallerreger (z.B. Amöben, Giardien) zu erwägen. Weitere nicht-infektiöse Ursachen, wie chronisch entzündliche Darmerkrankungen und Colon irritable (Reizdarmsyndrom), sollten bei fehlendem Erregernachweis oder einem Persistieren der Symptomatik ebenfalls in das diagnostische Kalkül mit einbezogen werden.
Therapie
In der Regel ist die Krankheit selbstlimitierend. Eine symptomatische Therapie mit Volumen- und Elektrolytsubstitution ist in fast allen Fällen ausreichend.
Gemäß den Empfehlungen der S2k-Leitlinie "Gastrointestinale Infektionen und Morbus Whipple" (2015) sollte keine antibiotische Therapie durchgeführt werden, wenn es bis zum Erhalt des mikrobiologischen Nachweises bereits zu einer Besserung der klinischen Symptome gekommen ist. Bei schwerem Krankheitsbild, fehlender klinischer Besserung oder Immunsuppression sollte eine antimikrobielle Therapie (unter Beachtung der Resistenztestung) mit Azithromycin (1. Wahl) oder Ciprofloxacin (alternativ) durchgeführt werden. Die Entscheidung zur Therapie muss aber auf individueller Basis getroffen werden.
Eine Therapie mit Erythromycin wird aufgrund des Nebenwirkungsspektrums nicht mehr als Mittel der Wahl gesehen. Cephalosporine zeigen eine unzureichende Aktivität gegenüber Campylobacter und sind daher nicht zur Therapie geeignet. Die antibiotische Therapie sollte in Abhängigkeit von den Ergebnissen einer Resistenztestung durchgeführt werden, da nicht selten Resistenzen gegen diese Substanzen vorhanden sein können.
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio
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Bolton DJ (2015) Campylobacter virulence and survival factors. Food Microbiol 48:99-108.
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Fitzgerald C (2015) Campylobacter. Clin Lab Med 35:289-298.
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García-Sánchez L et al. (2018) Campylobacter in the Food Chain. Adv Food Nutr Res 86:215-252.
- Hof H et al. (2019) Campylobacter. In: Hof H, Schlüter D, Dörries R, Hrsg. Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie. 7., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme S 450-451