Urämische Polyneuropathie

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 20.08.2024

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Synonym(e)

Polyneuropathie, urämische

Definition

Unter einer urämischen Polyneuropathie versteht man eine mehr oder weniger generalisierte Schädigung des peripheren Nervensystems, die als Begleiterkrankung einer durch eine chronische Nierenerkrankung (CKD) ausgelösten Urämie auftritt (Herold 2018).

Ätiologie

Die Ätiopathogenese ist komplexer Natur und bislang nicht vollständig geklärt.

Man vermutet toxische Effekte, die zur urämischen Polyneuropathie führen in Form von langsam dialysablen Toxinen, neurotoxischen Substanzen und einer metabolischen Störung .

Ein Vitamin- B1- Mangel, Hyperparathyreoidismus und Enzyme spielen wahrscheinlich keine ursächliche Rolle (Hörl 2004).

Verstärkt wird die urämische Polyneuropathie durch folgende, die chronische Nierenerkrankung auslösende, Erkrankungen:

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Pathophysiologie

Pathophysiologisch kommt es bei einer urämischen Polyneuropathie zu einer degenerativen Schädigung des Axons, welches zur einer Auftreibung, einem Zerfall und Verdünnung des Axonzylinders führt. Zusätzlich wird durch sekundären Zerfall der Myelinscheiben von distal nach zentral hin (sog. dying back neuropathy) die Zahl der myelinisierenden Fasern reduziert. Das Schädigungsmuster ist allerdings inhomogen (Hörl 2004).

Das erklärt, warum zunächst die langen Bahnen im Bereich der distalen Extremitäten betroffen sind (Kuhlmann 2015).

 

Manifestation

Die urämische Polyneuropathie wird meistens im Stadium 4 einer chronischen Nierenerkrankung (CKD) manifest (Kasper 2015).

Der überwiegende Teil (ca. 2/3) der dialysepflichtigen Patienten leidet unter einer urämischen Polyneuropathie (Kuhlmann 2015).

Klinisches Bild

Initial sind zunächst die sensorischen Nerven und im Verlauf dann auch die motorischen Nerven von distal nach proximal und von unteren Extremitäten zu den oberen Extremitäten hin betroffen (Kasper 2015).

Es können folgende Symptome bestehen:

  • Sensibilitätsstörungen
  • Dysästhesien
  • Verlust des Temperaturempfindens (insbesondere des Kälteempfindens)
  • Verlust des „position sense“ (Kuhlmann 2015)
  • distal betonte symmetrische atrophische Paresen im fortgeschrittenen Stadium (Hörl 2004)

 

Diagnostik

Körperliche Untersuchung

Bei der körperlichen Untersuchung fallen auf:

- Vibrationsempfinden herabgesetzt

- Achillessehnenreflex abgeschwächt

und im fortgeschrittenen Stadium:

- Muskelatrophie

- Myoklonien

- Lähmungen

(Keller 2010)

Die Merkmale einer peripheren Neuropathie lassen sich bereits vor Beginn der klinischen Manifestation elektrophysiologisch und histologisch nachweisen (Kasper 2015).

Elektrophysiologische Untersuchung: Bei der elektrophysiologischen Untersuchung können folgende Aussagen gemacht werden:

- herabgesetzte Nervenleitgeschwindigkeit (diese ist im Frühstadium bereits im sensiblen N. suralis nachweisbar; sie sinkt parallel zur Kreatininclearance [Keller 2010])

- Schädigungstyp (axonal, demyelinisierend)

- Verteilungstyp der Schädigung (distal / proximal, symmetrisch / asymmetrisch)

- Ausmaß der Muskelschädigung

(Heuß 2019)

Histologische Untersuchung: Hierbei kann die Demyelinisierung nachgewiesen werden (Heuß 2019)

 

Therapie

Das Auftreten einer urämischen Polyneuropathie stellt eine Indikation zur Dialyse bzw. zur Optimierung der Dialysedosis dar (Kasper 2015).

Zusätzlich kann man versuchen, die neuropathischen Schmerzen zu behandeln mit:

  • trizyklischen Antidepressiva wie z. B. Amitriptylin
  • oder Antiepileptika wie z. B. Carbamazepin (Gabapentin ist bei chronischer Nierenkrankung kontraindiziert) (Kuhlmann 2015)

 

Prognose

Durch den frühzeitigen Beginn der Dialysebehandlung kommt es meistens nur zu einer subklinischen Ausprägung der Symptomatik (Hörl 2004).

Nach einer Nierentransplantation verbessern sich anfänglich die Symptome gravierend, im Verlauf tritt dann eine weitere Verbesserung nur noch allmählich auf (Keller 2010).

Literatur
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  1. Herold G et al. (2018) Innere Medizin. Herold Verlag 642
  2. Heuß D et al. (2019) Diagnostik bei Polyneuropathien. Leitlinien der DGN
  3. Hörl W H et al. (2004) Dialyseverfahren in Klinik und Praxis: Technik und Klinik. Georg Thieme Verlag 435 - 436
  4. Kasper D L et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 2426
  5. Kasper D L et al. (2015) Harrisons Innere Medizin. Georg Thieme Verlag 2234
  6. Keller C K et al. (2010) Praxis der Nephrologie. Springer Verlag
  7. Kuhlmann U et al. (2015) Nephrologie: Pathophysiologie - Klinik – Nierenersatzverfahren. Thieme Verlag 437
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