Karpaltunnelsyndrom G56.0

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 23.02.2025

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Synonym(e)

Brachialgia paraesthetica nocturna; KTS

Erstbeschreiber

Pierre Marie und Charles Folix beschrieben als Erste im Jahre 1913 das Karpaltunnelsyndrom. Die Möglichkeit einer operativen Dekompression durch Spaltung des Retinaculum flexorum beschrieb 1933 James Learmonth.

Die Namensgebung erfolgte 1938 durch Moersch.

Das Phalen- Zeichen wurde 1966 von George Phalen entwickelt und nach ihm benannt  (Neurologienetz).

Definition

Unter einem Karpaltunnelsyndrom (KTS) versteht man ein Beschwerdebild, dass durch eine Kompression des N. medianus entsteht (Herold 2021). Das Leitsymptom sind während der Nachtruhe einschlafende Hände (Leitlinien 2022).

Vorkommen/Epidemiologie

Das KTS stellt die weltweit am häufigsten vorkommende Nervenkompression dar (Padua 2016).

Die Prävalenz des KTS liegt laut einer Metaanalyse aus 87 Studien bei 10,4 %, die Inzidenz bei 3,45 Fälle auf 100.000 Einwohner pro Jahr, wobei die höchste Inzidenz bei den 40- bis  60- Jährigen liegt. Frauen sind deutlich häufiger betroffen als Männer (Leitlinien 2022).

Ein idiopathisches Karpaltunnelsyndrom tritt bei > 40 % der Betroffenen auf. Der größte Teil davon ist weiblichen Geschlechts (Herold 2021).

Ätiopathogenese

Das Karpaltunnelsyndrom kann auftreten im Rahmen anderer Erkrankungen wie z. B.:

  • Rheumatoider Arthritis
  • Bei chronischer Überbelastung der Handgelenke in Form einer starken Flexions - oder Extensionshaltung
  • Nach Traumata in Handgelenksnähe
  • Hormonell bedingt bei z. B.
  • Amyloidose bei Dialysepatienten
  • Gicht
  • Idiopathisches Karpaltunnelsyndrom (Herold 2021)

 

Bei der. Aβ2M- Amyloidose ist das KTS oftmals das erste Symptom (Kasper 2015)

Ursache eines Karpaltunnelsyndrom ist eine Synovitis der Sehnenscheiden unter dem Lig. Carpi transversum (Herold 2021).

 

Als Risikofaktoren gelten:

Pathophysiologie

Der Karpaltunnel stellt eine flache, U- förmige, knöcherne Rinne dar, die von den Handwurzelknochen gebildet wird und nach volar vom Karpalband. In diesem Karpaltunnel finden sich neben neun Beugesehnen auch der N. medianus. Durch Kompression oder eine ischämische Schädigung kommt es zum KTS (Wang 2018).

Klinisches Bild

Symptome eines Karpaltunnelsyndroms sind:

  • Schmerzhaftes Einschlafen der Hände im Schlaf
  • Taubheit der Finger 1 – 4
  • Als Spätsyndrom: Thenaratrophie (Herold 2021)

Die schmerzhaften Kribbel- Parästhesien treten anfänglich bevorzugt im Mittel- und Ringfinder auf, später auch im Daumen und Zeigefinger mit Ausstrahlung in den Arm. Die Beschwerden lassen sich durch Ausschütteln, Pumpbewegungen, Stellungsänderungen oder kaltes Wasser bessern bzw. beseitigen (Leitlinien 2022).

Im weiteren Verlauf des Krankheitsbildes kommt es dann zu Ausfallserscheinungen mit zunehmender Hypästhesie. Im Spätstadium schließlich findet sich eine Atrophie der Mm. abductor pollicis brevis und opponens pollicis (Leitlinien 2022).

Diagnostik

Die Diagnose wird weitgehend klinisch gestellt (Osiak 2022). Es gibt aber auch verschiedene Tests,  durch die eine Diagnose bestätigt werden kann wie z. B.:

- Phalen- Zeichen:

Durch eine maximale Beugung oder Streckung können die Beschwerden ausgelöst werden (Herold 2021).

 

- Hoffmann- Tinel- Test:

Auslösen der Beschwerden durch Beklopfen des Karpaltunnels (Herold 2021).

 

- Neurographie

Bei der Neurographie zeigt sich eine erniedrigte Nervenleitgeschwindigkeit des N. medianus (Herold 2021).

 

- Sonographie

Die hochauflösende Sonographie zeigt hinsichtlich der Diagnose des KTS eine moderate Sensitivität und eine niedrige Spezifität. Von daher spielt die Sonographie bei der Diagnostik eine untergeordnete Rolle (Leitlinien 2022).

 

- MRT

Eine MRT ist für die Diagnostik eines KTS ebenso weniger geeignet. Die Sensitivität variiert zwischen 72 – 96 %, die Spezifität zwischen 33 – 74 %  (Leitlinie 2022).

 

- Elektronenneurographische Diagnostik

Sie stellt den zuverlässigsten Nachweis eines KTS dar (Leitlinie 2022).

 

- Elektromyographie des M. abductor pollicis brevis

Diese Untersuchung wird i. d. R. nicht routinemäßig durchgeführt, sollte aber bei V. a. eine axonale Läsion durchgeführt werden, ebenso bei zuvor bestehenden technischen Schwierigkeiten (Leitlinie 2022).

Differentialdiagnose

- Wurzelverletzung C5 und C6  (Kasper 2015) bzw. C6 und C7 (Leitlinien 2022)

- Polyneuropathie (Leitlinien 2022)

Therapie allgemein

Die Parästhesien können sich durch Ausschütteln der Hand bessern (Herold 2021).

Sofern die Indikation zur konservativen Therapie gegeben ist, sollte dem Patienten für nachts eine Handgelenksschiene verordnet werden (Leitlinien 2022).

Operative Therapie

Sofern sich unter den o. g. konservativen Maßnahmen keine Verbesserung der Symptomatik zeigen und der Patient unter sensiblen und / oder motorischen Ausfällen leidet, bzw. die Abduktions- und Oppositionskraft des Daumens durch eine Thenaratrophie beeinträchtigt wird, sollte eine operative Maßnahme erfolgen (Leitlinien 2022).

Bei den operativen Maßnahmen haben sich insbesondere zwei Methoden etabliert:

- 1. Offene Retinakulumspaltung

- 2. Endoskopische Retinakulumspaltung

Beide Operationstechniken erfolgen i. d. R. in Vollblutsperre. Die Ergebnisse sind insgesamt vergleichbar.

Bei Ersteingriffen sollte eine routinemäßige Epineurotomie nicht erfolgen (Leitlinien 2022).

 

Verlauf/Prognose

Rezidive treten insbesondere bei rheumatischer Synovialitis, Dialysepatienten und bei starken Vernarbungen auf (Leitlinien 2022).

Literatur
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  1. Deutsche Gesellschaft für Handchirurgie, Deutsche Gesellschaft für Neurochirurgie, Deutsche Gesellschaft für Neurologie, Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie. (2022) Diagnostik und Therapie des Karpaltunnelsyndroms. S3- Leitlinie AWMF- Register Nr. 005 /003
  2. Harinesan N, Silbsby M, Simon N G (2024) Chapter 4 – Carpal tunnel Syndrome. Handbook of Clinical Neurology 201 Elsevier Urban und Fischer Verlag 61 - 88
  3. Herold G et al. (2021) Innere Medizin. Herold Verlag 661 - 662
  4. Kasper D L, Fauci A S, Hauser S L, Longo D L, Jameson J L, Loscalzo J et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education  122, 724
  5. Neurologienetz: Das Informationsportal für Ärzte. Doi: https://www.neurologienetz.de/fachliches/erkrankungen/periphere-neurologie/nervenlaesionen-an-schulter-und-arm/karpaltunnelsyndrom
  6. Osiak K, Elnazir P, Walocha J A, Pasternak A (2022) Carpal tunnel syndrome: state- of- the- art review. Folia Morphol 81 (4) 851 - 862
  7. Padua L, Corari D, Erra C, Pazzaglia C, Paolasso I, Loreti C, Caliandro P, Hobson- Webb L D (2016) Carpal tunnel syndrome: clinical festures, diagnosis and management. Lancet Neurol. 15 (12) 1273 – 1284
  8. Wang L  (2018) Guiding Treatment for Carpal Tunnel Syndrome. Phys Med Rehabil Clin N Am. 29 (4) 751 - 760

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