Tuberculosis cutis luposa A18.4

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 20.08.2024

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Synonym(e)

Fressende Flechte; Lupus vulgaris; Schleimhauttuberkulose ulzeröse; Tuberculosis cutis luposa et mucosae; Tuberculosis luposa cutis et mucosae; Zehrflechte

Erstbeschreiber

Robert Willan 1757-1812

Definition

Insgesamt seltene, jedoch häufigste (endogene, seltener exogene) postprimäre Form der Hauttuberkulose bei normerger Reaktionslage des Organismus, in der Regel wenig kontagiös.

Es besteht namentliche Meldepflicht!

In 50% der Fälle ist eine Assoziation mit einer anderen, aktiven Organtuberkulose nachweisbar (in den meisten Fällen eine Lungentuberkulose).

 

Erreger

Meist humane, selten bovine Typen des Mycobacterium tuberculosis.

Vorkommen/Epidemiologie

Die Tuberculosis cutis luposa wird (im Gegensatz zu den atypischen Mykobakteriosen) in großen mitteleuropäischen Dermatologiezentren nur sehr selten beobachtet (1:100.000 dermatologische Patienten). Häufigeres Vorkommen in Brasilien (Mann D et al. 2019). w:m=2:1.

Ätiopathogenese

Absiedelung der Erreger hämatogen, lymphogen oder per continuitatem von einer Organtuberkulose oder auch durch exogene Inokulation. S.a. Etagen-Tuberkulose.

Manifestation

meist ältere Menschen; w:m=2:1

Lokalisation

V.a. akrale Partien des Gesichts (Nase, Wangen, Ohren, Lippen) seltener Extremitäten und Schleimhäute

Klinisches Bild

  • Initial findet sich ein meist nicht beachtetes, rötlich-bräunliches, 0,2-0,4 cm großes, etwas erhabenes, diaskopisch apfelgeleefarbenes Knötchen (Lupusknötchen). Durch periphere Ausbreitung entsteht bei Nichtbehandlung eine 1,0-5,0 cm große (oder auch größere) braun-rote, symptomlose, nur gering konsistenzvermehrte Plaque mit atrophischer, pergamentartiger Oberfläche bei  fehlender Follikelzeichnung (Follikel durch Granulombildung zerstört). Im Randbereich werden meist kleinere Satellitenknötchen gefunden, sodass meist keine glatte sondern eine aufgebrochene Randkontur entsteht
  • Positives Sondenphänomen oder Mandrinphänomen können auslösbar sein (nur bei Verkäsung!). Der klinische Verlauf ist von der Immunitätslage des Organismus abhängig. Cave! Erneutes Aufleben der Tuberkulose bei Immunsupprimierten.
    Je nach sekundärer Veränderung:
  • Schleimhautveränderungen: Grau-weißlich oder glasig-transparente, meist erhabene, höckrige Knoten. Bei Ulzeration Ausbildung weicher, leicht blutender, serös-eitrig bedeckter Ulzera, Verborkung.

Histologie

  • Die Epidermis ist atrophisch, seltener akanthotisch. Erosionen oder Ulzerationen sind möglich. Vorhanden sind bevorzugt in der oberen Dermis lokalisierte, jedoch auch bis zur tiefen Dermis reichende, knotige Infiltrate aus Epitheloidzellen, Riesenzellen vom Langhans-Typ untermischt mit reichlich Lymphozyten, die sich im Randbereich der Granulome mantelartig verdichten können. Eine zentrale Nekrose (Verkäsungstendenz) ist möglich, bei jungen Granulomen jedoch häufig nicht vorhanden. Die Hautanhangsgebilde in den Granulomen werden zerstört.
  • Mikroskopischer Nachweis von Tuberkelbazillen mit den gängigen Färbeverfahren (Ziehl-Neelsen-Färbung, Fite-Färbung) oder mittels immunhistologischer Verfahren ist nur äußerst selten möglich.

Komplikation(en)

Therapie allgemein

Die Therapie der Tuberculosis cutis luposa richtet sich nach den derzeitigen jeweiligen Empfehlungen der CDC. Die antituberkulöse Therapie verfolgt zwei Ziele:
  • Rezidivfreies Ausheilen durch sichere Sterilisation
  • Prävention gegen Selektion von resistenten Stämmen.

Externe Therapie

Bei kleinen Lupusherden Exzision im Gesunden, anschließend 6 Monate tuberkulostatische Behandlung. Plastisch-chirurgische Maßnahmen bei Mutilationen nach der Abheilung.

Interne Therapie

  • Da die Bakterienpopulationen unterschiedlich sensibel auf Tuberkulostatika reagieren, ist die Therapie als Dreifach- oder als Vierfachtherapie anzulegen (s. Tabelle 1). Hochwirksame Medikamente wie Isoniazid oder Rifampicin sollten in jeder Kombination enthalten sein.

Merke! Die Monotherapie der Hauttuberkulose mit Isoniazid ist obsolet!

  • Nach der Initialphase von 2 Monaten mit einer Vierfachtherapie wird für die nachfolgende Stabilisierungphase eine Behandlung mit zwei wirksamen Präparaten empfohlen. Die detaillierten Angaben zu Dosierung, Arzneimittelnebenwirkungen und erforderlichen Kontrolluntersuchungen sind zu beachten (s. jeweils unter dem generischen Namen). Wichtig: Die regelmäßige Einnahme der Medikamente sollte vor dem Frühstück erfolgen. Rifampicin beeinträchtigt durch schnelleren Abbau die Wirkung von Antikonzeptiva.
  • Immunsupprimierte Patienten mit Tuberculosis cutis luposa werden stets mit einer Vierfachtherapie über 12 Monate behandelt.
  • Resistenzlage: Mehrere Untersuchungen haben in Deutschland eine Resistenz für Isoniazid von 6-7% (USA 9,1%), RMP 1,5-2,4 (USA 3,9%) und EMB 1,0-1,9% (USA 2,4%) aufgedeckt. Resistenzen betreffen somit in erster Linie Isoniazid. In diesen Fällen muss auf antituberkulostatisch wirksme Medikamente zurückgegriffen werden, die weniger  gut wirksam sind.
  • Als Risikofaktoren für das Auftreten resistenter Tuberkelerreger gelten:
    • Frühere tuberkulostatische Behandlung
    • Unzureichende Tabletteneinnahme
    • Aufenthalt in Gebieten mit hoher Tuberkuloseprävalenz
    • Aufenthalt in Gebieten mit hoher Resistenz (über 4% gegenüber INH)
    • Kontakt zu Personen mit resistenten Erregern.
  • Folgende Präprate stehen im Handel zur Verfügung:
    • Isoniazid (z.B. Isozid Tbl., Tebesium-s-100/250 Lösung, Isozid Comp.)
    • Rifampicin (z.B. Eremfat Filmtbl., Rifa Drg.)
    • Pyrazinamid (z.B. Pyrafat Filmtbl., PZA-Hefa Tbl.)
    • Streptomycin (z.B. Strepto-Fatol- oder Strepto Hefa Injektionslösung)
    • Ethambutol (nicht für Kinder unter 10 Jahren) (z.B. Myambutol Tbl., EMB-Fatol Filmtbl.).

Merke! Die große Zahl der Tbl. vermindert die Compliance der Patienten deutlich!

Der Einsatz von Kombinationspräparaten vereinfacht dem Arzt die Verabreichung und dem Patienten die Einnahme für den langen Zeitraum der Therapie, s. Tabelle 3.

Verlauf/Prognose

Chronischer Verlauf; Abheilung mit Atrophie und Narben im Verlauf von Jahren/Jahrzehnten. Rezidive in Lupusnarben. Weichteilzerstörung mit nachfolgender Mutilation. Bewegungseinschränkung der Gelenke. Bei entsprechender Chemotherapie sind 95% der Fälle innerhalb von Monaten heilbar.

Tabellen

Therapiestrategien bei Hauttuberkulose (wie bei anderen extrapulmonalen Organtuberkulosen)

 

Wirkstoff

Dosis pro kg KG/Tag

Monat 1

2

3

4

5

6

Zusätzlich

Vierfachtherapie

Isoniazid

5 mg

x

x

x

x

x

x

30 mg Vit. B6

Rifampicin

10 mg

x

x

x

x

x

x

 

Ethambutol

15-20 mg

x

x

 

 

 

 

 

Pyrazinamid

25 mg

x

x

 

 

 

 

 

 

Kombinationspräparate bei Hauttuberkulose

 

Generika

Beispielpräparate

Dosis im Beispielpräparat

Rifampicin + Isozianid

Rifinah

300/150 mg

Rifampicin + Isozianid

Iso-Eremfat 150

150/100 mg

Iso-Eremfat 300

300/150 mg

Rifampicin + Isozianid + Pyrazinamid

Rifater

120/50/300 mg

Ethambutol + Isoniazid

Myambutol-INH-I/-II

500/100 mg

300/100 mg

Ethambutol + Isoniazid

EMB-INH

300/60 mg

 

Hinweis(e)

Als Nachweisverfahren hat sich der Quantiferon-TB-Gold-Test etabliert. Seine Wertigkeit bei Hauttuberkulosen ist noch nicht belegt.

Wichtig ist der Nachweis der Mykobakterien aus läsionalem Biopsiematerial. Zur Anzucht der Mykobakterien sollten Labors das schnellere, radiometrische Verfahren immer zusätzlich zur konventionellen Kultur durchführen.

Die PCR (Polymerase chain reaction) ersetzt in keinem Fall die kulturellen Verfahren.

In den Industrieländern werden großflächige, mutilierende Formen mit breitem Gewebeverlust (Mutilationen von Nase, Ohren, Septumperforationen, Wolfsrachen, u.a.) nicht mehr beobachtet. Derartige Bilder zieren immer noch ältere Lehrbücher, entsprechen jedoch nicht mehr der derzeitigen klinischen Realität (Cave Migrantensituation!). 

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Diallo R et al. (1997) Lupus vulgaris as the etiology of tuberculous mastitis. Pathologe 18: 67-70
  2. Ghorpade A (2003) Lupus vulgaris over a tattoo mark--inoculation tuberculosis. J Eur Acad Dermatol Venereol 17: 569-571
  3. Mann D et al. (2019) Cutaneous tuberculosis in Rio de Janeiro, Brazil: description of a series of 75
    cases. Int J Dermatol doi: 10.1111/ijd.14617.
  4. Meyer FJ et al. (1995) Renaissance der Tuberkulose? Internist 36: 1162–1173
  5. Motta A et al. (2003) Lupus vulgaris developing at the site of misdiagnosed scrofuloderma. J Eur Acad Dermatol Venereol 17: 313-315
  6. Pandhi D et al. (2001) Lupus vulgaris mimicking lichen simplex chronicus. J Dermatol 28: 369-372
  7. Plum G et al. (1995) Die Epidemiologie der multiresistenten Tuberkulose in den Vereinigten Staaten von Amerika. 36: 980–986
  8. Senol M et al. (2003) A case of lupus vulgaris with unusual location. J Dermatol 30: 566-569

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