Synonym(e)
Definition
Häufige, frühe (meist im Verlauf der 1.Behandlungswoche), reaktive, schmerzhafte, entzündliche, komplexe Nebenwirkung der Mundschleimhaut auf mukotoxische onkologische Therapieverfahren der Kopf-Halsregion (s. a. ANUG = akut nekrotisierende ulzeröse Gingivitis) mit phasenhaftem Verlauf (Enanthem - fokale pseudomembranöse Schleimhautläsionen - lokalisierte oder auch konfluente Ulzera). Häufig auch als Nebenwirkung einer Radio(chemo)-therapie auftretend (s.a. Zytostatika, supportive Therapie). Die orale Mukositis stellt einen Dosis-limitierenden Faktor für eine zytostatische Therapie dar und stellt durch die Störung der Schleimhautbarriere ein erhöhtes Risiko für eine systemische Infektion dar.
Einteilung
Der Schweregrad der Mukositis wird wie folgt eingeteilt:
- Grad 0: normale Mundschleimhaut ohne Veränderungen.
- Grad 1: Rötungen, Wundsein und Brennen; gelegentliche und geringe Schmerzen; Schwierigkeiten bei fester Kost.
- Grad 2: Rötungen, kleine Entzündungen; zeitweilige und erträgliche Schmerzen; Schwierigkeiten bei weicher Kost.
- Grad 3: größere Entzündungen; starke, dauerhafte Schmerzen.
- Ab Grad 3 spricht man von einer schweren Mukositis. Selbst Trinken bereitet zunehmend Probleme. Auch beim Sprechen treten Schmerzen auf.
- Grad 4: schwerste Verlaufsform; tiefe Geschwüre, qualvolle Schmerzen; künstliche Ernährung.
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Vorkommen/Epidemiologie
Eine Vielzahl zytostatischer Substanzen können Stomatitis, Ösophagitis und orale Ulzerationen verursachen. Häufigkeit und Schwere der Mukositis hängen von Substanz, Dosis, Applikationsart und der gewählten Kombination mit anderen Zytostatika oder mit einer Radiotherapie ab. Eine Mukositis wird insbesondere bei Verwendung von Methotrexat, Antrazyklinen, 5-Fluorouracil, Capecitabin und Etoposid beobachtet. Weitere besonders mukotoxische Chemotherapeutika sind:
- Actinomycin
- Bleomycin
- Chlorambucil
- Cisplatin
- Cytarabin
- Daunorubicin
- Docetaxel
- Doxorubicin
- Fluorouracil
- Mitoxantron
- Vinblastin
- Vindesin
Ätiopathogenese
Klinisches Bild
- Glattflächenmukositis manifestieren (Entzündungen der Wangen, Gaumen, Zunge, Mundboden, Oropharynx) oder als
- Gingivitis, als deren Maximalvariante eine ANUG (akute, nekrotisierende, ulzeröse Gingivitis) anzusehen ist.
- Weiterhin wird regelmäßig eine Xerostomie mit Geschmacksstörungen beobachtet.
Komplikation(en)
Therapie
- Chlorhexidin: Chlorhexidindiglukonat (0,12% bis 0,2%) ist wirksam gegen grampositive Bakterien. Nebenwirkungen sind verändertes Geschmacksempfinden, Zahnverfärbungen und Besiedlung der Mundhöhle durch gramnegative Bakterien [Foote RL 1994].
- Für die übrigen topischen Desinfektiva (Hydrogenperoxid 3%, Polyvidonjodid, Cetylpyridiniumchlorid, Silbernitrat) liegen keine Daten vor, die eine generelle Empfehlung unterstützen.
- PTA-Lutschtabletten: Enthalten Polymyxin E, Tobramycin und Amphotericin B, um orale und pharyngeale Infektionen zu unterdrücken.
- Benzydamin-HCl: Die Anwendung 0,15%iger Spüllösung vor und nach Radiotherapie zeigte in einer placebokontrollierten Studie eine Überlegenheit
- Traumeel S: Eine kleinere randomisierte Studie bei Kindern, die eine Stammzelltransplantation erhielten, zeigte eine reduzierte Rate der Chemotherapie-induzierten Stomatitis.
- Orale Kryotherapie: Randomisierte Studien konnten zeigen, dass eine 30-minütige orale Kryotherapie bei einer Bolus-5-Flourouracil-Applikation oder einer Melphalan - haltigen Chemotherapie die Frequenz der oralen Mukositis günstig beeinflusst. Anwendung v.a. bei Substanzen mit kurzer Halbwertszeit und Bolusapplikation.
- Sucralfat: Sucralfat wird bei Pat. mit Strahlentherapie eingesetzt. Das Präparat wird als Granulat in Wasser aufgelöst und bildet einen Schutzfilm auf der Mukosa.
- Antiphlogistika: Pflanzenextrakte (Kamille oder Salbeilösungen): Kamille hatte trotz bekannter antiinflammatorischer, antibakterieller und spasmolytischer Eigenschaften keinen gesicherten Einfluss auf die durch 5-Fluorouracil induzierte Stomatitis Auch der positive Effekt von Salbeitee und Myrrhetinkturen ist nicht gesichert.
Prophylaxe
- Strahlentherapie: Möglichst kleine Schleimhautflächen mit möglichst geringen Dosen strahlentherapeutisch belasten.
- Optimale Mundhygiene, häufige Spülungen mit Leitungswasser oder antiphlogistischen Präparaten (s.u.)
- Verzicht auf Alkohol- oder Zigarettenkonsum
- Diätetische Maßnahmen (salzarm, gewürzarm)
- Symptomatische Schmerzbehandlung
- Bei Infektzeichen gezieltes Antibiogramm - gesteuerte antibiotische oder antimykotische System - oder Lokaltherapie
- Prothesenkarenz
Hinweis(e)
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio
- Awidi A et al. (2001) Double-blind, placebo-controlled cross-over study of oral pilocarpine for the prevention of chemotherapy-induced oral mucositis in adult patients with cancer. Eur J Cancer 37:2010-2014
- Bleyer WA (1978) The clinical pharmacology of methotrexate: new applications of an old drug. Cancer 41:36-51
- Dodd MJ et al. (2000) Randomized clinical trial of the effectiveness of 3 commonly used mouthwashes to treat chemotherapy-induced mucositis. Oral Surg Oral Med Oral Pathol Oral Radiol Endod 90:39-47
- Meropol NJ et al. (2003) Randomized phase I trial of recombinant human keratinocyte growth factor plus chemotherapy: potential role as mucosal protectant. J Clin Oncol 21:1452-1458.
Verweisende Artikel (6)
Capecitabin; Carboplatin; Doxorubicin; Etoposid; Topotecan; Zytostatika, supportive Therapie;Weiterführende Artikel (7)
Chlorambucil, kutane Nebenwirkungen; Cisplatin; Fluorouracil; Gingivitis, akute, nekrotisierende, ulzeröse; Methotrexat; Zytostatika, supportive Therapie; Zytostatika (Übersicht);Disclaimer
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