Masern B05.99

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 20.08.2024

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Synonym(e)

Measles; Morbilli; Rosolia; Rougéole; Sarampion

Erstbeschreiber

ar-Razi (Rhazes) um  900 

Definition

Schwere, hochkontagiöse (durch Tröpfcheninfektion übertragene), meldepflichtige (namentliche Meldepflicht bei Verdacht und manifester Erkrankung) Infektionskrankheit  durch ein RNA-Virus (Familie der Paramyxoviren) mit typischem Exanthem und Enanthem.

Erreger

Masernvirus (RNA-Virus aus der Familie der Paramyxoviren. Übertragung durch Tröpfcheninfektion. Ansteckend während des katarrhalischen Stadiums und in den ersten Tagen des Exanthems.

Vorkommen/Epidemiologie

Weltweit erkranken jedes Jahr rund 200.000 Menschen an Masern (v.a. in afrikanischen Ländern). Die Durchseuchung liegt bei nahezu 100%. In Deutschland werden immer wieder lokale Ausbrüche mit unterschiedlichen Erkrankungszahlen gemeldet. Nach Mitteilungen des Robert-Koch-Institutes wurden in Deutschland im Jahre 2015 2.464 Fälle gemeldet, im Jahre 2016 waren dies 325 Fälle und 2017 etwas mehr als 900 Fälle.

Durch einen Herdeneffekt kann es bei Masern zur Häufung von Personen in Sub-Populationen kommen, die selbst weder durch Infektion noch Impfung gegen die Erreger übertragbarer Infektionskrankheiten immun sind. Falls in diese Gruppe Keimüberträger gelangen und der Herdeneffekt für diese Gruppe für das Maservirus unzureichend ist, riskieren die betroffenen eine Erkrankung, die bisher "nur" als Kinderkrankheit bekannt ist. Solche Altersverschiebungen sind für Masern dokumentiert. In höherem Alter werden Masern schwerer erkannt, sodass beispielsweise Masernpneumonien verspätet angemessen behandelt werden.

Außerdem treten Masern bei Neugeborenen in der Zeit bis zur ersten Impfung (empfohlen zwischen dem vollendeten 11. und 14. Lebensmonat) etwas häufiger dann auf, wenn ihre Mütter gegen diese Erreger geimpft wurden, als wenn die Mütter die Masern als Infektion durchgemacht hatten, weil die über die Plazenta bewirkte Leihimmunität nach Impfung schneller abklingt als nach Infektion.

 

Manifestation

Meist im Kindesalter auftretend.

Klinisches Bild

  • Stadienhafter Verlauf.
    • Inkubationszeit: 8-10 Tage bis zu den Prodromi, 14 Tage bis zum Exanthem
    • Katarrhalisches Prodromalstadium: schweres allg. Krankheitsgefühl, Fieber bis 40 °C, Rhinitis, Konjunktivitis, Lichtscheu, Pharyngitis, Tracheitis, generalisierte Lymphadenopathie. Am 2. bis 3. Tag Koplik-Flecken (weiße punktförmige Flecken der Wangenschleimhaut gegenüber den Backenzähnen), Entfieberung mit raschem Wiederanstieg der Temperaturen bei gleichzeitiger Ausbildung von Enanthem und  Exanthem.
    • Exanthematisches Stadium: Am 3. Krankheitstag, Enanthem am Gaumen, Tonsillen, Uvula. Großflächige rote, runde oder ovale, zunächst blasse- dann dunkelrote auch hämorrhagische Flecken; Flecken neigen zur Konfluenz.   
    • Kraniokaudaler Verlauf mit Beginn zunächst hinter den Ohren, dann an Hals und Rumpf, zuletzt an den Extremitäten. Vergrößerung und Konfluenz der Flecken. Nach 3-4 Tagen Temperaturabfall, Abblassen des Exanthems in genannter Reihenfolge. Kleinlamellöse weiße (kleieförmig) Schuppung der befallenen Hautpartien.
  • Besondere Verlaufsformen:
    • Abortive Form: Morbilloid
    • Masernpemphigoid
    • Primär toxische Masern: Foudroyanter Verlauf mit Somnolenz, Hyperpyrexie, blutigen Stühlen, Zirkulationsstörungen, Krämpfen und letalem Ausgang ist möglich.

Labor

Prodromalstadium: Leukozytose. Exanthematisches Stadium: Leukopenie, Neutropenie, Thrombopenie, Eosinopenie. Ein zuvor positiver Tuberkulintest kann negativ werden!

Diagnose

Klinisches Bild, Titeranstieg um 2 Stufen beim Hämagglutinationshemmtest.

Komplikation(en)

Industrieländer: in 10-15% der Fälle Bronchopneumonie, Otitis media, Masernkrupp. Selten: Masernenzephalitis, subakut sklerosierende Panenzephalitis. Komplikationen sind Folge der Virus-induzierten Immunsuppression die etwa 6 Wochen persistiert.  

Das Auftreten einer TEN nach Masern-Impfungen wurde in der Literatur beschrieben.

Therapie allgemein

Isolierung Erkrankter für 4-5 Tage nach Exanthem-Beginn.

Externe Therapie

Im exanthematischen Stadium abtrocknende Externa wie Schüttelmixturen oder Lösungen mit antiseptischen Zusätzen, z.B. 2% Clioquinol-Lotio R050 . Ggf. antiseptische Mundspülungen mit Chlorhexidin (z.B. R045 , Hexoral).

Interne Therapie

Bei gefährdeten bzw. immunsupprimierten Kindern IVIG-Therapie z.B. mit Gamma-Globulin (z.B. Beriglobin 0,2-0,5 ml/kg KG i.m.), wirksam bis zum 3. Tag nach Kontakt (zwischen 4. bis 7. Inkubationstag evtl. abgeschwächter Krankheitsverlauf).

Sonst symptomatische Therapie: Im Prodromalstadium Bettruhe in abgedunkelten Räumen sowie ggf. fiebersenkende Maßnahmen wie Paracetamol (z.B. ben-u-ron Saft oder Supp.) 15 mg/kg KG als ED, bis zu 50 mg/kg KG/Tag. Schleimlösende Maßnahmen wie Acetylcystein (z.B. ACC Granulat): Kleinkinder 100 mg/Tag, Kinder 200-400 mg/Tag, Erwachsene u. Jugendliche 600 mg/Tag. Flüssigkeits- und Elektrolytzufuhr.

Bei bakterieller Superinfektion (z.B. Haut, Bronchopneumonie) ggf. stationäre Einweisung und antibiotische Behandlung, anfänglich mit Breitbandantibiotika wie Dicloxacillin (z.B. InfectoStaph), anschließend nach Antibiogramm. Entsprechend der Klinik ggf. intensivmedizinische Betreuung.

Bei Laryngotracheitis mit Krupp (Erstickungsgefahr!) notfallmäßig Aufnahme in die Klinik.

Prophylaxe

Aktive Immunisierung mit abgeschwächten Lebendvakzinen gegen Ende des 1. Lebensjahres. Wiederholungsimpfung zwischen dem 3. und 6. Lebensjahr.

Seit dem 1. März 2020 ist das Masernschutzgesetz in Kraft getreten. Das Gesetz sieht vor, dass alle Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr beim Eintritt in die Schule oder den Kindergarten die von der Ständigen Impfkommission empfohlenen Masern-Impfungen vorweisen müssen. Auch bei der Betreuung durch eine Kindertagespflegeperson muss in der Regel ein Nachweis über die Masernimpfung erfolgen.

Gleiches gilt für Personen, die in Gemeinschaftseinrichtungen oder medizinischen Einrichtungen tätig sind wie Erzieher, Lehrer, Tagespflegepersonen und medizinisches Personal (soweit diese Personen nach 1970 geboren sind). Auch Asylbewerber und Flüchtlinge müssen den Impfschutz vier Wochen nach Aufnahme in eine Gemeinschaftsunterkunft aufweisen.

 

Literatur
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  1. Afzal MA (2000) Clinical safety issues of measles, mumps and rubella vaccines. Bull World Health Organ 78: 199-204
  2. Bellini WJ et al. (2003) The challenges and strategies for laboratory diagnosis of measles in an international setting. J Infect Dis 187: S283-290
  3. Duke T et al. (2003) Measles: not just another viral exanthem. Lancet 361: 763-773
  4. Hellenbrand W et al. (2003) Progress toward measles elimination in Germany. J Infect Dis 187: S208-216
  5. Pereira FA et al. (2007) Toxic epidermal necrolysis. J Am Acad Dermatol 56: 181-200
  6. RKI (2017) Epidemiologisches Bulletin. https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2017/Ausgaben/16_17.pdf?__blob=publicationFile 
  7. Spika JS et al. (2003) Measles and rubella in the World Health Organization European region: diversity creates challenges. J Infect Dis 187: S191-197

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