VulvadermatitisN76.3

Co-Autor:Christina Rohdenburg

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Zuletzt aktualisiert am: 21.08.2024

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Synonym(e)

Allergisches Vulvaekezm; Allergische Vulvadermatitis; Atopisches Vulvaekzem; Lichen simplex chronicus Vidal; Vulvaekzem; Vulvitis

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Definition

Die Vulvadermatitis, häufig auch als "Vulvaekzem" bezeichnet, ist definiert als, akute, subakute oder chronische inflammatorische Intoleranzreaktion der weiblichen Genitalhaut aufgrund einer Schädigung der Epidermis durch äußerlich einwirkende Noxen. Sie kann sowohl durch irritative als auch durch Immun-Mechanismen ausgelöst werden. Zunächst selbstlimitiert, kann sie jedoch auch chronisch verlaufen, wenn die Ursache bzw. die zugrundliegende Disposition persistiert.

Die Vulvadermatitis betrifft eine topische „Spezialregion“, nämlich eine Hautregion mit besonderer Beschaffenheit und besonderen funktionellen Eigenschaften, die sie befähigen, sich an die physiologischen regionalen Besonderheiten zu adaptieren. Gekennzeichnet ist die Anatomie der Haut der Labia majora durch ein verhornendes Plattepithel mit reichlich Haaren (Schambehaarung) sowie Talg-, ekkrine und apokrine Schweißdrüsen. Die Labia majora umschließen die nicht verhornenden Bereiche der Labia minora, des Orificiums urethrae, der Klitoris sowie den Introitus vaginae.

Vulvadermatitiden haben nicht selten einen chronischen Verlauf mit signifikanter Morbidität, die meist durch multiple Vorbehandlungen aller Art gekennzeichnet ist. So stellen auch Diagnose und Therapie eine Herausforderung für den behandelnden Arzt dar. Sie erfordern oftmals eine interdisziplinäre Zusammenarbeit, die Hausarzt, Gynäkologen und Dermatologen betrifft. Häufig ist es das Symptom „nicht stillbarer Juckreiz“, das zu Arztkonsultationen führt. So entfallen 5-10% aller Pruritusfälle auf das weibliche Genital, was die allgemeine Bedeutung dieser Erkrankungen verdeutlicht.

Einteilung

Vulvadermatitiden können wie folgt eingeteilt werden:

  • Nicht-allergische akute oder chronische Kontaktdermatitis (häufigste Dermatose der Vulva)
  • Allergische akute oder chronische Kontaktdermatitis
  • Atopische Vulvadermatitis
  • Lichen simplex chronicus Vidal

Ätiopathogenese

Auslösend sind häufig kumulativ-toxische Irritationen, seltener Kontaktallergien. Vulvadermatitiden können auch als Manifestationsform einer atopischen Dermatitis in Erscheinung treten. Eine klinische Besonderheit stellt der Lichen simplex chronicus dar, den viele als chronifizierte, lokalisierte Variante einer atopischen Dermatitis einordnen.

Einen breiten Raum bei Auslösung der Vulvadermatitis bieten kosmetische Prozeduren wie z.B. die Rasur der Schambehaarung. Manche Frauen entschuldigen sich förmlich sogar vor der Untersuchung, dass sie „gerade nicht frisch rasiert seien“.

Allergische akute oder chronische Kontaktdermatitis

Voraussetzung ist eine Sensibilisierung (Typ IV-Reaktion) auf topisch applizierte Substanzen. Hier spielen v.a. folgende Substanzen eine Rolle: 

  • Duftstoffe
  • Desinfektionsmittel
  • Antibiotika
  • Lokalanästhetika
  • Gleitmittel
  • Komponenten anderer Therapeutika

Nicht-allergische akute oder chronische Kontaktdermatitis

  • Substanzen der Hautreinigungsmittel
  • Desinfektionsmittel
  • Irritationen durch Urin oder Stuhlprodukte (besonders betroffen sind Frauen mit Inkontinenz)

Atopische Dermatitis (im Rahmen einer generalisierten atopischen Dermatitis oder (seltener) als lokalisierte Minusvariante).  Klinisch meist starke Lichenifikation der Haut, sonstige Hinweise für eine atopische Diathese.

Lichen simplex chronicus Vidal (meist lokalisierte Variante der atopischen Dermatitis; häufig keine Hinweise für atopische Diathese)

Pathophysiologie

Inflammatorische Vulvadermatosen haben nicht selten, im Vergleich zu den entsprechenden Erkrankungen an sonstigen Stellen des Körpers, ein durch die intertriginöse Regionalsituation verändertes klinisches Erscheinungsbild. Ursächlich hierfür ist das „intertriginöse Milieu der Genitalregion“, das durch Okklusion enganliegender Kleidung, durch Slipeinlagen, durch mechanische Einflüsse, durch chemisch irritierende Intimkosmetika, durch Rasuren, Wärme, Feuchtigkeit und Schweiss, durch Urin und Vaginalsekrete sowie durch ungeeignete Topika hervorgerufen wird.

Klinisches Bild

Überwiegend findet sich eine chronische pruritische Dermatitis. Der Juckreiz wird nicht selten als quälend beschrieben. Hinzu kommen Wundgefühl und manchmal auch Schmerz. Der Juckreiz manifestiert oder verstärkt sich insbesondere bei langem Sitzen mit unbequemer engliegender Bekleidung (eng anliegende Jeanshosen). Das gilt auch für Fahrradfahren. Psychischer Stress kann verstärkend wirken. So kann sich der Juckreiz in beobachteter zivilisierter Umgebung zu einem quälenden Juckreizszenario aufschaukeln.

Ungeachtet der exakten ätiologischen Provenienz kennzeichnen unscharf begrenzte schwache Erytheme, leichte Schwellungen, unterschiedlich ausgeprägte Schuppungen, auch Schuppenkrusten oder Verkrustungen sowie Kratzexkoriationen das klinische Bild der Vulvadermatitis. Bei chronischer Persistenz imponiert meist eine unterschiedlich stark ausgeprägte Lichenifikation (Sekundärphänomen hervorgerufen durch einen starken Pruritus und den nicht zu unterdrückenden Kratz-Scheuerreflex).

Diagnostik

Ergänzend zur klinisch-morphologischen Untersuchung der Vulva sollten beide Leisten, die Damm- und Analregion und ggfl. das gesamte Integument untersucht werden (z.B. bei atopischen Erkrankungen und bei V.a. Psoriasis). Will man die Vulva genauer beurteilen empfiehlt sich eine Vulvoskopie, die eine Untersuchung in 7-30facher Vergrößerung ermöglicht. Gegebenenfalls ist eine Epikutantestung nach sorgfältiger Anamneseerhebung (Intimkosmetika, Desinfektionsmittel, Reinigungsmittel, Kontrazeptiva, Kondomkomponenten) durchzuführen. Ergänzend kann bei Verdacht auf atopischer Komponente eine RAST-Diagnostik durchgeführt werden. Bei länger andauernder Symptomatik (>4 Wochen) und einem suspekten klinischen Lokalbefund ist eine histologische Abklärung mittels einer 4mm Punch-Biopsie empfehlenswert.

Differentialdiagnose

Die Differenzialdiagnose der Vulvadermatitis umfasst mehrere, meist unangenehm juckende, akute oder chronische, infektiöse oder nicht-infektiöse Dermatitiden der Vulva.

Infektionen der Vulva (rund 25% der Fälle)

Bakterielle Infektionen

  • Follikulitiden
  • Furunkel
  • Acne inversa (Hidradenitis suppurativ
  • a)
  • Streptokokken-Vulvitis im Kindesalter

Mykologische Infektionen

  • Candidosen (Abstrichuntersuchung mit Kultur)
  • Tinea genitalis (nicht selten sind der Anal- und Inguinalbereich mitbetroffen; mykologische Diagnostik)
  • Condylomata lata

Sonstige Infektionen

  • Infestationen durch Skabiesmilben (auflichtmikroskopische Diagnostik, Gangstrukturen)
  • Infestationen durch Filzläuse (lichtmikroskopischer Nachweis)
  • Condylomata acuminata
  • Lymphogranuloma venereum
  • Ulcus molle
  • Herpes simplex

Sonstige inflammatorische (pruritische) Erkrankungen der Vulva

  • Intertrigo
  • Pruritus sine materia
  • Vulvodynie
  • Fixe Arzenimittelreaktion
  • Fox-Fordycesche Krankheit
  • Hautveränderungen im Rahmen einer Psoriasis vulgaris (abzukären ist eine Psoriasis an anderen Hautpartien); seltener ist eine lokalisierte Minusvariante der Psoriasis
  • Lichen sclerosus et atrophicus
  • Lichen planus
  • Morbus Hailey-Hailey
  • Pemphigus der Vulva
  • Graft versus host disease bei Organtranspantierten
  • Langerhans-Zell-Histiozytose (sehr selten)
  • Rhagaden der Vulva
  • Urtikaria der Vulva (Mastozytom) Arik Yilmaz E et al. (2017)
  • Dermatographism with vulvar symptoms (Riviera S et al. 2021)
  • Vulvodynie

Therapie

Therapie 

 

  • Keine Rasur der Schambehaarung 
  • Meiden von Seifen, Duschgelen, Intimsprays, Meiden auslösender Noxen
  • Wechsel der Vorlagenmarke, zu empfehlen sind unbehandelte Öko-Vorlagen 
  • tägliche Pflege mit Deumavan®, Linola Schutzbalsam®, Dexeryl® oder Granatapfelöl (Weleda)
  • bei stark entzündlichen Reaktionen Clobetasol- Creme oder Fettsalbe 3-5 Tage 2x/d, gefolgt von Prednicarbat (Dermatop®) oder Methylprednisolon (Advantan®) 2x/d über eine Woche; bei chronischen Problemen auch Erhaltungsdosis 1-2x/Woche möglich 
  • Sitzbäder mit Tannolact ® oder Töpfer Kleiebad®
  • bei postmenopausaler atrophischer Vulvitis vaginale Östrogenisierung mit Estriol-Zäpfchen oder Creme, ggf. auch Estradiol-haltige Zubereitungen (Linoladiol®, Estring®)
  • bei atopischer Vulvadermatitis ist Elidel® (Pimecrolimus) eine Option 

Literatur

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