Komplementsystem (Übersicht)

Autoren:Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 20.08.2024

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Synonym(e)

Altermativer Weg der Komplementaktivierung; Klassischer Weg der Komplementaktivierung; Komplementaktivierung; Lektin-Weg der Komplementaktivierung

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Definition

Das Komplementsystem besteht aus einem System von Plasmaproteinen, das auf den Oberflächen von Mikroorganismen aktiviert werden kann. Ursprünglich wurde es als ergänzender (komplementierender) Teil der Antikörperantwort entdeckt (s.u. erworbener Immunität). Es ist jedoch auch an den Reaktionsabläufen der angeborenenen Immunität beteiligt. Das Komplementsystem besteht aus > 30 Komplementproteinen mit z.T. induzierbarer enzymatischer Aktivität sowie Rezeptorproteinen und regulatorischen Proteinen. Sie liegen  im Blutplasma gelöst oder zellgebunden vor.

Diese Proteine werden mit C und Ordnungszahl bezeichnet (z.B. C1; C2 usw.).

C3 ist hierbei eine zentrale Komponente des Komplementsystems und wird von residenten Gewebszellen wie Keratinozyten gebildet. Die einzelnene Komplementfaktoren dienen u.a. der Abwehr von Mikroorganismen (z.B. Bakterien, Pilze, Parasiten; s.a. Immundefekte primäre (Komplementdefekte) .

Durch Proteasen werden die Proteine C1 bis C5 gespalten (gekennzeichnet durch C, Ordnungszahl und Buchstaben a-s). Durch Aggregation mit den Faktoren C6 bis C9 entstehen eine Vielzahl von Proteinen und Proteinkomplexen. Zu diesen gehören z.B. die sog. Anaphylatoxine (C3a, C5a und C4a) mit gefäßerweiternder und chemotaktischer Wirkung sowie der porenbildende Membranangriffskomplex (Membrane Attack Complex = MAC).  

In allen Fällen der Komplementaktivierung wird die Kaskade mit den Komponenten C3,C5,C6,C7,C8 und C9 beendet (terminaler Weg). Die Bestimmung der Komplementfaktoren bildet einen Indikator für Immunkomplexerkrankungen mit Komplementverbrauch!

Die Komplementfaktoren selbst haben zellzerstörende Eigenschaften und können, fehlreguliert, bei einer Reihe von Krankheiten (z.B. C3-Glomerulopathien, SLE, Rheumatoide Arthritis u.a.) Gewebsschäden induzieren.

Direkt an den Signalwegen des Komplementsystem beteiligt sind folgende Proteine:

  • Komplementfaktoren C1 bis C9 (s.unter den entsprechenden Genen z.B. C2-GenC3-Gen usw.)
  • Mannose-bindendes Lektin (MBL)
  • an C1 bzw. MBL gebundene Serin-Proteasen C1r und C1s bzw. MASP-1 bis 3 (MBL-associated serine proteases).

Einteilung

3 Wege der Komplementaktivierung werden unterschieden:

  • Klassischer Weg (meist über Antikörper vermittelt)
  • Mannose-Lektin-Weg (wird über das Mannose-bindende Lektin aktiviert)
  • Alternativer Weg (Aktivierung erfolgt spontan und Antikörper-unabhängig).

Klassischer Weg der Komplementaktivierung: Hierbei wird die "C3-Konvertase des klassischen Weges" gebildet. Der Komplementfaktor C1 ist das erste Komplementprotein des klassischen Weges und besteht aus dem sechsköpfigen Kollektin C1q und jeweils zwei C1s und C1r Molekülen. C1q besitzt mehrere Bindungsdomänen für antigengebundene Antikörper (IgG und IgM). Für die Aktivierung der an C1q gebundenen Serin-Proteasen (C1r und C1s) sind 2 Ig-Fc-Regionen nötig. Daher führen frei zirkulierende Antikörper nicht zur Aktivierung (!). C1q kann auch direkt an die Oberfläche von Krankheitserregern binden und den klassischen Weg auch ohne Antikörper einleiten. Bei der klassischen Aktivierung des Komplementsystems wird neben C4a und C4b in weiterer Folge auch C4d abgespalten, das an das Endothel, an dem die Komplementreaktion stattgefunden hat, binden kann (von Bedeutung bei der leukozytoklastischen Vaskulitis). Der C1-Esterase-Inhibitor (C1-INH) verhindert eine mögliche Selbstaktivierung der C1-Proteasen und ist für einen kontrollierten Ablauf der Reaktion verantwortlich. Ein angeborener oder erworbener C1-INH-Mangel kann zu einer übermäßigen Komplementreaktion führen (s. hereditäre und erworbenes Angioödem).

Mannose-Lektin-Weg der Komplementaktivierung: Hierbei bindet das Mannose-bindende Lektin (MBL) an Mannose oder N-Acetyl-Glukosamin auf der pathogenen Oberfläche (z.B. bakterielles Peptidoglykan) und aktiviert dann die Proteasen MASP-1, MASP-2 und MASP-3. Diese katalysieren dieselben Reaktionen wie im klassischen Weg. Auch hier bilden wieder C4b und C2b ein C4b2b-Heterodimer und damit ebenfalls die "C3-Konvertase des klassischen Weges".

Alternativer Weg der Komplementaktivierung: Dieser führt zur Bildung der "C3-Konvertase des alternativen Weges". Ausgelöst wird dieser Weg durch den spontanen Zerfall des instabilen Komplementfaktors C3 in C3a und C3b. C3a und C5a diffundieren und besitzen eine chemotaktische und entzündungsauslösende Wirkung als Anaphylatoxine. C3b bindet kovalent an eine Zelloberfläche.

Unabhängig von der Art der Aktivierung ist das Produkt aller drei Wege eine, als C3-Konvertase bezeichnete, Serin-Protease auf der Oberfläche der Zielzelle. Die von ihr ausgelöste Spaltungskaskade führt zu chemotaktischer Anlockung von Leukozyten, verstärkter Phagozytose, und letztendlich zur Lyse der Zielzelle. Spaltprodukte der Komplementfaktoren C1 bis C5, die in den einzelnen Wegen entstehen, wirken zusätzlich als Anaphylatoxine und vermitteln eine Entzündungsreaktion.

Allgemeine Information

Die Hauptaufgabe des Komplementsystems besteht darin, die Oberfläche von Krankheitserregern zu bedecken, um so den Makrophagen die Zerstörung jener Krankheitserreger zu ermöglichen, die sie ansonsten nicht erkennen würden (Opsonisierung).

Daneben lösen Komplementfaktoren eine Reihe von Entzündungsreaktionen aus. Die Fragmente einiger Komplementproteine wirken chemotaktisch.

Eine weitere Funktion ist die direkte Zerstörung von Bakterien durch das "Bohren" von Poren in deren Zellmembranen. Die beiden Produkte der C5-Spaltung leiten die Bildung des sog. Membranangriffskomplex (MAC) ein (C5b), ein Proteinkomplex, der die Zielzelle unter anderem durch Porenbildung in der Zellmembran attackiert. Durch die Poren kommt es zu einem unkontrollierten Wassereinstrom, die Zelle platzt.

Weitere Komplementfaktoren wirken als Zymogene (Proenzyme, die ihrerseits durch proteolytische Spaltung aktiviert werden). Zymogene werden im Falle einer Infektion lokal aktiviert.

Genetische Defekte der Komplementfaktoren: Für alle Proteine der Komplementkaskade C1 bis C9 sind Defekte mit immunologischen Störungen beschrieben.

Im Lektin-Aktivierungsweg gibt es beschriebene Defizienzen u.a. des Mannanbindenden Lektins (MBL).

Defekte bestimmter Regulatorproteine innerhalb des Komplementaktivierungsweges führen zu ganz unterschiedlichen Erkrankungen. Das hereditäre Angioödem und das atypisch verlaufende hämolytisch-urämische Syndrom sind bekannte Beispiele für Defekte im funkionellen Ablauf Komplementsystem.

Andere Komplementdefekte (s.u. Immundefekte primäre -Komplementdefekte) führen zu definierten Störungen der bakteriellen Abwehr (rezidivierende Infektionen, insbesondere mit Neissera sp., z.B.  N.meningitides, S.pneumoniaeHämophilus influenzae Typ b). 

 

Klinisches Bild

Die klinische Wahrnehmung des Komplementmangels ist in durch klinische Symptome nicht oder nur gering ausgeprägt und beschränkt sich im Wesentlichen auf das hereditäre Angiödem, den systemischen Lupus erythematodes und auf rekurrierende (oder schwere) Infekte mit Meningokokken, bei denen ein Komplementmangel häufig ist.

Untersuchungen, die in der Labordiagnostik routinemäßig zur Überprüfung des Komplementsystems durchgeführt werden, sind:

  • Zur Differenzierung des Mangels an Komplement erfolgt die Bestimmung von CH50 oder des CAE.
  • Zur Untersuchung der Proteinkonzentration die Bestimmung von C3 bzw. C3c, C4, Faktor B und C1-INH.

Indikation zur Bestimmung von Komplementfraktionen sind:

Hinweis(e)

Die im alternativen, klassischen und Lektin-Weg gebildeten C3-Konvertasen, C3bBb und C4b2b, spalten mit hoher Aktivität C3 in C3b und C3a. Die entstehenden C3b-Moleküle haben nun im Wesentlichen drei Möglichkeiten zu fungieren:

  • Sie finden keine geeignete Oberfläche an die sie binden können und werden inaktiviert.
  • Die Moleküle lagern sich an die Zelloberfläche einer Zielzelle an und führen so zu einem weiteren "Start" des alternativen Weges. Außerdem wirken sie als Opsonine und markieren die Zielzelle als lohnendes Ziel zur Phagozytose. Einige der Moleküle binden an eine C3-Konvertase (C4b2b bzw. C3bBb). Die hierbei entstehenden Komplexe C4b2b3b und C3bBbC3b spalten nun nicht mehr C3 sondern C5, daher werden sie jetzt als "C5-Konvertasen des klassischen bzw. alternativen Weges" bezeichnet.
  • Der Membranangriffskomplex (MAC): Die beiden Produkte der C5-Spaltung wirken einerseits als Anaphylatoxin und Chemokin (C5a); andererseits leiten sie die Bildung des sog. Membranangriffskomplex (MAC) ein (C5b). Hierbei entsteht ein Proteinkomplex, der die Zielzelle unter anderem durch Porenbildung in der Zellmembran attackiert und zu ihrer Lyse führt.

Tabellen

            Bestandteile des Immunsystems
Funktion Faktor   
Bindung an Antigen-Antikörper-Komplex und Pathogenoberfläche

C1q                                                                                              

Bindung an Kohlenhydrate auf mikrobieller Oberfläche

Mannose-bindendes Lektin (MBL)

Ficoline

C1q

Properdin (Komplementfaktor P)

Aktivierung von Enzymen          

C1r

C1s

C2b

Bp

D

MASP-2

Membran-bindende Proteine und Opsonine   

C4b

C3b

proinflammatorische Mediatoren          

C3a

C4a

C5a

Membranangriffskomplex (MAC)       

C5b

C6

C7

C8

C9

Komplementrezeptoren            

CR1 (CD35)

CR2 (CD21)

CR3 (Mac-1)

CR4

C5a-Rezeptor

C3a-Rezeptor

CRIg

regulatorische Proteine              

C1-Esterase-Inhibitor (C1-INH)

C4b-bindendes Protein (C4BP)

CR1

Membrancofaktorprotein (MCP, CD46)

Complement Decay Accelerating Factor (DAF, CD55)

Komplementfaktor H

Komplementfaktor I

CD59 (Protectin)

Vitronektin

 

Autoren

Zuletzt aktualisiert am: 20.08.2024