Vaskulitis leukozytoklastische (non-IgA-assoziierte)D69.0; M31.0

Autoren:Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Konrad Heisterkamp

Alle Autoren dieses Artikels

Zuletzt aktualisiert am: 20.08.2024

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Synonym(e)

Anaphylaktoide Purpura; Arteriitis allergica cutis; Arteriolitis allergica cutis; Arteriolitis hyperergica cutis; Cutaneous leukocytoclastic vasculitis; Cutaneous small vessel vasculitis; Gougerot-Symptom; Hyperergische Vaskulitis; IgA-negative Immunkomplexvaskulitis; IgA-negative Vaskulitis; IgG-/IgM-positive Immunkomplexvaskulitis; Immunkomplexvaskulitis; leukozytoklastische Vaskulitis; nekrotisierende Vaskulitis; Non-IgA-Vaskulitis; Purpura rheumatica; Vasculitis allergica; Vaskulitis hyperergische; Vaskulitis nekrotisierende

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Erstbeschreiber

Heberden, 1802; Schönlein, 1832; Henoch, 1868

Definition

Entzündung kleiner Gefäße (small vessel vasculitis), die durch Ablagerung von zirkulierenden Immunkomplexen oder Bakterienendotoxinen in Gefäßwänden mit nachfolgender Komplementaktivierung ausgelöst wird und sich histologisch als leukozytäre Vaskulitis postkapillärer Venolen mit fibrinoider Verquellung der Gefäßwand und/oder Thromben in den Lumina darstellt (die Synonyme beschreiben meist nur Teilaspekte). Im Gegensatz zu der Purpura Schönlein-Henoch werden bei den primären IgG-/IgM-Vaskulitiden keine IgA-Immunkomplexe in den Gefäßwänden nachgewiesen.

Einteilung

Es scheint sich abzuzeichnen, dass bei den IgA-negativen leukozytoklastischen Vaskulitiden eine klinische Einteilung sinnvoll ist nach:

  • Leukozytoklastische VaskulitiS (LcV) mit systemischer Beteiligung
  • Leukozytoklastische VaskulitiS (LcV) ohne systemische Beteiligung (kutane LcV).

Beide Varianten haben eine analoge Ätiologie.

Vorkommen/Epidemiologie

Die klassische kutane Immunkomplexvaskulitis (einschließlich der "IgA-assoziierten Vaskulitiden z.B. der Purpura Schönlein) ist eine in großen dermatologischen Kollektiven häufig auftretende Erkrankung. Ihre Inzidenz wird auf 10-20/100.000/Jahr angegeben.

Ätiopathogenese

Zirkulierende Immunkomplexe können bei einem Großteil der Patienten nachgewiesen werden. Sie sind von großer ätiopathologischer Bedeutung.

Manifestation

Auftreten sowohl im Erwachsenenalter (durchschnittlich 39.-49. LJ) wie auch im Kindesalter. Frauen sind 2-3mal häufiger betroffen als Männer.

Lokalisation

Auf Grund von Stasephänomenen sind die Unterschenkel bevorzugt betroffen; bei höherer Akuität auch an Oberschenkeln oder am Rumpf an festanliegenden Kleiderkontaktstellen. Die Wahrscheinlichkeit einer systemischen Beteiligung steigt sobald die Hauterscheinungen oberhalb der Gürtellinie auftreten.   

Klinisches Bild

Das klinische Bild entspricht einer akuten chronisch-entzündlichen Systemerkrankung mit differierenden Organbeteiligungen. Klinisch-dermatologisches Leitsymptom der "Small vessel vasculitis vom leukozytoklastischen Typ" ist eine " Purpura". Das klinische Bild ist u.a. abhängig von Entwicklungsstadium, Akuität der Erkrankung und dem Ausmaß der Organmanifestatation (monorganisch oder polyorganisch bei etwa 50% der Pat.).

Zu Beginn bestehen oft vage Allgemeinsymptome mit Fieber, uncharakteristischen rheumatischen Beschwerden mit (Poly)Arthralgien, Arthritiden oder Myalgien, seltener Myositiden. Das charakteristische klinisch-dermatologische Bild der leukozytoklastischen Vaskulitis ist die Purpura mit Läsionen zwischen 0,1 cm und mehreren Zentimetern. Je nach Akuität und dem Entwicklungsstadium der Vaskulitis imponiert die Purpura durch hämorrhagische Flecken oder Papeln (palpable Purpura), begleitet durch Juckreiz, Schmerz oder Brennen. In weiteren Entwicklungsstadien können sich hämorrhagische Bläschen oder Blasen, hämorrhagische Plaques und konsekutiv Pusteln, Erosionen oder Ulzera bilden.

Labor

Akut-Phase-Reaktionen (hohe BSG, CRP, Leuko- und Thrombozytose) gehen mit der Akuität der Vaskulitis parallel. Zirkulierende Immunkomplexe (erniedrigtes Komplement: CH50, C3, Ced, C4), ggf. pathologisches Urinsediment (der Urinstatus sollte mindestens 3 x hintereinander erfolgen), Blut im Stuhl (der Hämokkult-Test sollte mindestens 3 x hintereinander erfolgen) . Als Aktivitätsparameter gelten das lösliche sIl-2 und das Faktor VIII-assoziierte Antigen (Ausmaß der Endothelschädigung). Weiterhin: Abstrichuntersuchung vom Pharynx und von Tonsillen. Labortechnisch gibt es keinen diagnostisch beweisenden Parameter. Ergänzend sind immunologische und molekularbiologische Techniken zum Ausschluss einer Hepatitis C/B einzusetzen. Mögliche Autoantikörper wie ANCA und ANA sind sowohl Aktivitäts- als auch Diagnose-assoziiert.

Histologie

In frühen Phasen Ödem der papillären Dermis. Spärliches, superfizielles, intramural und hülsenförmig perivaskulär orientiertes, entzündliches Infiltrat aus Lymphozyten, Histiozyten und apoptotisch zerfallenden neutrophilen Leukozyten (Leukozytoklasie, Kernstaub) sowie in unterschiedlichem Umfang auch eosinophile Leukozyten. Endothelzellen erscheinen epitheloid aufgequollen in das Lumen hervorspringend. Fibrin findet sich in der Gefäßwand postkapillärer Venolen. Gleichzeitg bestehen unterschiedlich dichte, perivaskuläre akzentuierte Erythrozytenextravasate. Die Exsudation kann bis zur subepidermalen Blasenbildung oder ggf. auch Pustelbildung führen. Der Verschluss von Gefäßen ergibt klinisch einen grauen Farbton im Zentrum der Läsion und kann je nach Ausdehnung zur Gewebenekrose führen, erkennbar an Spongiose und verblassenden Keratinozyten. Es scheint eine Korrelation zwischen Gewebseosinophilie und medikamentöser Auslösung der Vaskulitis zu bestehen.

Schematisierend  kann folgender Algorithmus aufgestellt werden:

 

Histopathologie der leukozytoklastischen Vaskulitis (kleinste gemeinsame Nenner:kursiv, Leitsymptome:fett) variiert n. Ratzinger et al. 2105
Akzentuiert um postkapilläre Venolen
Kapillaren ausgespart
perivaskuläre Leukozytoklasie
Schädigung von Endothelzellen
Fibrin in/im Bereich von Gefäßwänden
Perivaskuläre Extravasation von Erythrozyten
Ödem in der papillären Dermis
Kollagendegeneration
Variable Anzahl von Eosinophilen
Keine Plasmazellen oder Fibrosklerose

 

Direkte Immunfluoreszenz

Perivaskuläre IgG- und/oder IgM-Ablagerungen (im Gegensatz zur Purpura Schönlein-Henoch bei der perivaskuläre IgA-Ablagerungen auftreten).

Diagnose

Organdiagnostik: Ausschluss einer Nierenbeteiligung (sorgfältige Analyse des Urinstatus); Sonogramm mit Bestimmung der Organgröße; Beachtung neurologischer Symptome (ggf. kranielles Kernspintomogramm); HNO-Konsil und ophthalmologisches Konsil.

Differentialdiagnose

Therapie

Bei allen schweren leukozytoklastischen Vaskulitiden, die keinen selbstlimitierenden Verlauf zeigen:

  • Überwiegender oder ausschließlicher Befall der Haut: Glukokortikoide ( Prednison, 60-100 mg/Tag) als Monotherapie, bei Therapieresistenz in Kombination mit Azathioprin (100-150 mg/Tag), Reduktion nach Klinik auf niedrigst mögliche Erhaltungsdosis.
  • Alternativ bei Therapieresistenz hoch dosierte IVIG-Therapie (z.B. Intratect) 0,5-1,0 g/kg KG alle 28 Tage i.v.
  • Systembeteiligung: Glukokortikoide (Prednison 60-150 mg/Tag), evtl. in Kombination mit Cyclophosphamid (100 mg/Tag), evtl. Cyclophosphamid als Stoßtherapie (1 g als Kurzinfusion + 3 l Flüssigkeit/Tag + Mesna (Uromitexan) 200 mg i.v. oder oral. Insgesamt 3 Zyklen in 2-4 Wochen Abstand).
  • Bei schwerem Verlauf ergänzend Plasmapherese.

Externe Therapie

Symptomatisch.

Verlauf/Prognose

I.A. ist die Prognose günstig. Sie ist abhängig von der Akuität und dem Ausmaß der Innenorganbeteiligungen. In größeren Statistiken wurde über Todesfälle bei 2-3% der Pat. berichtet. Chronisch-rezidivierender Verlauf kann auf eine Kryoglobulinämie oder einen persistierenden Infekt (z.B. Hepatitis C) hinweisen.

Hinweis(e)

Zur Unterscheidung von der Purpura Schönlein-Henoch (PSH) dienen:
  • Fehlende Ablagerungen von IgA
  • Alter > 20 Jahre
  • Auftreten von eosinophilen Leukozyten im Infiltrat
  • Geringere Beteiligung des Intestinaltraktes.

Literatur

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