Synonym(e)
Erstbeschreiber
Der erste Bericht über dieses Syndrom stammt von dem österreichischen Ophthalmologen Joseph Beer aus dem Jahr 1807. Ernst Fuchs war jedoch der erste, der 1896 den Begriff "Blepharochalasis" (aus dem Griechischen: "Erschlaffung der Augenlider") verwendete.
Definition
Das Blepharochalasis-Syndrom (BS) ist eine seltene Erkrankung, die durch wiederkehrende Episoden eines periokulären Ödems gekennzeichnet ist.
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Vorkommen/Epidemiologie
Aufgrund der Seltenheit dieses Syndroms sind keine genauen epidemiologischen Daten verfügbar. Die verfügbaren Informationen beruhen hauptsächlich auf Fallberichten oder kleinen Fallserien.
Ätiopathogenese
Es gibt mehrere Theorien für die Ätiologie das Blepharochalasis-Syndrom. Die endgültige Klärung steht jedoch noch aus. Obwohl die Mehrzahl der Fälle auf das Augenlid beschränkt ist, gibt es Berichte über Blepharochalasis in Verbindung mit anderen systemischen Anomalien. Einige Autoren haben daher die Vermutung geäußert, dass die Blepharochalasis Teil einer komplexeren systemischen Störung sein könnte (Ortiz-Perez S et al. 2024).
Diskutiert werden Hormoneinflüsse, Allergien, lokalisierte Formen der Cutis laxa sowie idiopathische Angioödeme. Histopathologische Studien deuten auf ein immunologisches Geschehen mit Ablagerungen von Immunglobulin (IgA) (Motegi S et al. 2014; Paul M et al. 2017; Grassegger A et al. 1996).
Pathophysiologie
Die Pathophysiologie der BS ist noch nicht geklärt. Die histopathologischen Untersuchungen zeigen im akuten Stadium lediglich eine Flüssigkeitsextravasation. Wiederholte Episoden der Hautdehnung führen zur Fragmentierung und schließlich zum Verlust der elastischen Fasern. Das Vorhandensein von Ig A-Ablagerungen in der Dermis und perivaskulären Entzündungszellen, die in mehreren Studien beschrieben wurden, deuten jedoch auf eine mögliche Immunreaktion.
Manifestation
Das Blepharochalasis-Syndrom beginnt in der Regel in der Kindheit oder Pubertät. Das Durchschnittsalter bei Krankheitsbeginn beträgt 11,4 Jahre (Koursh DM et al. 2009). Die Schübe wiederholen sich über einige Jahre hinweg alle 3 bis 4 Monate und werden mit zunehmendem Alter seltener. Schließlich hören die Entzündungsschübe auf, und die Krankheit geht in ein Ruhestadium über.
Klinisches Bild
Die akute Phase dauert Stunden bis Tage (durchschnittlich 2 Tage). In dieser Phase kommt es zu einem schmerzlosen Ödem meist kombiniert mit einem Erythem. Der Patient kann auch über ein „rotes Auge“ und Tränenfluss klagen. Wiederholte Episoden von Augenlidschwellungen führen zu einem sehr charakteristischen Erscheinungsbild der Augenlider und des periokulären Bereichs mit Oberlidpontose, faltiger, verfärbter und atrophischer Haut mit erweiterten sichtbaren subkutanen Gefäßen.
Im Spätstadium der Erkrankung kann es zu einer Störung der Insertion der ligamentären Strukturen des lateralen Canthus kommen, was zu einem abgerundeten lateralen Winkel und sogar zu einer Verkürzung der horizontalen Lidspalte führt (bekannt als erworbene Blepharophimose). Mit dem Fortschreiten der Levator-Aponeurosen-Dehiszenz wird die Oberlid-Ptose deutlicher, vor allem im medialen Bereich, und die Schwächung des Orbitaseptums begünstigt bei einigen Patienten den Prolaps des Orbitafetts und der Tränendrüse.
Die Blepharochalasis kann auch als Teil einer systemischen Erkrankung auftreten. Die häufigste Assoziation besteht mit dem Ascher-Syndrom (Blepharochalasis, Doppellippe und nicht-toxische Schilddrüsenvergrößerung) oder der erworbenen Cutis laxa (redundante Haut, Skelettanomalien und multiorganische Beeinträchtigungen).
Labor
Bluttests, einschließlich Blutbild, zirkulierendes Ig, C-reaktives Protein, C3, C4 und C1-Esterase-Inhibitor, wurden bei diesen Patienten als normal berichtet.
Histologie
Der gemeinsame Befund in diesen Proben ist der Verlust elastischer Fasern der Dermis. IgA-Antikörperablagerungen können mittels Immunfluoreszenz nachgewiesen werden. Eine positive immunhistochemische Färbung für die Metalloproteinasen MMP-3 und MMP-9 wurde ebenfalls festgestellt. Weitere Befunde sind Atrophie verschiedener Strukturen der Dermis, zunehmende Anzahl und Durchmesser der Hautkapillaren, perivaskuläre entzündliche Infiltrate und Pigmentierung in der papillären und oberen retikulären Dermis (Koursh DM et al. 2009).
Differentialdiagnose
Verschiedene Entitäten können der BS ähneln. In der akuten Phase kann die Differentialdiagnose schwierig sein, insbesondere wenn entzündliche Schübe auftreten, da alle verschiedenen Ursachen für akute und akut-chronische Lidschwellungen in Betracht gezogen werden müssen:
- Allergische Reaktionen (kontaktallergische Dermatitis)
- Lokale Infektion/Entzündung des Augenlids (z.B. Chalazion)
- Entzündung der Augenhöhle
- Angioödem (erworbenes)
- Melkersson-Rosenthal-Syndrom
In der Ruhephase:
- Dermatochalasis
- Syndrom der schlaffen Augenlider
- Oberlid-Ptose
- Erworbene Cutis Laxa
- Augenlid-/Orbitaltumoren
Therapie allgemein
Es gibt keine genau definierten Protokolle zur Behandlung von Entzündungsschüben. Mehrere Autoren berichten über gute Ergebnisse bei der Verwendung von Steroiden, sowohl systemisch als auch topisch. Andere Immunsuppressiva, wie Tacrolimus, wurden zur topischen Behandlung eingesetzt (Razmi T M et al. 2018).
Karakonji et al. berichteten über eine Verbesserung des akuten Stadiums bei zwei Patienten mit BS durch orales Doxycyclin, das auf seinen Eigenschaften als Matrix-Metalloproteinase-Inhibitor beruht. Schließlich wurde in zwei Fallserien über orales Acetazolamid mit guten Ergebnissen berichtet. Die Begründung für den Einsatz dieses Diuretikums beruht auf der Annahme, dass es sich bei BS um eine lokalisierte Form des Angioödems am Augenlid handelt (Lazaridou MN et al. 2007).
Operative Therapie
Die Behandlung von BS basiert meist auf einer Operation zur Behebung der Komplikationen. Die chirurgischen Techniken sollten je nach Fall kombiniert werden. Blepharoplastik, Ptosis-Chirurgie und Canthus-Chirurgie sind bei diesen Patienten aufgrund der besonderen Veränderungen im periokularen Gewebe Mittel der Wahl.
Verlauf/Prognose
Der natürliche Krankheitsverlauf der BS ist gut bekannt, obwohl eine große Vielfalt an Präsentationen in Bezug auf die Anzahl der Schwellungsattacken und die Dauer des Frühstadiums beschrieben wurde. Abhängig davon können die Anzahl und der Schweregrad der Komplikationen bei jedem Patienten unterschiedlich sein. Auch die Auswirkungen einer Operation auf die Möglichkeit von Rezidiven sind nicht bekannt (Ortiz-Perez S et al. 2024).
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LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio
- Collin JR (1991) Blepharochalasis. A review of 30 cases. Ophthalmic Plast Reconstr Surg 7:153-157.
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- Ghose S et al. (1984) Blepharochalasis with multiple system involvement. Br J Ophthalmol 68:529-532.
- Grassegger A et al. (1996) Immunoglobulin A (IgA) deposits in lesional skin of a patient with blepharochalasis. Br J Dermatol 135:791-795.
- Karaconji T et al. (2012) Doxycycline for treatment of blepharochalasis via inhibition of matrix metalloproteinases. Ophthalmic Plast Reconstr Surg 28:e76-78.
- Koursh DM et al. (2009) The blepharochalasis syndrome. Surv Ophthalmol 54:235-244.
- Lazaridou MN et al. (2007) Oral acetazolamide: A treatment option for blepharochalasis? Clin Ophthalmol 1:331-333.
- Motegi S et al. (2014) Blepharochalasis: possibly associated with matrix metalloproteinases. J Dermatol 41:536-538.
- Ortiz-Perez S et al. (2024) Blepharochalasis Syndrome. 2023 Jul 31. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing. PMID: 32809455.
- Paul M et al. (2017) Blepharochalasis: A rare cause of eye swelling. Ann Allergy Asthma Immunol 119:402-407.
- Razmi T M et al. (2018) Blepharochalasis: 'drooping eyelids that raised our eyebrows'. Postgrad Med J 94:666-667.
- Zhao ZL et al. (2019) Ascher syndrome: a rare case of blepharochalasis combined with double lip and Hashimoto's thyroiditis. Int J Ophthalmol 12:1044-1046.
Verweisende Artikel (1)
Morbus Morbihan;Weiterführende Artikel (5)
Angioödeme erworbene; Chalazion; Cutis laxa (Übersicht); IgA; Melkersson-Rosenthal-Syndrom;Disclaimer
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