Synonym(e)
Definition
Berufskrankheit "Plattenepithelkarzinome oder multiple aktinische Keratosen der Haut durch natürliche UV-Strahlung". Mit der Novellierung der Berufskrankheitenverordnung (BKV) wurde zum 1. Januar 2015 die BK-Nr. 5103 als neue Berufskrankheit in die Liste der Berufskrankheiten aufgenommen. Die Empfehlungen zur Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wurde von der Arbeitsgruppe „Bamberger Empfehlungen „ erarbeitet.
Die BK-Nr. 5103 wird durch die Erkenntnis begründet, dass es zu einer Verdopplung der Hautkrebsrate (Plattenepithelkarzinomen oder multiple aktinische Keratosen) kommt, wenn neben der privaten (nicht versicherten) natürlichen UV-Exposition zusätzlich eine 40% berufliche (versicherte) UV-Exposition hinzukommt. Dies entspricht etwa 30% der Lebenszeitbestrahlung.
Wird diese Schwelle überschritten, kann die Erkrankung aus Sicht der Expositionserfassung als Berufskrankheit anerkannt werden.
Einteilung
Die BK-Nr.5103 bezieht sich auf epitheliale Hauttumoren wie: Plattenepithelkarzinome (BK 5103) inklusive des Bowenkarzinoms und deren Frühformen (Carcinomata in situ), jedoch nicht auf Basalzellkarzinome. Basalzellkarzinome erfüllen derzeit nicht die Voraussetzungen der BK-Nr. 5103). Aktinische Keratosen sind als Carcinomata in situ anzusehen. Der Morbus Bowen ist einer aktinischen Keratose gleichzusetzen. Das Bowenkarzinom gilt versicherungsrechtlich als Plattenepithelkarzinom.
MDE bei BK 5103 in % | |||
---|---|---|---|
Tumortyp | Krankheitsaktivität-/intensität | ||
keine/gering | mittelgradig | hochgradig | |
Multiple aktinische Keratosen/Feldkanzerisierung | <10 | <10 | 10 |
Plattenepithelkarzinome (+ggf. weitere aktinische Keratosen und/oder Feldkanzerisierung | <10 | 10 | 20 und >20 |
Bemerkung: Als multipel gelten aktinische Keratosen > 5/Jahr einzeln oder konfluierend zu einer Fläche > 4qcm
Beurteilung der Krankheitsaktivität bei multiplen aktinischen Keratosen und/oder Feldkanzerisierung | |
keine/gering | Neuauftreten von < 6 aktinischen Keratosen innerhalb von 12 Monaten |
mittelgradig | Neuauftreten von 6-12 aktinischen Keratosen innerhalb von 12 Monaten oder Bestehen einer Feldkanzerisierung von 40-50 qcm |
hochgradig | Neuauftreten von > 20 aktinischen Keratosen innerhalb von 12 Monaten oder Bestehen einer oder mehrerer (klinisch sichtbaren, relevanten) Feldkanzerisierung von in der Summe > 50 qcm |
Beurteilung der Krankheitsaktivität bei Plattenepithelkarzinomen und ggf. auch weiteren aktinischen Keratosen und/oder Feldkanzerisierung | |
keine/gering |
Zustand nach Behandlung von einem oder mehreren Plattenepithelkarzinomen (PEK`s) und
|
mittelgradig |
Zustand nach Behandlung von einem oder mehreren Plattenepithelkarzinomen und zusätzlich entweder
|
hochgradig |
Zustand nach Behandlung von einem oder mehreren Plattenepithelkarzinomen und zusätzlich entweder
|
Bemerkung: Die rechtlichen Voraussetzungen für die Anerkennung von Basalzellkarzinomen sowie von Melanomen als Folge natürlicher oder künstlicher UV-Strahlung als BK-Nr. 5103 liegen zur Zeit nicht vor.
Bei der Bemessung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MDE) bei berufsbedingten Hautkrebserkrankungen wird die individuelle gesundheitliche Beeinträchtigung und deren Auswirkung auf die Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bewertet. Bei der Beurteilung der MDE ist die Krankheitsaktivität/-intensität und die ggf. aus einer verminderten UV Lichtverträglichkeit resultierende Einschränkung der Arbeitsmöglichkeiten von Bedeutung (betrifft BK-Nr. 5102).
Weiterhin sind für arbeitsbedingte Hautkrebserkrankungen Beeinträchtigungen zu berücksichtigen, die über eine Funktionseinschränkung hinausgehen (BSG Urteil vom 20.6.2004; AZ:B2U14/03R). Hierzu zählen Aspekte der Genesungszeit, eine mögliche Dauertherapie, ein therapiebedürftiges Schmerzsyndrom, Anpassung und Gewöhnung an den gegebenenfalls reduzierten Allgemeinzustand, eine notwendige Schonung zur Stabilisierung des Gesundheitszustandes, psychische Beeinträchtigungen, soziale Anpassungsprobleme, sonstige psychosomatische Bewältigungsprobleme.
Für den ärztlichen Gutachter sind das klinische Bild, der Verlauf und aktenkundig dokumentierte Befunde der behandelnden Ärzte (v.a. histologische Befunde) maßgeblich. Neu auftretende Hautveränderungen sind zu überprüfen, inwieweit sie als Folge der beruflich bedingten Exposition aufgetreten sind, oder ob andere Faktoren im Vordergrund standen. In die MDE fließen weiterhin kosmetische Entstellungen oder deutliche funktionelle Einschränkungen durch die operative Entfernung der Tumoren sowie eine ggf. aufgetretene Metastasierung mit ein.
Der Grad der MDE ist grundsätzlich unabhängig:
- vom bisher ausgeübten Beruf
- vom bisherigen Qualifikationsniveau
- vom Alter und Geschlecht des Geschädigten
- von den Wohnortverhältnissen des zu Begutachtenden
Damit der Unfallversicherungsträger den Zusammenhang zwischen Hautkrebserkrankung und den beruflichen Einwirkungen überprüfen kann, wird der Hautarzt nach Erstattung der Berufskrankenanzeige in der Regel dazu aufgefordert, einen Hautkrebsbericht (Formular F6120-5103) zu erstatten. Bei bestehendem Behandlungsauftrag wird ebenfalls auf Anforderung des Unfallversicherungsträgers einmal jährlich ein Nachsorgebericht (Formular 6122-5103) erstattet.
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Vorkommen/Epidemiologie
Die 10 Berufe mit den höchsten UV-Strahlenbelastung** (Extrapolierter Jahresexpositionswert in SED*)
- Kanalbauer (581)
- Steinbrecher (531)
- Dach-und Fassadenbauer (494)
- Zimmerer (474)
- Straßenbauer (469)
- Betonbauer (457)
- Dachdecker (444)
- Maurer (435)
- Stahlbaumonteure (434)
- Obst-und Gemüsebauer (395)
*SED = Standard-Erythemdosis – 1 SED reicht aus, um beim Hauttyp 1 (= helle Haut, rötliches Haut) Sonnebrand auszulösen
**Daten nach Angaben der DGUV: DGUV (Juli 2016)
Therapie
Ein Patienteninformationsblatt über die "Meldung einer Hautkrebserkrankung durch Sonnenlicht im Arbeitsleben an den Unfallversicherungsträger" kann bei der Arbeitsgemeinschaft für Berufs- und Umweltdermatologie abgerufen werden: http://abd.dermis.net/content/e03abd/e10diensteinfo/e1114/Patinfo_Hautkrebs_2015.pdf.
Die Berechnung der beruflichen Bestrahlung erfolgt nach der sog. Wittlich´schen Formel. Die Ermittlung der Exposition im BK- Feststellungsverfahren erfolgt in der Regel durch den Präventionsdienst (PD) des jeweils zuständigen UV-Trägers.
Für die Ermittlung der arbeitsbedingten UV-Exposition durch die Sonne wurde vom Institut für Arbeitsschutz der Deutschen gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) eine "Technische Information„ herausgegeben. Diese enthält detaillierte Informationen zur Berechnung der natürlichen, arbeitsbedingten UV-Strahlungsexposition und ist auf den Seiten des IFA abrufbar (www.dguv.de/dghv/ifa/fachinos/strahlung/optische-strahlungg-idex.jsp)
Für die Kausalitätsbewertung ist die gesamte, lebenslange UV-Strahlenexposition bis zum Beginn der Hautkrebserkrankung von Bedeutung. Es ist daher notwendig, zusammen mit Art, Umfang, Intensität und Dauer der arbeitsbedingten Exposition gegenüber UV-Strahlung auch die nichtarbeitsbedingte UV-Exposition zu ermitteln.
Hauttypen: Das Vorliegen eines bestimmten Lichthauttyps nach Fitzpatrick ist für die versicherungsrechtliche Beurteilung grundsätzlich ohne Bedeutung. Bei §3-BKV Maßnahmen kann der Hauttyp jedoch bei der Frage nach geeigneten Hautschutzmaßnahmen eine Rolle spielen.
Konkurrierende Faktoren und Risikofaktoren: Für eine versicherungsrechtliche Situation können bei der Entstehung von Hautkrebsarten Risikofaktoren (genetische Faktoren, Pigmentstörungen, längerdauernde medikamentöse Immunsuppression u.a.) eine Rolle spielen. Es wird empfohlen, ein über 10 Jahre reichendes, rückwirkendes Krankheitsdossier zu erstellen. Die private (nicht versicherte) UV-Exposition errechnet sich dabei als Produkt aus dem Alter des Versicherten zum Zeitpunkt der gesicherten Erstdiagnose und der durchschnittlichen UV-Jahresbestrahlung.
Hierbei wird die SED (Standard Erythemen-Dosis) als Maßstab herangezogen. 1 SED entspricht 100J/qm. Als durchschnittliche Jahresbestrahlung der deutschen Bevölkerung gilt ein Wert von 130 SED. Für die photobiologische (hier kanzerogener Effekt) Wirkung der UV Strahlen sind in deren Strahlenintensität (ausgedrückt als Bestrahlungsstärke E), die Höhe der UV Exposition (Bestrahlung H) und ihre Wellenlänge von Bedeutung. Für die versicherungsrechtliche Situation der BK-5103 spielt ausschließlich die natürliche UV-Strahlung der Sonne, nicht dagegen UV-Strahlung aus künstlichen Quellen (z.B. Schweißen oder UV-Härtung u.a.) eine Rolle.
Bei der Exposition gegenüber natürlicher UV-Strahlung wird die Bestrahlungsstärke von folgenden Faktoren beeinflusst:
- von der Jahreszeit (im Sommer höher als im Winter)
- von der Tageszeit (in der Mittagszeit bei hohem Sonnenstand ist die Bestrahlungsstärke am höchsten)
- vom geographischen Breitengrad (Zunahme der Mittagssonnenhöhe je näher am Äquator)
- von der Ortshöhe (Zunahme der Bestrahlungsstärke je höher der Bestrahlungsort)
- vom Umfeld (Zunahme der Reflektion durch Schnee, hellen Sand, trockenen Beton; Abnahme durch schattiges Gelände)
Checkliste für die Prüfung einer Hautkrebserkrankung nach UV-Exposition (DGUV-Arbeitshilfe „Hautkrebs durch UV-Strahlung“
Voraussetzung, zwingend erforderlich
- Plattenepithelkarzinom, Bowen-Karzinom, Morbus Bowen, multiple aktinische Keratosen, wenn möglich histologisch gesichert
- Lokalisation der Erkrankung passt zur beruflichen Exposition
- arbeitsbedingte Belastungen (nach Art, Dauer, Intensität, Umfang) entsprechen mindestens 40% der nicht-arbeitsbedingten (privaten) Belastung
Ergänzende Voraussetzungen
- Zeichen chronischer Lichtschäden im betroffenen Areal
- Zeichen chronischer Lichtschäden nur in arbeitsbedingt exponierten Arealen
- übliche UV-Strahlenbelastung in Freizeit
- übliche UV-Strahlenbelastung im Urlaub
- Sonnenbrände bei beruflicher Tätigkeit
- kaum außerberufliche Sonnenbrände
§3-Maßnahmen und Heilbehandlungen
Durch Präventionsmaßnahmen kann ein wirksamer Schutz gegen eine UV-Exposition erreicht werden. In der Folge wird so dem Entstehen, der Verschlimmerung oder dem wieder Aufleben einer Hautkrebserkrankung im Sinne dieser Arbeitshilfe entgegengewirkt.
Die Pflicht, Versicherte vor den Folgen von natürlicher und künstlicher UV-Strahlung zu schützen, liegt grundsätzlich bei dem Arbeitgeber (§3 ArbSchG). Hierbei sind die besondere Veranlagung sowie Vorschäden der Versicherten angemessen zu berücksichtigen.
Die Unfallversicherungsträger werden nachrangig tätig. Sie ergreifen erst dann Maßnahmen gemäß §3 BKV, wenn für Versicherte die konkrete Gefahr besteht, dass eine (Wie- oder Quasi-) Berufskrankheit „Hautkrebs“ entsteht, wieder auflebt oder sich verschlimmert.
Hierbei sind individuelle Präventivmaßnahmen angezeigt. Die Kosten der (haut-) ärztlichen Behandlung können dagegen im Regelfall erst mit Anerkennung einer Berufskrankheit übernommen werden. Der Zeitpunkt der Kostenübernahme ist dem Arzt mit Behandlungsauftrag mitzuteilen. Bis dahin erfolgt die ärztliche Behandlung einschließlich der erforderlichen Nachsorge entsprechend Paragraph 11 Abs.5 SGB V zu Lasten der jeweiligen Krankenversicherung.
Hinweis(e)
Für Basalzellkarzinome und Melanome liegt derzeit keine ausreichende Evidenz vor, dass durch berufliche solare UV-Expostion eine wesentliche Erhöhung des Erkrankungsrisikos beesteht.
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio
- Bauer A et al. (2016) Hautkrebs als Berufserkrankung. Hautarzt 67: 884-890
- Braakhuis BJ et al. (2003) A genetic explanation of Slaughter's concept of field cancerization: evidence and clinical implications. Cancer Res 63: 1727-1730
- Diepgen TL et al. (2015) Minderung der Erwerbsfähigkeit bei BK 5103 „ Plattenepithelkarzinome oder multiple aktinische Keratosen der Haut durch natürliche UV-Strahlung „Dermatologie in Beruf und Umwelt" 63: 3-7
- DGUV-Arbeitshilfe "Hautkrebs durch UV-Strahlung". www.dguv.de/ifa
- Slaughter DP et al. (1953) Field cancerization in oral stratified squamous epithelium; clinical implications of multicentric origin. Cancer 6: 963-968
Verweisende Artikel (7)
Berufskrankheiten; Berufskrankheitenliste; BK 5101; BK 5103; BK-Anzeige; Feldkanzerisierung; Hautkrebs berufsbedingter;Weiterführende Artikel (9)
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