Synonym(e)
Definition
Unter Malassimilation (von lateinisch: malus – schlecht, und assimilare – angleichen) wird eine akute, meist jedoch chronische, polyätiologische Verdauungsstörung verstanden, die durch die Unfähigkeit des Organismus entsteht, bestimmte Bausteine und Elemente (z.B. Mineralstoffe, Vitamine, Spurenelemente, Proteine) aus der Nahrung aufzuspalten und zu verwerten. Die Folge sind chronische Diarrhö/Steatorrhö, Gewichtsverlust und Mangelsyndrome durch Verluste oral zugeführter lebenswichtiger Nährstoffen über die Stuhlausscheidungen.
Die klinischen Symptome des Mangelzustandes machen sich durch pathologische Veränderungen an unterschiedlichen Organen bemerkbar.
Ätiopathogenese
Ätiologie:
Grundsätzlich lassen sich die Ursachen des Malassimilationssyndroms in 2 Hauptgruppen einteilen:
Maldigestion (K30) ist definiert als mangelhafte Enzym- und Gallensekretion mit konsekutiver Störung der Hydrolyse von Kohlenhydrat, Eiweiß und Fett in niedermolekulare Spaltprodukte bzw. mit Störung der Emulgierung von Fetten. Ursachen der Maldigestion sind:
Gestörte Nährstoffverdauung
- Mangel an Verdauungsenzymen (Exokrine Pankreasinsuffizienz: Chronische Pankreatitis, Mukoviszidose, Pankreasresektion).
- Inaktivierung von Verdauungsenzymen: Zollinger-Ellison-Syndrom
Gestörte Fettemulgierung
- Verminderte Gallensäuresynthese (z.B. Leberzirrhose)
- Gestörte Gallensäuresekretion (Cholestase z.B. Verschlussikterus oder intrahepatische Cholestase)
- Verminderte konjugierte Gallensäure (bakterielle Überwucherung bei Dünndarmdivertikulose, Bildsacksyndrom, Motilitätsstörungen des Dünndarms z.B. bei systemischer Sklerose)
- Vermehrter Gallensäureverlust (syn.: Gallensäureverlust-Syndrom) bei Resektion des terminalen Ileums oder bei Morbus Crohn
Malabsorption (K90.9) ist definiert als Störung der Aufnahme von Spaltprodukten der Nahrung aus dem Darmlumen in die Blut- und Lymphbahnen. Ursachen der Malabsorption sind:
-
Erkrankungen der Dünndarmmukosa
- Disaccharid-Mangel (Laktoseintoleranz)
- Aminosäuretransportstörung (Hartnup-Erkrankung)
- Schleimhautatrophie (glutensensitive Enteropathie = Zöliakie, tropische Sprue)
- Entzündliche Infiltrationen des Dünndarms (Morbus Whipple, Morbus Crohn mit Dünndarmbeteiligung, Dünndarminfektionen, Parasitosen, eosinophile Gastroenteritis, Zustand nach Röntgenbestrahlungen)
- Verminderung der Resorptionsfläche (Dünndarmresektionen mit Ausbildung eines Kurzdarmsyndroms, Kurzschlussverbindungen z.B. Gastroileostomie, Blindsacksyndrom)
- Verminderung der Kontaktzeit (Hormon-aktive Tumoren: Zollinger-Ellison-Syndrom, VIPom = Verner-Morrison-Syndrom, neuroendokrine Tumoren des Dünndarms, Hyperthyreose, diabetische Enteropathie, Morbus Addison, generalisierte Mastozytose, Amyloidose)
-
Störungen des Nahrungsabtransportes
- Abetalipoproteinämie =gestörte Bildung von Chylomikronen
- Ischämie: Störungen der enteralen Durchblutung mit Angina intestinalis = Ischämie
- Obstruktion der Lymphgefäße: Intestinale Lymphangiektasie, enterale Lymphome enterale Tuberkulose, Lymphknotenmetastasen.
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Klinisches Bild
Eiweißmangel: Bei einer Serumalbuminkonzentration von < 2,5g/dl bilden sich hypoproteinämische Ödeme im Bereich der Extremitäten, evtl. Pleuraergüsse und Aszites aus. Weiterhin kann sich eine Kachexie einstellen.
Kohlenhydratmangel: Gärungsstühle, geblähtes Abdomen, Flatulenz, niedrige Glukosespiegel nach oralem Glukosetoleranztest.
Mangel an fettlöslichen Vitaminen: Vitamin A, Vitamin D, Vitamin E, Vitamin K.
- Vitamin-A-Mangel: Nachtblindheit, verminderte Tränensekretion (Konjunktivitis sicca), trockene Haut, Hyperkeratose (Phrynoderm).
- Vitamin-D-Mangel: Führt bei Kleinkindern zur Rachitis, bei Erwachsenen zu Knochenschmerzen und Osteomalazie.
- Vitamin-K-Mangel: evtl. Hämatombildung und vermehrte Blutungsneigung, aufgrund verminderter Gerinnungsfaktoren für den Prothrombinkomplex ( Faktor II, Faktor VII, Faktor IX, Faktor X). Charakteristisch ist ein Abfall des Quick-Wertes.
Kaliummangel: allg. Schwäche und Rhythmusstörungen.
Kalziummangel: Gefahr der Tetanie, Parästhesien, sekundärem Hyperparathyreoidismus und Oxalatnierensteinen, da vermindert Kalzium zur intraluminalen Bindung zur Verfügung steht und somit vermehrt Oxalat rückresorbiert wird.
Eisenmangel: hypochrome, mikrozytäre Anämie, Glossitis und Mundwinkelrhagaden.
Vitamin-B12/ Folsäuremangel: Mit Ausbildung einer makrozytären, hyperchromen Anämie und neurologischen Symptomen.
Evtl. sekundäre endokrine Störungen (z.B. Amenorrhö)
Symptome der ursächlichen Erkrankungen die zur Malassimilation geführt hat z.B. Symptome der chronischen Pankreatitis, Symptome der Cholestase, Symptome des M. Crohn.
Diagnose
Typische klinische Symptomatik (Nahrungsmittelunverträglichkeiten und Operationen, Stuhlinspektion mit Kontrolle von Farbe, Konsistenz, Geruch usw.)
Routinelabor: Blutbild, Serumeisen, Ferritin, Kalzium, Magnesium, Albumin, INR (Quickwert),
Zeichen der Maldigestion (Erfassung des Stuhlfettgehaltes: normal < 7g/Tag, Erfassung des Stuhlgewichtes: normal < 300g/Tag, Zeichen einer Steatorrhö: Serumkarotin und Vitamin-A-Spiegel sind erniedrigt.
Zeichen der Malabsorption (D-Xylose-Test: Hierbei werden 25g Xylose oral verabreicht und die Xylose-Konzentration im 5 h-Sammelurin sowie im Serum bestimmt; bei einem Malabsorptionssyndrom wie z.B. bei der Sprue ist die Xylose-Konzentration im 5h-Sammelurin < 4g)
Therapie allgemein
Bei exokriner Pankreasinsuffizienz: Enzymsubstitution.
Bei zugrunde liegender entzündlicher oder neoplastischer Dünndarmerkrankung entsprechende Therapie der Grunderkrankung.
Bei glutensensitiver Enteropathie: glutenfreie Diät.
Bei Laktasemangel: Laktose-arme Diät.
Perenterale Substitution der Stoffe die mangelhaft resorbiert werden. Z.B. Substitution von fettlöslichen Vitaminen (A,D,E,K), Vitamin B12, Eisen u.a.
Hinweis(e)
Bei Maldigestion sind Fett-und Eiweißaufnahme gestört, in geringerem Umfang die Kohlenhydrataufnahme (Wirkung der Speichelamylase).
Die meisten Nahrungsstoffe werden nach enzymatischer Aufspaltung bereits im proximalen Dünndarm resorbiert. Ausnahme: Vitamin B12 und Gallensäuren werden ausschließlich im terminalen Ileum resorbiert. Im Kolon werden nur noch Wasser und Elektrolyte resorbiert.
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio
- Bang Jørgensen B et al. (1991) Short report: lipid and vitamin B12 malassimilation in pancreatic insufficiency. Aliment Pharmacol Ther 5:207-210.
- Brăgelmann R et al. (1996) Nutrient malassimilation following total gastrectomy. Scand J Gastroenterol Suppl 218:26-33.
- Heckl S et al.(2016) Evidence of impaired carbohydrate assimilation in euthyroid patients with Hashimoto's thyroiditis. Eur J Clin Nutr 70:222-228.
- Kleine-Tebbe J et al. (2016) Food Allergy and Intolerance : Distinction, Definitions and Delimitation. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 59:705-722.
Verweisende Artikel (1)
Phrynoderm;Weiterführende Artikel (12)
Faktor IX; Faktor VII; Laktoseintoleranz; Malabsorption; Maldigestion; Morbus Crohn, Hautveränderungen; Phrynoderm; Vitamin B12; Vitamin B12-Mangel; Vitamin D-Mangel; ... Alle anzeigenDisclaimer
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