Synonym(e)
Definition
Oralstreptokokken gehören zur natürlichen Mundraumflora des Menschen. Von den zwölf Arten der Gattung Streptococcus, die unter dem Begriff Oralstreptokokken zusammengefasst werden, stellt Streptococcus mutans als Haupterreger von Zahnkaries die einzige Spezies dar, die für den Menschen als pathogen eingestuft werden muss.
Darüber hinaus finden sich Oralstreptokokken aber auch im Intestinaltrakt in der Vagina. Ihre Systematik und Nomenklatur ist im Fluss. Die meisten Oralstreptokokken besitzen kein Antigen der Lancefield-Gruppierung.
Viele haben alpha-hämolytische Eigenschaften. Sie werden deswegen auch als „vergrünende Streptokokken“ oder „Viridans-Streptokkken“ bezeichnet. Die Vergrünung ist jedoch nicht obligat. Einige Arten zeigen keinerlei Hämolyse (gamma-Hämolyse).
Orale Streptokokken haben in der Medizin neben der Kariesbildung folgende pathologische Bedeutung:
- Sie sind zu >50% Ursache bakterieller Endokarditiden
- Sie sind die häufigsten Appendizitiserreger (Hof H et al. 2019)
Gelangen Oralstreptokokken aus ihrem natürlichen Lebensraum in andere Regionen des menschlichen Körpers, können sie dort jedoch ein beachtliches pathogenes Potenzial entfalten und schwere Infektionen verursachen. Wie Oralstreptokokken die Abwehrmechanismen des menschlichen Immunsystems umgehen, im Blutkreislauf persistieren und Gewebestrukturen des menschlichen Körpers kolonisieren, ist bis heute nur teilweise bekannt. Dabei stellt die Mundhöhle mit durchschnittlich 109Bakterien pro Milliliter Speichel neben dem Dickdarm die am dichtesten besiedelte Körperregion dar.
Einteilung
Zu den Oralstreptokokken gehören:
„Salvariusgruppe“ (Darmstreptokokken)
- S.salvcarius
- S.bovis
„Mutansgruppe“
- S.mutans
- S.cricetus
„Milleri-Gruppe“
- S.anginosus
- S.constellatus
- S.intermedius
“Oralisgruppe”
- S. mitor
- S.mitis
- S.sanguis
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Allgemeine Information
In der Mundhöhle eines Erwachsenen lassen sich 500 bis 700 verschiedene bakterielle Spezies nachweisen, von denen einige Mitglieder der Gattung Streptococcus am häufigsten isoliert werden. Diese zur Gruppe der Oralstreptokokken zusammengefassten Spezies kolonisieren als Kommensale alle Bereiche der menschlichen Mundhöhle. Die ständige Auseinandersetzung mit dem Immunsystem des Wirtes und kontinuierliche hygienische Reinigungsmaßnahmen des Mundraums sind dafür verantwortlich, dass sich diese Bakterien nicht ungehindert vermehren und ausbreiten. Dennoch kommt es immer wieder vor, dass Oralstreptokokken auch aus Regionen des menschlichen Körpers isoliert werden, die nicht ihrem natürlichen Lebensraum entsprechen und wo sie als Pathogene agieren.
Die Agglutination von Bakterien erfolgt durch Speichelproteine wie Muzine, sekretorisches IgA, Speichelagglutinin, Lysozym und β2-Mikroglobulin. In Kombination mit dem Speichelfluss erschwert die Agglutination die Anheftung der Bakterien an orale Oberflächen. Die Bakterienaggregate werden verschluckt und im Verdauungstrakt von der Magensäure abgetötet. Der Speichel enthält zudem eine ganze Reihe antibakteriell wirksamer Proteine. Lysozym, Histatine und β-Defensine wirken bakterizid. Für Lactoferrin und verschiedene Speichelperoxidasen wurde eine bakteriostatische Wirkung nachgewiesen.
Oralstreptokokken sind nicht in der Lage, die Pellikel und die oralen Schleimhäute aktiv zu durchdringen. Verletzungen der Schleimhautoberflächen führen jedoch dazu, dass die Bakterien in das darunterliegende Gewebe und den Blutstrom gelangen, was häufig zu Oralstreptokokken-Bakteriämien führt. Diese treten nicht nur bei schwerwiegenden Eingriffen wie Zahnextraktionen (Bahrani-Mougeot FK et al. 2008) oder Tonsillektomien auf, sondern auch beim täglichen mechanischen Reinigen der Zahnoberflächen. Das Immunsystem bekämpft solche Bakteriämien in den meisten Fällen so effektiv, dass sich im Normalfall keine Infektionsherde manifestieren können (Tomás I et al. 2007). Dennoch werden immer wieder Fälle bekannt, in denen Oralstreptokokken schwerwiegende Erkrankungen wie
- Sepsis
- Streptokokken-induziertes Toxisches Schocksyndrom
- Endokarditis
- Abszesse
hervorrufen (Ulivieri et al. 2007). Die Mechanismen, die zu diesen Krankheitsbildern führen, sind bisher nur teilweise aufgeklärt werden. Der Ausbruch von streptokokkeninduziertem „Toxischem Schocksyndrom“ in der Jiangsuprovinz in China wurde hervorgerufen durch Streptococcus mitis und ist auf ein zuvor unbekanntes Exotoxin zurückgeführt worden (Lu et al. 2003). Wie das Gen des Toxins in dieses Oralstreptokokkenisolat gelangt ist, bleibt ungeklärt. Der genetische Austausch zwischen Bakterien in der menschlichen Mundhöhle stellt jedoch eine mögliche Ursache dar.
Oralstreptokokken gehören auch zu den Haupterregern der infektiösen Endokarditis. Die Arten der Mitisgruppe, Streptococcus sanguinis, Streptococcus oralis und Streptococcus gordonii werden dabei am häufigsten isoliert (Westling et al. 2008).
Erreicht eine Oralstreptokokkenbakteriämie über den Blutstrom das Herz, so besteht besonders bei vorgeschädigtem Herzklappengewebe die Gefahr, dass die Bakterien dort adhärieren und das Gewebe kolonisieren (Barrau et al. 2004). Zwei Mechanismen zur Adhäsion an geschädigtes Herzklappengewebe diskutiert.
- Ist das Gewebe derart geschädigt, dass Bestandteile der extrazellulären Matrix zugänglich werden, können die Bakterien direkt an diese Schadstelle binden.
- Für Streptococcus gordonii sind Oberflächenproteine beschrieben, die Bindung an Laminin und Fibronektin (FbpA) vermitteln (Christie et al. 2002).
Für CshA ist die Bindung an immobilisiertes Fibronektin beschrieben, während die Adhäsine der Antigen I/II Familie SspA und SspB die Bindung an Kollagen vermitteln. Ähnliche Adhäsionsmechanismen, die die Bindung an Proteine der extrazellulären Matrix nutzen, wurden auch für andere Oralstreptokokkenarten beschrieben (Sato et al. 2004). Ist das geschädigte Gewebe bereits durch Bildung eines Thrombus geschützt, so sind einige Oralstreptokokken dennoch in der Lage, zu adhärieren. Für Streptococcus parasanguinis ist ein Oberflächenprotein beschrieben (FimA), das die Bindung an den Hauptbestandteil des Thrombus, das Fibrin, vermittelt. Auch Streptococcus gordonii kann direkt an einen Thrombus binden (Bensing et al. 2004).
Das Adhäsin Hsa, das im Mundraum die Bindung an ein Speichelmuzin vermittelt und somit die Kolonisierung oraler Oberflächen einleitet, besitzt im Blutstrom die Funktion eines Thrombozytenadhäsins. Demgegenüber ist Streptococcus sanguinis nicht nur in der Lage, an einen Thrombus zu adhärieren, sondern kann auch die Bildung eines Thrombus induzieren. Es wurde ein Oberflächenprotein beschrieben (PAAP), mit dessen Hilfe Streptococcus sanguinis nicht nur spezifisch an Thrombozyten bindet, sondern diese auch aktivieren kann (Erickson et al. 1995).
Die Fähigkeit zur Bindung von Thrombozyten ist nur für Streptococcus sanguinis und Streptococcus gordonii beschrieben. Weiterhin konnte die Aktivierung von Thrombozyten nur bei Streptococcus sanguinis Isolaten nachgewiesen werden (Douglas et al. 1990). Die Pathogenese anderer bedeutender Endokarditiserreger wie Streptococcus mitis oder Streptococcus oralis bleibt weiter ungeklärt.
Pathophysiologie
Virulenzfaktoren bei Streptokokken
- Adhäsine: Für obligat pathogene Streptokokkenarten wie Streptococcus pyogenes, Streptococcus agalactiae oder Streptococcus pneumoniae wurden eine ganze Reihe von Adhäsinen, antiphagozytischen Oberflächenproteinen und Exotoxinen beschrieben, auf die die Pathogenität dieser Bakterien zurückgeführt wird ( Jedrzejas MJ (2004). Oberflächenproteine, die die Bindung an Bestandteile der extrazellulären Matrix wie Fibronektin (SfbI, SfbII, Fnz, Fnb, GfbA), Kollagen (Cpa) oder Laminin (Lmb) vermitteln, erlauben die Anheftung an menschliche Gewebestrukturen und leiten somit die Kolonisierung ein (Nitsche-Schmitz et al.2007).
- Anreicherung von Fibrinogen/Immunglobuline: Um der Phagozytose zu entgehen, reichern viele obligat pathogene Streptokokken Fibrinogen durch Bindung an das M-Protein auf der Bakterienoberfläche an. Zahlreiche pathogene Streptokokken der pyogenen Gruppe sind darüber hinaus in der Lage, der Opsonisierung durch Immunglobuline aktiv entgegen zu wirken. Es wurden Oberflächenproteine beschrieben, die humane Immunglobuline so auf der Bakterienoberfläche binden. Zudem wurden extrazelluläre bakterielle Proteasen beschrieben (ScpA, ScpB, CppA), die Schlüsselfaktoren des Komplementsystems proteolytisch inaktivieren (Angel et al. 1994).
- Hämolysine: Hämolysine stellen einen weiteren antiphagozytischen Mechanismus dar, der bei pathogenen Streptokokken der pyogenen Gruppe beschrieben wurde. Hämolysine aus Streptococcus pyogenes (SLO, SLS) sind nicht nur in der Lage, Erythrozyten zu lysieren und die für diese Bakterien typische β-Hämolyse zu verursachen, sondern wirken auch auf Zellen des Immunsystems zytotoxisch (Timmer et al. 2009).
- Pyogene Exotoxine und Superantigene: Einige pathogene Streptokokken der pyogenen Gruppe verhindern die effektive Bekämpfung bakterieller Infektionen durch das Immunsystem, indem sie eine überschießende Immunantwort (Streptokokkeninduziertes Toxisches Schocksyndrom) induzieren. Dazu sezernieren die Bakterien sogenannte pyogene Exotoxine und Superantigene (SpeA, SpeC, SpeJ).
- Spreading-Faktoren: Um eine schnelle Ausbreitung im Gewebe zu ermöglichen, sezernieren viele obligat pathogene Streptokokken gewebedegradierende Enzyme, die unter dem Begriff Spreading-Faktoren zusammengefasst werden. Dazu gehören unter anderem Proteine (Streptokinasen), die Plasminogen in seine aktive Form überführen und somit kaskadenartig wirtseigene Proteolysesysteme aktivieren (Lähteenmäki et al. 2001). Ebenfalls zu den Spreading-Faktoren zu zählen sind Hyaluronidasen, die das strukturgebende Hyaluronsäurenetzwerk der extrazellulären Matrix degradieren (Starr et al., 2006), und sezernierte Proteasen, die nicht nur Strukturproteine abbauen, sondern auch Signalmoleküle des Immunsystems inaktivieren können.
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio
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