Synonym(e)
Definition
Weltweit auftretende Infektionen durch das humane Zytomegalie-Virus (HHV-5), ein humanes DNA-Virus der Herpes-Familie (Herpesviridae- HHV) aus der Subfamilie der Beta-Herpesviridae.
Die Infektion erfolgt mittels Schmier- und Tröpfcheninfektion, Transplantationen oder Tansfusionen.
Das Zytomegalievirus ist das größte Virus innerhalb der Herpesviridae, unterscheidet sich jedoch morphologisch nicht von den anderen Viren dieser Familie. Eine Infektion führt zur Riesenzellbildung und zu einer langsam einsetzenden Zytopathologie. Das Virus persistiert nach der Erstinfektion latent in vielen epitheloiden Zellgeweben, in hämatopoetischen und Endothelzellen. Es kann reaktiviert werden, wenn es zu einer Abschwächung der Immunsituation kommt.
Eine Virusausscheidung und eine damit verbundene Ansteckungsfähigkeit bleibt lebenslang bestehen.
Vorkommen/Epidemiologie
Weltweites Vorkommen.
In Drittländern liegt die Durchseuchung bei > 90% der Bevölkerung; ebenso in Risikogruppen (HIV-Infizierte, Homosexuelle, Prostituierte).
In den Industrieländern liegt sie bei der durchschnittlichen Bevölkerung bei etwa 50%. Populationsbezogene, repräsentative Untersuchungen zur Seroprävalenz in der deutschen Allgemeinbevölkerung liegen bisher nicht vor. Für die Seroprävalenz dürften Faktoren wie Anzahl der Sexualpartner, Umgang in der Betreuung von Kleinkindern und Hygienebedingungen eine wesentliche Rolle spielen.
Eine Untersuchung von 24.260 Blutspendern in Gießen von 1992 – 2002 ergab eine Seroprävalenz von 46%. Die Seroprävalenz bei Schwangeren liegt in der BRD bei ca. 47%.
Bei Nierentransplantierten beträgt die Seroprävalenz von CMV 77%.
Eine Prozentzahl von etwa 50% dürfte dem Durchseuchungsgrad der mitteleuropäischen Bevölkerung entsprechen (Thomas L 2006). Der Anteil der Blutspender zwischen 18 und 60 Jahren, die pro Jahr serokonvertierten, lag in dieser Studie bei 0,55%.
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Ätiopathogenese
V.a Kleinkinder bis zum 3. Lebensjahr können nach kongenitaler und postnataler CMV-Infektion größere Virusmengen ausscheiden. Die Virusausscheidung kann bei einigen kongenital infizierten Kindern bis zum 8. Lebensjahr stattfinden. Diese Gruppe birgt somit ein deutliches Risiko für seronegative Schwangere sowie für immunsupprimierte Personen.
Das Virus wird über Blut, Muttermilch, Tränenflüssigkeit, Speichel, Urin, Genitalsekret ausgeschieden. Hieraus ergeben sich auch die Übertragungswege. Die Virusreplikation erfolgt in der Mukosa des Oropharynx, daran schließt sich eine hämatogene Ausbreitung über Leukozyten im gesamten Körper.
Während der Stillperiode wird CMV von fast allen seropositiven Frauen mit der Milch ausgeschieden und geht mit einer Häufigkeit von ca. 35% auf die Kinder über.
Klinisches Bild
Frauen, die sich während der Schwangerschaft mit CMV infizieren, weisen mehrheitlich (ca. 75%) ebenfalls keine Symptome auf.
Pränatale HHV-5-Infektion: 90% der Neugeborenen, die in utero infiziert wurden, sind bei der Geburt symptomlos. Bei 10-15% können Wachstumsverzögerungen eintreten. Darüber hinaus werden häufig neurologische Spätschäden beobachtet. Bei 5% treten schwere Störungen wie Hepatosplenomegalie, Gerinnungsstörungen, Mikrozephalie und im späteren Leben geistige (Lernstörungen) und körperliche (Hörschäden, Zahndefekte) Behinderungen.
Perinatale HHV-5-Infektion bei reifen Säuglingen: Die perinatale Infektion des Neugeborenen (Ursache hierfür ist eine Reaktivierung einer persistierenden CMV-Erstinfektion während der Schwangerschaft) verläuft bei reifen Säuglingen in der Regel meist asymptomatisch.
Perinatale HHV-5-Infektion bei Frühgeborenen: Die Primärinfektion bei Frühgeborenen kann mit schweren Störungen des AZ, Hepatosplenomegalie, Thrombozytopenie sowie einer Purpura (Blueberry-Muffin-Baby) einhergehen.
Postnatale Infektion (des Erwachsenen): Die Primärinfektion des Erwachsenen (die Übertragung der Infektion erfolgt durch engen körperlichen, meist sexuellen Kontakt. Übertragungen auch durch Bluttransfusion möglich) verläuft bei Immunkompetenten in der Regel (>90%) asymptomatisch oder mit nur geringen unspezifischen Symptomen. Das Virus geht nach der Infektion in ein Latenzstadium in myeloischen Zellen über, aus dem es reaktiviert werden kann.
Nur selten kommt es zu einer schweren grippeartigen Symptomatik oder zum Bild der infektiösen CMV-Mononukleose mit Lymphadenopathie evtl. leichter Hepatitis, Müdigkeit und Aktivitätsverlust über Wochen oder einige Monate; Ausbildung eines (morbilliformen)Exanthems möglich.
Infektion bei Immunsupprimierten: Bei Personen mit angeborenem oder erworbenem Immundefekt sowie unter immunsuppressiver Therapie kann die Infektion erhebliche Organschäden verursachen. Meist kommt es zu einem schweren Verlauf mit Fieber, Lymphadenopathie, Leukopenie, Thrombozytopenie,
- Retinitis (häufigste CMV-Manifestation bei AIDS mit Cotton-wool-Exsudaten und Blutungen)
- Enzephalitis, Hepatitis, Pneumonitis
- Kolitis (mit Ulzerationen)
- Pneumonie (CMV-Pneumonie)
Besonders hervorzuheben ist die CMV-Pneumonie (interstitielle Pneumonie mit hoher Letalität) sowie die Infektion der Mesangialzellen der Niere, die bei Transplantaten zur Abstoßung führen. Inwieweit das Zytomegalievirus ein kausaler Faktor für einige Arten von Brochnialkarzinom ist, beliebt abzuwarten (Richardson AK et al. 2019).
Hautveränderungen im Rahmen einer CMV-Infektion:
- Zytomegalie - Ulkus (oral oder perianal - Drozd B et al. 2019)
- Ikterus
- Purpura: Punktförmige oder flächenhafte Hautblutungen (Thrombozytopenie!)
- Exantheme: Makulopapulöses Exanthem (nicht selten bei konkordantem Auftreten einer EBV-+CMV-Infektion)
- Erythrodermie (DRESS)
Labor
Häufig Leukopenie, relative Lymphozytose mit atypischen Lymphozyten; evtl. Thrombozytopenie
Serologische Diagnostik:
- Virusnachweis (PCR)
- pp65-Antigen
- CMV-DNA-Nachweis : IgG und IgM-Antikörper
- Bestimmung der IgG-Antikörper-Avidität
Stufendiagnostik mit Antikörperbestimmung: Zum Nachweis CMV-spezifischer Antikörper aus Serum oder Plasma eignen sich kommerziell verfügbare Immunoassays. Zur weiteren Abklärung bei unklarer Befundkonstellation kommen weitere Tests, die Speziallaboren vorbehalten sind, zur Anwendung. Eine Serokonversion, d.h. das erstmalige Auftreten CMV-spezifischer IgG-Antikörper, ist beweisend für eine Primärinfektion. Voraussetzung: Nachweis der Serokonversion; 2 Serumproben notwendig, die im Abstand von 14 Tagen durchgeführt werden. In der zweiten Probe sind niedrig-avide (Avidität = Stärke der Bindung zwischen Antikörper und Antigen) sowie CMV-IgG-Antikörper und CMV-IgM-Antikörper nachweisbar. Bemerkung: Die Untersuchung der Avidität CMV-spezifischer IgG-Antikörper ist hilfreich, da bei einer niedrigen Avidität in der Regel eine kurzzeitig zurückliegende Infektion vorliegt. Das Risiko einer Schädigung für den Fetus ist bei einer Primärinfektion im ersten Trimenon (während der Organogenese) am größten. Zur Bestätigung einer CMV-Primärinfektion sollte die serologische Untersuchung bis zur 20. Gestationswoche erfolgen.
Primärinfektion ist wahrscheinlich bei hochpositiven CMV-IgM-Antikörpern die im weiteren Verlauf abfallen; CMV-IgG-Antikörper wesen eine niedrige Avidität auf. Antikörper gegen Glykoprotein B sind negativ. PCR: Eine aktive CMV-Infektion kann durch PCR-Nachweis (quantitative Bestimmung der Viruslast möglich) bei Immunsupprimierten diagnostiziert werden.
Unterscheidung von Primärinfektion und Reaktivierung: Die Differenzierung zwischen einer Primärinfektion und einer Reaktivierung ist mittels serologischer Standardverfahren häufig schwierig möglich.
Bei einer postnatalen Primärinfektion immunkompetenter Personen sind in aller Regel CMV-spezifische IgM-Antikörper nachweisbar.
Bei einer Reaktivierung ist bei immunkompetenten Personen ein Titeranstieg der CMV-IgG-Antikörper bei negativen oder auch niedrig-positiven CMV-IgM-Antikörpern im Serum nachzuweisen.
Serologische Konstellationen in der Schwangerschaft
- Diagnose seronegativ
- 1.-3-Trimenon: CMV-IgG neg.; CMV-IgM neg.; IgG-Antikörper-Avidität: nicht bestimmbar
- Diagnose: Primärinfektion
- 1.-3-Trimenon: CMV-IgG pos.; CMV-IgM neg.; IgG-Antikörper-Avidität: nicht bestimmbar
- Diagnose: Primärinfektion pränatal
- 12.-16.Schwangerschaftswoche: CMV-IgG pos.; CMV-IgM pos.; Avidität: hoch
- Diagnose: Primärinfektion im 1. Trimenon
- 12.-16.Schwangerschaftswoche: CMV-IgG pos.; CMV-IgM pos.; Avidität: niedrig
Differentialdiagnose
Therapie
Da CMV (wie alle Herpesviren) in die Latenz übergehen, ist mit keinem Medikament eine Elimination zu erzielen. Möglich ist lediglich eine Hemmung der Virusvermehrung.
- Immunkompetente asymptomatische Patienten: keine virostatische Therapie.
- Aktive CMV-Infektion bei Immunsuppression: Therapie mit Virostatikum: Ganciclovir (Cave: nephro- und myelotoxisch). Additive Gabe von CMV-Hyperimmunglobulin. Erhaltungstherapie bei Immunsuppression: Valganciclovir oder Foscarnet (Foscavir®) oder Cidofovir. Cave: alle Medikamente mit z.T. erheblichen Nebenwirkungen (Myelo- bzw. Nephrotoxizität).
- Aktive CMV-Infektion in der Schwangerschaft: CMV-Hyperimmunglobulin. Eine virostatische Behandlung von Schwangeren und Stillenden wird nicht empfohlen.
- Aktive CMV-Infektion bei kongenital infizierten Neugeborenen und Frühgeborenen (1% aller Neugeborenen, davon 5-10% symptomatisch). Ganciclovir (Cymeven®) 6 mg/kg KG i.v. alle 12 Std. über 6 Wochen. Effiziente Vakzine sind nicht verfügbar. Cave! Ganciclovir ist knochenmarktoxisch. Additive Gabe von CMVHyperimmunglobulin. Hinweis: Die CMV-Therapie von kongenital infizierten Neugeborenen sollte nur in Absprache mit einem neonatologischen Zentrum durchgeführt werden. Jeder Einsatz dieser Medikamente stellt bei Kindern ein „off-label-use“ dar.
- Maßnahmen nach Organtransplantationen: bei allen Nierentransplantatempfängern (mit Ausnahme bei CMV-Seronegativität des Spenders und Empfängers) empfiehlt sich eine orale Chemoprophylaxe mit Ganciclovir oder Valganciclovir für mindestens 3 Monate nach Transplantation und für 6 Wochen nach Behandlung mit einem T-Zell-depletierenden Antikörper (Empfehlung der KDIGO - Kidney Disease: Improving Global Outcomes).
- CMV-Retinitis bei AIDS-Patienten: Einsatz von Valganciclovir
- Alternativpräparate bei CMV-Retinitis: Cidofovir (nephrotoxisch), Foscarnet, Fomivirsen (zur intravitrealen Applikation. Die Wirksamkeit der okulären Ganciclovirimplantate hält 6-8 Monate (dann müssen die Implantate erneuert werden) und beschränkt sich jeweils nur auf das durch Implantat geschützte Auge. Cave! Kein Schutz vor Organbefall durch Implantate, daher perorale Cymeven-Therapie weiterführen!)
- Ganciclovir-Resistenz: Therapie mit alternativen Virostatika (Foscavir oder Cidofovir). Cidofovir kann bei Ganciclovir-Resistenz (Mutation im UL97-Gen) eingesetzt werden.
Prophylaxe:
- CMV-Prophylaxe bei immunsupprimierten CMV-seronegativen Patienten: Transfusionen und Transplantate von seronegativen Spendern. Überwachung der Transplantationspatienten mit Hilfe der PCR-Diagnostik und des Antigentestes.
- CMV-Prophylaxe (seronegative Schwangere): Gabe von CMV-Hyperimmunglobulin nach CMV-Exposition. Hinweis auch Kleinkinder können CMV-Träger sein!
- CMV-Prophylaxe bei AIDS-Patienten: Rezidivprophylaxe mit Ganciclovir.
Dosierungen:
- Ganciclovir (Cymeven): 2mal/Tag 5 mg/kg KG i.v. (Infusion über 1 Std.) alle 12 Std. über 14 Tage. Erhaltungstherapie: 5mal/Woche 6 mg/kg KG i.v.
- Alternativ: Foscarnet (Foscavir): 3mal/Tag (alle 8 Std.) 60 mg/kg KG i.v. (Infusion über 1 Std.) für 2-3 Wochen. Erhaltungstherapie: 7mal/Woche 90-120 mg/kg KG i.v. (Infusion über 1 Std.). Cave! Keine Kombination mit Pentamidindiisethionat!
- Alternativ Valganciclovir (Valcyte): Initial: 2mal/Tag 900 mg p.o. für 21 Tage. Erhaltungstherapie: 1mal/Tag 900 mg.
- Alternativ Cidofovir (Vistide): Anwendung aufgrund des Nebenwirkungsprofiles erst dann in Erwägung zu ziehen, wenn Resistenzen gegen Ganciclovir, Valganciclovir und Foscarnet bestehen. Initial 1mal/Woche 5 mg/kg KG i.v. für 2 Wochen. Erhaltungsdosis ab Woche 3: 1mal/14 Tage 5 mg/kg KG i.v.
- Spezifische Immunglobuline: CMV-Hyperimmunglobulin (Cytotect): 2 ml/kg KG alle 14 Tage i.v. Intravitreale Gabe: 200 μg alle 3 Tage über 3 Wochen bis zur Vernarbung.
Hinweis(e)
In Deutschland besteht keine krankheits- oder erregerspezifische Meldepflicht gemäß IfSG.
Häufigste Ursache intrauteriner Fruchtschädigungen sind heute nicht etwa Toxoplasmose oder Rötelnerkrankungen während der Schwangerschaft, sondern CMV-Infektionen.
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio
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- Schnitzler P et al.(2019) Zytomegalievirus (CMV). In: Hof H, Schlüter D, Dörries R, Hrsg. Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie. 7., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2019.
- Thomas L (2008) Labor und Diagnose. Th Books Verlagsgesellschaft mbH, Frankfurt S1678.
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