Perikarditis I31.9

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

Alle Autoren dieses Artikels

Zuletzt aktualisiert am: 22.08.2024

This article in english

Synonym(e)

Entzündung des Herzbeutels; Herzbeutelentzündung; Myoperikarditis; Perimyokarditis

Erstbeschreiber

Die konstriktive Perikarditis hat wahrscheinlich Galen als erster beschrieben. Bereits um 190 n.u.Z. beobachtete Galen bei Tieren eine Herzbeutelverdickung und hielt diese auch beim Menschen für möglich (Gall 1992).

Eine besondere Form der Perikarditis, die als akute Postinfarktperikarditis nach Myokarduntergang auftritt, wurde 1956 erstmals von William Dressler (1890 – 1969) beschrieben und nach ihm benannt, das sog. Dressler-Syndrom s.d. (Erdmann 2009).

Definition

Unter einer Perikarditis versteht man eine infektiöse oder nicht-infektiöse akute oder chronische Entzündung des Perikards, die oftmals von einem Perikarderguss (sog. Perikarditis exsudativa) begleitet wird, im Gegensatz zur Perikarditis sicca, die ohne Ergussbildung einhergeht (Maisch 2008).

Im überwiegenden Fall sind auch subepikardiale Myokardschichten mit in den Entzündungsprozess einbezogen.

Die Erkrankung beginnt als sog. akute Perikarditis. Aus dieser akuten Form heraus kann sich eine chronische, eine konstriktive oder eine rekurrente Perikarditis entwickeln (Hombach 2009).

Einteilung

Unterschieden wird nach ihrem klinischen Verlauf zwischen einer:

Die akute Perikarditis unterteilt man nach Fritze (Fritze 2012) – unabhängig von der Ätiologie - in folgende Formen:

  • trockene (sog. Perikarditis sicca bzw. fibrinöse Perikarditis)
  • Perikarditis mit Begleiterguss (sog. Perikarditis exsudativa)

Klinisch ist eine sichere Trennung zwischen Perikarditis und Myokarditis nicht immer möglich und auch nicht sinnvoll, da häufig bei einer Perikarditis auch subepikardiale Myokardschichten von der Infektion betroffen sind. Für diese Fälle wurde die Bezeichnung „Perimyokarditis“eingeführt (Herold 2018).

 

Vorkommen/Epidemiologie

Die Inzidenz der Perikarditis liegt bei ca. 1.000 Neuerkrankungen pro 1 Mio. Einwohner im Jahr. Da die Erkrankung auch inapparent verlaufen kann, vermutet man eine weitaus höhere Dunkelziffer (Erdmann 2009).

Die Perikarditis kann in jedem Lebensalter auftreten, sie bevorzugt aber das junge Erwachsenenalter beiderlei Geschlechts (Herold 2018).

Bei Autopsien findet sich in ca. 2% - 10% eine Perikarditis (Maisch 2008).

Ätiopathogenese

Die Ursachen einer Perikarditis sind sehr unterschiedlich. Über 50% sind idiopathisch bedingt, ca. 30% - 50% infektiös, die übrigen Ursachen sind eher selten.

Wir unterscheiden zwischen folgenden Formen:

1. infektiöse Perikarditis:

Die infektiöse Perikarditis wird verursacht durch

  • Viren: Coxsackie A9, B1-4, Mumps, Epstein-Barr-Virus, Windpocken, Röteln, Zytomegalieviren, Echoviren, Parvoviren B9, HIV u.a.
  • Bakterien: Meningo-, Pneumo-, Gonokokken, Treponema pallidum, Hämophilus, Borreliose, Tuberkulose, Chlamydien u.a.
  • Pilze: Histoplasma, Candida u.a.
  • Parasiten: Echinokokkus, Entameba histolytica, Toxoplasma u.a.

 

2. Perikarditis bei systemischen Autoimmunerkrankungen wie z.B.

  • Sklerodermie (systemische Sklerose) in > 50%
  • Lupus erythematodes disseminatus ( in ca. 30%)
  • rheumatoide Arthritis ( in ca.30%)
  • Spondylitis ankylosans ( in ca.1%)
  • Dermatomyositis (sehr selten)
  • Reiter-Syndrom ( in ca. 2%)
  • Periarthritis nodosa (sehr selten)
  • familiäres Mittelmeerfieber ( in ca. 0,7%)
  • u.a.

3. Perikarditis als Autoimmunerkrankung Typ 2 bei:

  • fieberhaftem Gelenkrheumatismus ( in ca.20% - 50%)
  • Postmyokardinfarktsyndrom ( in ca. 1% - 5%)
  • Postkardiotomie-Syndrom (auch Dressler-Syndrom genannt) 20%
  • autoreaktiver chronischer Perikarditis ( in ca. 23,1%)

4. Perikarditis bei Erkrankungen der umliegenden Organe:

  • Myokarditis ( in ca. 30%)
  • akuter Myokardinfarkt ( in ca.5% - 20%)
  • Pneumonie (selten)
  • Lungeninfarkt (selten)
  • Aortenaneurysma (selten)
  • Myokarditis (selten)
  • Ösophaguserkrankungen (selten)
  • paraneoplastische Perikarditis (selten)
  • Hydroperikard bei dekompensierter Herzinsuffizienz (selten)

5. Perikarditis in Zusammenhang mit metabolischen Erkrankungen wie:

  • Myxödem (in ca. 30%)
  • Urämie (keine genauen Angaben zur Inzidenz verfügbar)
  • diabetische Ketoazidose (selten)
  • Morbus Addison (selten)
  • Schwangerschaft (selten)
  • Cholesterin-Perikarditis (sehr selten)

6. traumatische bedingte Perikarditis

  • durch direkte, den Thorax penetrierende Verletzungen, Fremdkörper, Ösophagusperforation (selten)
  • durch indirekte, den Thorax nicht penetrierende Verletzungen oder nach Mediastinalbestrahlung (selten)

7. tumoröse Perikarderkrankungen (betrifft ca. 35% der Erkrankungen)

  • sekundär metastasierende Tumoren (häufig)
  • primäre Tumoren (selten)
  • Bronchialkarzinom ( in ca. 40%)
  • Mammakarzinom ( in ca. 22%)
  • Leukämie und Lymphom ( in ca. 15%)
  • Sarkom ( in ca. 4%)
  • Melanom ( in ca. 3%)
  • u.a. Tumoren

8. arzneimittel-induzierte Perikarditis (tritt nur sehr selten auf)

  • diese Form der Perikarditis findet sich z. B. nach Einnahme von Penicillin (s.a. Penicillinallergie); mitunter wird sie - als Zeichen einer Hypersensitivitätsreaktion - laborchemisch von einer Eosinophilie begleitet (Herold 2018)

 

Klinisches Bild

In erster Linie klagen die Patienten über retrosternale Schmerzen, oftmals atemabhängig (besonders bei der akuten Verlaufsform). Die Schmerzen jedoch können bei einer sich langsam entwickelnden Perikarditis (z. B. neoplastisch oder tuberkulös bedingt) komplett fehlen. Bei tuberkulöser oder urämischer Genese findet sich meistens ein schleichender Beginn mit unspezifischen Symptomen wie

  • Adynamie
  • unklarem Fieber
  • Dyspnoe
  • Gewichtsverlust

Die übrigen Symptome sind abhängig von der Art der Perikarditis und werden deshalb unter den jeweiligen Artikeln näher beschrieben.

Bildgebung

Röntgen Thorax:  Es kommt im Röntgenbild zu einer Vergrößerung des Herzschattens ohne Zeichen der pulmonalen Stauung. Das Herz nimmt eine sogenannte Boxbeutelform mit stark ausladender Mittelpartie an. Um differentialdiagnostisch eine myogene Herzdilatation auszuschließen, empfiehlt sich die Echokardiographie (Herold 2018).

Computertomographie:  Durch die CT ist eine Quantifizierung des Ergusses exakt möglich. Initial stützt sich die Diagnose auf folgende Befunde:

  • klinisches Bild
  • typische Veränderungen im EKG
  • Echokardiographie
  • Laut ESC-Guideline von 2015 kann die Diagnose „akute Perikarditis“ dann gestellt werden, wenn 2 der folgenden Kriterien erfüllt sind:
  • Brustschmerzen
  • Reibegeräusch
  • ST-Hebung
  • Perikarderguss

Echokardiographie: Die Echokardiographie ist die einfachste und auch sensitivste Methode zum Nachweis oder auch Ausschluss einer Perikarditis. Auch die hämodynamische Relevanz kann bei einem Erguss (ab 50ml echokardiographisch nachweisbar) gut beurteilt werden.

Cave: Der echofreie Raum hinter dem Herzen und bei großen Ergüssen auch vor dem Herzen ist zu beachten (Herold 2018).

Das Ausmaß des Ergusses wird echokardiographisch noch unterteilt in:

  • kleiner Erguss (die echofreie diastolische Separation von Peri- und Epikard liegt < 10 mm)
  • mäßiger Erguss (die diastolische Separation liegt zwischen 10mm – 20 mm)
  • großer Erguss (die diastolische Separation liegt über 20 mm)
  • sehr großer Erguss ((die diastolische Separation liegt über 20 mm und es finden sich zusätzlich Kompressionszeichen)

Um die Entwicklung eines Perikardergusses beurteilen zu können, empfehlen sich:

  • engmaschige Blutdruckkontrollen (Blutdruck fällt ab)
  • regelmäßige ZVD-Messungen (ZVD steigt an)

Echokardiographiekontrollen: Bei der konstriktiven Perikarditis kann mit Hilfe der Echokardiographie die Dicke des Perikards bestimmt werden. Diese ist im Falle einer konstriktiven Perikarditis auf > 3 mm verdickt .In der Darstellung anterior gelegener, lokaler Ergüsse ist sie der Echokardiographie sogar überlegen. Auch die Dicke der Perikardwand kann hier exakter dargestellt werden, ebenso Kalzifizierungen des Perikards. Durch die unterschiedlichen Dichtewerte kann man bei dieser Art der Untersuchung zwischen hämorrhagischen und serösen Perikardergüssen differenzieren.

 

Labor

Troponin I/T erhöht

CK-MB erhöht

Myoglobin erhöht

gelegentlich auch TNF (Tumornekrosefaktor) erhöht

Sofern die Perikarditis infektiös bedingt ist, können CRP und BSG ansteigen. In diesem Fall empfehlen sich eine Virusserologie und Kulturen auf Bakterien und Mykobakterien (Herold 2018).

Bei Übergreifen der Entzündungsvorgänge auf das Myokard können erhöht sein:

  • Kreatininkinase
  • Isoenzyme

Diagnose

Kardiale Magnetresonanztomographie

Die Computertomographie und die kardiale Magnetresonanztomographie sind die beiden besten bildgebenden Verfahren zur Diagnostik und Ursachenabklärung einer Perikarditis. Da es bei der kardialen Magnetresonanztomographie gegenüber der Computertomographie zusätzlich möglich ist, ein Kontrastmittel (Gadolinium) zu verabreichen, lassen sich auf diese Weise auch perikardiale inflammatorische Regionen durch Nachweis eines „late enhancements“ darstellen (Maisch 2008). 

Initial stützt sich die Diagnose auf folgende Befunde:

  • klinisches Bild
  • typische Veränderungen im EKG
  • Echokardiographie

Laut ESC-Guideline von 2015 kann die Diagnose „akute Perikarditis“ dann gestellt werden, wenn 2 der folgenden Kriterien erfüllt sind:

  • Brustschmerzen
  • Reibegeräusch
  • ST-Hebung
  • Perikarderguss

Auskultation: pulssynchrones systolisch-diastolisches, knarrendes, ohrnahes Geräusch, am deutlichsten über der Lingula in Sternalnähe (sog. Perikardreiben). Perikardreiben kann mitunter auch nur passager vorhanden sein

  • verstärkt sich bei der Inspiration
  • keine Geräuschveränderung während einer Atempause (im Gegensatz zum pleuralen Reiben)
  • fehlendes Perikardreiben schließt eine Perikarditis nicht aus!

EKG: Durch die Perikarditis muss das EKG nicht grundsätzlich verändert sein. Der meistens in allen Ableitungen bestehende Außenschichtschaden entsteht vielmehr durch die Entzündung der angrenzenden Myokardschichten (Herold 2018).

Sofern das EKG verändert ist, findet sich im Initialstadium konkave ST-Streckenhebungen aus der aszendierenden S-Zacke. Diese Veränderungen sind über mehrere Ableitungen zu verfolgen, wobei die Ableitungen keinem Versorgungsgebiet der Koronarien zuzuordnen sind.

Mitunter findet sich auch eine periphere / zentrale Niedervoltage.

Bei großem Perikarderguss (sog. swinging heart) kann ein elektrischer Alternans durch den rhythmischen Amplitudenwechsel auftreten.

(Maisch 2008)

Näheres zu EKG-Veränderungen s.a. akute Perikarditis

 

Perikardpunktion / Perikardbiopsie: Sofern eine Grunderkrankung vermutet wird, die eine weitergehende Therapie erfordert (z.B. Tuberkulose, Neoplasien, infektiöse Perikarditis), können derartige Eingriffe durchaus sinnvoll sein. Der diagnostische Nutzen der Perikardpunktion liegt bei 39% und der der Perikardbiopsie bei 54%, sofern diese Eingriffe zur Entlastung einer Perikardtamponade erfolgen. Der Erfolg dieser Eingriffe sinkt auf 14%, wenn sie ausschließlich bei Patienten mit Perikarderguss und einer einwöchigen Mindestdauer der Erkrankung einhergehen (Erdmann 2009).

Sonstiges: Die übrigen diagnostischen Befunde sind abhängig von der Art der Perikarditis und werden deshalb unter den jeweiligen Artikeln näher beschrieben.

Differentialdiagnose

  • akuter Myokardinfarkt (bei der Perimyokarditis fehlen sowohl die Q-Zacken als auch der R-Verlust; beim Infarkt finden sich reziproke ST-Senkungen, die bei der Perimyokarditis fehlen; die CK kann allerdings auch bei der Perimyokarditis leicht erhöht sein)

 

  • myogene Herzdilatation (bei der myogenen Herzdilatation finden sich sonographisch keine Ergusszeichen und im EKG keine Niedervoltage; dafür sind stattdessen häufig Zeichen der Lungenstauung eruierbar)

(Herold 2018)

Komplikation(en)

  • Herzbeuteltamponade
  • rezidivierende Episoden (treten in 20%-30% auf)
  • Fibrosierung bzw. Kalzifizierung des Perikards mit Ausbildung einer konstriktiven Perikarditis

(Erdmann 2009)

Therapie

Da die therapeutischen Maßnahmen abhängig von der Ursache und dem Verlauf der Perikarditis sind, werden diese ausführlich im jeweiligen Artikel dargestellt.

 

Bei einer durch einen Myokardinfarkt ausgelösten Perikarditis sollten keine Antikoagulantien verabreicht werden, da dann die Gefahr eines Hämoperikards besteht (Herold 2018).

 

Verlauf/Prognose

Die akute Erkrankung heilt bei ca. 70% - 90% folgenlos aus. Trotz suffizienter Therapie in der Akutphase kommt es aber bei ca. 15% - 30% der Patienten zu einem Rückfall (Hombach 2009).

Der Übergang in eine chronisch konstriktive Perikarditis ist selten (ca. 1% [(Herold 2018]).

Die Prognose der chronischen Verlaufsform und auch der konstriktiven Perikarditis ist eher ungünstig.

 

Hinweis(e)

Das Perikard besteht normalerweise aus einem doppelschichtigen Beutel, der sich in eine viszerale und in eine parietale Membran unterteilt. Zwischen den beiden Membranen befindet sich ein sog. Ultrafiltrat mit einer Flüssigkeitsmenge zwischen 15 – 50 ml.

Das Perikard verhindert eine plötzliche Dilatation der Herzhöhlen bei Belastung und auch bei Hypovolämie, vorzugsweise im Bereich des rechten Vorhofes und rechten Ventrikels.

Man vermutet auch, dass das Perikard das Herz vor Infektionen aus dem Bereich der Lunge und / oder der Pleurahöhle schützen kann.

Andererseits ist es aber auch möglich, dass das Perikard kongenital oder durch Operationen bedingt fehlt, ohne dass es eindeutig zu einer klinischen Erkrankung kommt.

Bei Teildefekten im Bereich des linken Ventrikels kann es allerdings zu einem Vorwölben des linken Vorhofes und des Hauptstammes der Pulmonalarterien kommen. In sehr seltenen Fällen ist es möglich, dass durch eine Hernienbildung der linke Vorhof regelrecht stranguliert wird und dann Ursache für einen plötzlichen Herztod ist (Kasper 2015).

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Erdmann E (2009) Klinische Kardiologie: Krankheiten des Herzens, des Kreislaufs und der herznahen Gefäße. Springer Verlag. 342
  2. Fritze J et al. (2012) Die Ärztliche Begutachtung: Rechtsfragen, Funktionsprüfungen, Beurteilungen. Springer Verlag 371-376
  3. Gall F P et al. (1992) Fortschritte in der Chirurgie im letzten Jahrzehnt. Langenbecks Archiv für Chirurgie. 109. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie. Springer Verlag. 488
  4. Herold G et al. (2018) Innere Medizin Herold Verlag 235-237
  5. Hombach V et al. (2009) Kardiovaskuläre Magnetresonanztomographie: Atlas und DVD. Schattauer Verlag 161-163
  6. Kasper D L et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 1571-1577
  7. Kasper D L et al. (2015) Harrisons Innere Medizin. Georg Thieme Verlag 1912-1918
  8. Krombach G A et al. (2015) Radiologische Diagnostik Abdomen und Thorax: Bildinterpretation unter Berücksichtigung anatomischer Landmarken und klinischer Symptome. Georg Thieme Verlag. 4.2.2.2
  9. Maisch B et al. (2008) Neue Möglichkeiten der Diagnostik und Therapie der Perikarditis. Der Internist (49) Springer Verlag 17-26

Verweisende Artikel (1)

Dyspnoe;

Weiterführende Artikel (2)

Penicillinallergie; Penicilline;

Disclaimer

Bitte fragen Sie Ihren betreuenden Arzt, um eine endgültige und belastbare Diagnose zu erhalten. Diese Webseite kann Ihnen nur einen Anhaltspunkt liefern.

Abschnitt hinzufügen

Autoren

Zuletzt aktualisiert am: 22.08.2024