Synonym(e)
Erstbeschreiber
Der Name Hämophilus basiert auf der besonderen Vorliebe der Bakterien für Nährböden mit Blut- oder Hämoglobinzusätzen. Die irreführende Bezeichnung „influenza“ geht auf Richard Pfeiffer zurück, einem Assistenten von R.Koch, der 1892 glaubte den Erreger der Influenza entdeckt zu haben.
Definition
Haemophilus influenzae, eine Spezies der Gattung Haemophilus aus der Familie der Pasteurellaceae, ist ein unbewegliches, gramnegatives, kokkoides Stäbchenbakterium. Haemophilus influenzae-Bakterien können als bekapselte („typisierbar“) oder unbekapselte Stämme („nicht typisierbar“ oder NTHi) auftreten. Das einzig bekannte Reservoir des Erregers ist der Mensch. Die Bakterien besiedeln bei Erwachsenen bis zu 50% und bei Kindern bis zu 75% die oberen Luftwege ohne dabei Symptome zu verursachen. Auch eine vaginale Kolonisation ist möglich.
Wichtige Klassifikationskriterien für einzelne Hämophilis-Arten sind die biochemische Struktur der Kapselpolysaccharide.
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Einteilung
Haemophilus influenza wird aufgrund verschiedener biochemischer Merkmale in acht Biotypen differenziert:
Haemophilus influenza Typ I bis Typ VIII).
Einige Haemophilus influenzae-Stämme bilden eine Kapsel. Bei bekapselten Haemophilus-Arten werden je nach der biochemischen Struktur der Kapselpolysaccharide weitere Serovare differenziert (a bis f). Die größte Bedeutung hat Haemophilus influenza Typ b (Hib), der für etwa 95% der schweren Haemophilus-Infektionen bei Kindern zuständig ist. Bekapselt ist H. influenzae obligat pathogen. Haemophilus influenza Typ b ist seit Einführung der Hämophilus-Impfung jedoch sehr selten geworden. Die unbekapselte Bakterien-Variante gehört zur Normalflora des Menschen. Sie macht bei Kindern etwa 1,8 %, bei Erwachsene 0,15 % der menschlichen Gesamtflora aus. Diese Variante wird nur unter bestimmten Umständen (z. B. bei Epithelvorschädigung durch Nikotin) pathogen. Da H. influenzae DNA aus der Umgebung aufnehmen kann, können sowohl bekapselte Stämme ihre Kapsel verlieren wie auch unbekapselte Stämme die Fähigkeit zur Kapselbildung erwerben.
Allgemeine Information
Vor der Entwicklung der Hib-Konjugatimpfung Ende der achtziger Jahre stellte Haemophilus Typ b (Hib) den Hauptauslöser der bakteriellen Meningitis bei Kleinkindern weltweit dar. Im Jahr 2000 – vor der weitverbreiteten Einführung der Impfung in ressourcenarmen Ländern – erkrankten laut einer Schätzung der WHO weltweit 8,13 Millionen Kinder unter 5 Jahren schwer an Hib, 371.000 Kinder starben an einer Hib-Infektion. 2013 hatten 95% der WHO Mitgliedstaaten (entsprechend 81% der 2012 geborenen Kinder) die Hib-Impfung in ihren Impfkalender aufgenommen, was in diesen Ländern zu einem Rückgang von bis zu 90% der invasiven Hib-Erkrankungen führte. In Europa wie auch in verschiedenen anderen Regionen ist NTHi jetzt der häufigste invasive Hi-Typ. In ungeimpften Populationen ist Hib hingegen noch die Hauptursache von nicht-epidemischer bakterieller Meningitis bei Kindern unter 12 Monaten.
Vorkommen
Hi-Erkrankungen treten weltweit auf. In Deutschland gehören invasive Hi-Erkrankungen bei einer bundesweiten Inzidenz von bis zu 1,0/100.000 Einwohner zu den eher seltenen meldepflichtigen Erkrankungen. Ältere Menschen sind am häufigsten betroffen. Daneben erkranken auch Säuglinge sowie Kleinkinder < 5 Jahren. Die Mehrheit der Erkrankungen wird in allen Altersgruppen überwiegend durch NTHi verursacht (Jalalvand F et al. 2014). Invasive Infektionen durch Hib sind mit ca. 10-35 Fällen pro Jahr dagegen in Deutschland eher selten. Aktuelle Fallzahlen zu invasiven Infektionen durch Hi und weitere epidemiologische Kenngrößen finden Sie im aktuellen Infektionsepidemiologischen Jahrbuch unter www.rki.de/jahrbuch.
Pathophysiologie
Über die Pathogenitätssmechanismen bestehen noch Unklarheiten. Begünstig wird Invasivität wenn Epithelschäden vorliegen. Dabei können die Bakterien offenbar zwischen den Epithelzellen den Weg in die Submukosa bahnen. Eine der wichtigsten Pathogenitätskriterein ist Kapsel. Offenbar wird durch die Kapsel eine erhöhte Resistenz gegenüber Phagozytose vermittelt, was ihre Pathogenität erhöht (Rao VK et al.1999). Weiterhin werden IgA-Proteasen gebildet, wodurch die lokale Immunantwort (durch Spaltung des Immunglobulins) gegen H. influenzae vermindert wird (Jalalvand F et al.2014).
Klinisches Bild
Infektionsweg: Die Übertragung erfolgt durch Tröpfenchinfektion. Inkubationszeit: Die Inkubationszeit ist nicht genau bekannt, möglicherweise 2 bis 4 Tage.
Haemophilus influenza (Hi) verursacht häufig Infektionen der Atemwege (Sinusitis, Bronchitis), vor allem bei Patienten mit vorbestehenden Lungenerkrankungen. Auch andere Organe wie Augen (Konjunktivitis), Ohren (Otitis media) und Vagina (Vaginitis) können betroffen sein.
Penumonie: Invasive Hi-Erkrankungen zeigen sich am häufigsten als Pneumonie (oft mit einer Bakteriämie des Erregers verbunden).
Epiglottitis: Insbesondere bei Kindern gefürchtet ist zudem die Epiglottitis. Diese entwickelt sich innerhalb von wenigen Stunden; 25-50% der Patienten zeigen katarrhalische Symptome, Schluckbeschwerden, inspiratorischen Stridor und Unruhe. Es folgt eine rasch auftretende Schocksymptomatik mit Zyanose und hohem Fieber.
Meningits: Eine durch Hi verursachte Meningitis beginnt häufig fulminant mit plötzlich einsetzendem Fieber, Erbrechen, Lethargie und meningealer Reizung. Die Letalität liegt in Industrieländern bei ca. 5%. Zudem besteht ein hohes Risiko für Folgeschäden: bis zu 25% entwickeln einen dauerhaften Hörverlust oder andere neurologische Langzeitschäden.
Sonstige: Seltener treten im Rahmen von invasiven Erkrankungen auch septische Arthritis, Phlegmone, Osteomyelitis, Peritonitis, Empyem oder Perikarditis auf.
Schwangere haben ein deutlich erhöhtes Risiko für invasive NTHi-Infektionen. Die Infektion kann bei der Mutter zu Sepsis führen, dazu kann es in der Folge zu Schwangerschaftskomplikationen bis hin zu Frühgeburt oder Abort kommen.
Dauer der Ansteckungsfähigkeit: Eine Ansteckungsfähigkeit besteht, solange Hi-Bakterien nachweisbar sind, also eventuell auch über das Symptomende hinaus. 24 h nach Beginn einer wirksamen Antibiotikatherapie sind Patienten nicht mehr ansteckend. Die Gabe von Rifampicin führt bei Hib zu einer Keimeradikation im Nasopharynx des Patienten.
Diagnostik
Kultur: Bakterien der Gattung Hämophilus benötigen bestimmte Wachstumsfaktoren aus dem Blut. H. influenzae benötigt sowohl den FaktorX und den Faktor V.
Eine Hi-Erkrankung kann klinisch nicht von durch andere Bakterien ausgelösten invasiven Erkrankungen unterschieden werden. Daher sollten bei klinischem Verdacht auf eine Hi-Infektion eine schnell einsetzende Diagnostik und Therapie erfolgen.
Labor: Die Untersuchung auf Hi beruht grundsätzlich auf der Anzucht, Identifikation und Typisierung des Erregers aus Patientenproben. An kulturunabhängigen Methoden haben vor allem die Direktmikroskopie von Liquor und der Nachweis über Polymerase-Kettenreaktion (PCR) einen Stellenwert. Darüber hinaus sind Antigen-Nachweise für die Liquordiagnostik kommerziell erhältlich.
Diagnostische Proben sollten grundsätzlich vor Beginn einer antibiotischen Therapie entnommen werden. Hi ist ein anspruchsvoll wachsendes Bakterium und eine Kultur sollte daher so schnell wie möglich, idealerweise innerhalb von 2-4 h nach Probenentnahme angelegt werden. Bei zweifelhaften Isolaten kann der PCR-Nachweis spezifischer Hi-Gene die Diagnose sichern. Auch die massenspektrometrische Identifikation (MALDI-TOF) ist ein geeignetes Diagnostik-Verfahren.
Molekularbiologischer Nachweis sind zahlreiche realtime PCRs etabliert, welche spezifische Hi-Gene detektieren. Unbekapselte Stämme (diese verursachen die weitaus häufigsten invasive Infektionen) werden durch diese Teste nicht erfasst.
Schnelltest: Schnelltests mittels Latex-Agglutination sind zur direkten Detektion von Hi-Antigenen aus Körperflüssigkeiten, v.a. Liquor verfügbar. Für den Nachweis von Hi bieten diese Tests jedoch u.a. aufgrund begrenzter Sensitivität und Spezifität für die klinische Entscheidungsfindung bei einem Meningitisverdacht keinen Vorteil gegenüber der Direktmikroskopie von Liquor.
Der Antikörpernachweis gegen Hib dient der Bestimmung der Immunitätslage vor oder nach einer Impfung. Zur Diagnostik einer akuten Infektion ist die Antikörperbestimmung nicht geeignet.
Die Typisierung von Hi-Stämmen beruht auf der Untersuchung der Kapsel angezüchteter Isolate. Für spezielle epidemiologische Fragestellungen, z.B. zur Aufklärung einer möglichen Krankheitsübertragung lassen sich Hi-Stämme mittels Multilocus-Sequenztypisierung (MLST) oder Genomsequenzierung feintypisieren.
Therapie
Mittel der Wahl bei invasiven Hi-Erkrankungen sind Cephalosporine der Gruppe 3 zur parenteralen Therapie (z.B. Cefotaxim und Ceftriaxon). Wegen des Vorkommens Ampicillin-resistenter Stämme sollte Ampicillin nur eingesetzt werden, wenn die Sensibilität der Hi-Bakterien nachgewiesen wurde. Bei Hib-Meningitis kann die Gabe von Dexamethason vor oder zusammen mit der ersten Antibiotikum-Dosis einem Hirnödem entgegenwirken.
Weiterhin wird bei einer invasiven Hib-Erkrankung die Gabe von Rifampicin vor der Entlassung zur Eradikation der Besiedlung des Nasopharynx und zur Verhinderung einer Zweiterkrankung beim Patienten oder von Folgefällen im Umfeld empfohlen. Dies ist besonders wichtig, wenn der Patient nicht mit Cefotaxim oder Ceftriaxon behandelt wurde.
Prophylaxe: zu Infektionsschutz und Hygienemaßnahmen s.u. Haemophilus influenza Infektionsschutz und Hygienemaßnahmen
Therapie allgemein
Prophylaxe: Eine Impfung gegen Haemophilus influenzae existiert gegen den Hi Kapseltyp b (Hib). Diese wird in Deutschland seit 1990 als Standardimpfung im Säuglings- und Kleinkindalter empfohlen.
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio
- Deeming JE (1955) Haemophilus influenzae vaginitis. Northwest Med 54:992-993.
- Gozum GG et al.(2020) Case Report: Invasive Non Type b Haemophilus influenzae in Immunocompromised Children. Am J Case Rep 21:e920853.
- Jalalvand F et al.(2014) Haemophilus influenzae: recent advances in the understanding of molecular pathogenesis and polymicrobial infections. Curr Opin Infect Dis 27:268-274.
- Poje G et al. (2003) General methods for culturing Haemophilus influenzae. Methods Mol Med 71:51-56.
- Rao VK et al.(1999) Molecular determinants of the pathogenesis of disease due to non-typable Haemophilus influenzae. FEMS Microbiol Rev 23:99-129.
- Shooraj F et al. (2019) Clonal diversity of Haemophilus influenzae carriage isolated from under the age of 6 years children. BMC Res Notes 12:565.
- St Geme JW 3rd (2000) The pathogenesis of nontypable Haemophilus influenzae otitis media. Vaccine 19 Suppl 1:S41-50.
- St Geme JW 3rd (1997) Insights into the mechanism of respiratory tract colonization by nontypable Haemophilus influenzae. Pediatr Infect Dis J 16:931-935.