Erstbeschreiber
Erasmus Bartholin beschrieb bereits im Jahre 1654 als Erster einen Gallensteinileus (Turner 2022).
Im Jahr 1896 wurde von Leon Bouveret erstmals eine seltene Form des Gallensteinileus, das später nach ihm benannte Bouveret- Syndrom, beschrieben (Höink 2016).
Definition
Unter einem Gallensteinileus versteht man das Auftreten einer Komplikation bei Cholelithiasis (Turner 2022), bei der es zu einem Austritt des Gallensteins aus der Gallenblase oder den Gallenwegen über eine cholezysto- enteritische Fistel (Kasper 2015) in den Darm kommt. Sobald der Stein in einer Ileumschlinge steckenbleibt, kommt es zu einem Ileus (Alaez- Chillaron 2017).
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Einteilung
Man differenziert zwischen
- symptomatischen und
- klinisch stillen biliären- enteritischen Fisteln (Kasper 2015)
- Bouveret- Syndrom:
Es handelt sich hierbei um eine seltene Form des Gallensteinileus, bei dem es durch einen Gallenstein zu einer intraluminalen Obstruktion des Bulbus duodeni kommt (Höink 2016). Das bewirkt eine Obstruktion des Magenausgangs (Inukai 2019). Betroffen sind hiervon vor allem ältere Frauen (Höink 2016).
Vorkommen/Epidemiologie
Der Gallensteinileus stellt eine der seltensten Formen aller mechanischen Darmverschlüsse dar (Turner 2022).
Man findet ihn als Ursache bei 4 % aller Patienten mit Ileus, bei den > 65 jährigen hingegen steigt die Zahl auf 25 % an (Ploneda- Valencia 2017).
Gleichzeitig ist der Gallensteinileus häufigste Ursache für einen nicht- strangulierenden Darmverschluss. Er tritt bei 0,3 – 0,5 % der Patienten mit Cholelithiasis auf (Turner 2022). Die Rezidivrate liegt bei 5 – 8 % (Inukai 2019).
Bei weniger als 1 % der Patienten mit Gallensteinen bilden sich Fisteln zwischen der Gallenblase und dem Gastrointestinaltrakt (Gutt 2018). Klinisch stille biliäre- enteritische Fisteln finden sich bei ca. 5 % aller Patienten, bei denen eine Cholezystektomie durchgeführt wird (Kasper 2015).
Frauen sind häufiger von einem Gallensteinileus betroffen als Männer (3,5 : 1), im Alter steigt die Inzidenz zusätzlich an (Turner 2022).
Ätiopathogenese
Zu einem Gallensteinileus kommt es durch die Perforation eines großen Gallensteins durch eine biliäre- enteritische Fistel in den Darm, was zu einer Obstruktion des Ileums führen kann (Herold 2022).
Risikofaktoren sind:
- langjährige Cholelithiasis
- Gallensteine mit mehr als 2 cm Durchmesser (Turner 2022)
Pathophysiologie
Es spielen verschiedene Mechanismen bei der Entstehung eines Gallensteinileus eine Rolle:
- 1. Adhäsionen
Durch entzündliche Veränderungen der Gallenblase können sich Adhäsionen zwischen der Gallenblase und dem angrenzenden Gastrointestinaltrakt bilden (Turner 2022).
Es kann so zu einer Fistelbildung der Gallenblasenwand in ein der Gallenblasenwand anhaftendes Organ kommen. Am häufigsten finden sich Fisteln in absteigender Reihenfolge im Bereich des Duodenums (ca. 60 % [Turner 2022]), der Leberflexur des Kolons, des Magens, Jejunums, der Bauchwand oder des Nierenbeckens (Kasper 2015).
- 2. Drucknekrose
Durch große Steine kann es zu einer Drucknekrose mit Zeichen einer Entzündung zwischen Gallenblase und Gastrointestinaltrakt kommen (Turner 2022).
Man vermutet, dass insbesondere Steine von > 2,5 cm die Fistelbildung durch allmähliche Erosion begünstigen (Kasper 2015).
3. Verschüttete Gallensteine
Die bei einer laparoskopischen OP verschütteten Gallensteine können zu einem intraabdominellen Abszess führen. Dieser kann die Darmwand ulzerieren und so der Stein in das Darmlumen gelangen (Turner 2022).
Lokalisation
Der Grad der Obstruktion hängt von der jeweiligen Position des Gallensteins im Magen- Darm- Trakt ab. Bisweilen kann es sogar passieren, dass der Gallenstein ohne Vorankündigung das Rektum passiert (Turner 2022).
Ein Gallensteinileus ist in den meisten Fällen im Bereich der Ileozökalklappe lokalisiert (Kasper 2015).
Klinisches Bild
Anamnestisch sind bei den meisten Patienten Symptome einer Cholezystitis eruierbar (Kasper 2015)
Im akuten Stadium des Gallensteinileus ist das Trias folgender Symptome typisch:
- Aerobilie (radiologisch nachweisbare Luft in der Gallenblase oder den Gallenwegen)
- Dünndarmileus
- Steinschatten (Herold 2022)
Die Patienten klagen oftmals über intermittierend auftretende unspezifische Symptome wie z. B.:
- intermittierende abdominelle Schmerzen
Die Intensität des Schmerzes korreliert meistens nicht mit den zugrunde liegenden anatomischen Gegebenheiten (Turner 2022). Dieser episodisch auftretende subakute Ileus wird auch als „Tumbling Obstruction“ bezeichnet (Shekhda 2021).
- Völlegefühl
- Übelkeit
- Erbrechen
- Obstipation
- Ikterus bei ca. 33 % (Turner 2022)
Diagnostik
Die Diagnose eines Gallensteinileus lässt sich wegen der unspezifischen Symptome und des sog. „Taumelphänomens“, d. h. der Stein taumelt während der Untersuchung durch den Magen- Darm- Trakt, oftmals nur verzögert stellen. I. d. R. dauert es bis zur Diagnosestellung 3 - 8 Tage ab Beginn der Symptomatik, am häufigsten wird sogar erst während der Operation eines Ileus unklarer Ursache ein Gallenstein als Ursache des Ileus gefunden (Turner 2022).
Körperliche Untersuchung
Diese ist oftmals unspezifisch. Bisweilen zeigen sich angespannte Bauchdecken und / oder auskultatorisch hohe Darmgeräusche (Turner 2022).
Bildgebung
Röntgen Abdomen
In der einfachen Abdomenübersichtsaufnahme können durch Nachweis von Gasen im Gallengang mitunter bereits asymptomatische cholezysto- enteritische Fisteln nachgewiesen werden (Kasper 2015).
Typischerweise zeigt sich das sog. Rigler- Trias mit:
- teilweisem oder komplettem Darmverschluss
- Pneumobilie bzw. Darstellung von Kontrastmittel in den Gallenwegen (Turner 2022)
- ektopischem Gallenstein (bei Letzterem liegt die Sensitivität allerdings bei lediglich 33 % [Inukai 2019]).
Abdomen- Sonographie
Hiermit lassen sich eingeklemmte Gallensteine zwar darstellen, die genaue Lokalisation hingegen kann oftmals durch Darmgase nur schlecht eruierbar sein (Turner 2022).
Endoskopie
Durch eine Endoskopie des oberen Gastrointestinaltraktes oder eine Barium- Kontrastuntersuchung sind Fisteln ebenfalls nachweisbar (Kasper 2015).
Computertomographie
Die Sensitivität des CTs liegt bei 93 %. Es zeigen sich hierbei eine Verdickung der Gallenblasenwand, Pneumobilie, Ileus und obstruierende Gallensteine (Turner 2022).
Die Sensitivität der CT gegenüber ektopischen Gallensteinen liegt bei 81 % (Inukai 2019).
Im CT lässt sich u. U. zusätzlich ein weiteres Zeichen für einen Gallensteinileus nachweisen: Es bestehen zwei Luft- Flüssigkeitsspiegel im rechten oberen Quadranten. Diese entsprechen dem Duodenum und der Gallenblase (Turner 2022).
MRCP
Die Magnetresonanz- Cholangiopankreatikographie sollte als zusätzliche Diagnostik erfolgen, wenn durch die CT nicht alle Fragen geklärt werden konnten (Turner 2022).
Differentialdiagnose
Komplikation(en)
- Infektion
- Pankreatitis (Turner 2022)
- Ileus
Bei ca. 60 % der Patienten mit Gallensteinileus findet sich der Darmverschluss im Ileum (Kasper 2015).
- Gallenfistel
- Wunddehiszenz
- Sepsis
- intraabdominaler Abszess
- Anastomoseninsuffizienz (Turner 2022)
Operative Therapie
Chirurgische Optionen beim Gallensteinileus sind:
- einfacher Entero- Steinschnitt
- Enterolithotomie mit Cholezystektomie und Verschluss der Fistel als einstufiges Verfahren
- Enterolithotomie und später durchgeführte Cholezystektomie als sog. zweistufiges Verfahren (Turner 2022)
Die Mortalität ist bei der einzeitigen OP mit 16,9 % (Turner 2022) höher als bei der zweizeitigen (Turner 2022). Inukai (2019) empfiehlt die zweitzeitige OP bei Impaktion auf der Ebene des Ileums und die einzeitige OP bei Impaktion an allen anderen Stellen des Gastrointestinaltraktes.
Verlauf/Prognose
Da die Symptome oftmals lediglich intermittierend auftreten und die Ursache der Erkrankung durch Untersuchungen mitunter erst verzögert gestellt werden kann, ist der Gallensteinileus auch heutzutage noch mit einer relativ hohen Mortalitätsrate von 12 – 27 % verbunden (Turner 2022). Damit liegt die Mortalität des Gallensteinileus 5 – 10 mal höher als die des mechanischer Ileus anderer Ursachen (Shekhda 2021).
Bei den zweitzeitig operierten Patienten fanden Kaneda et al. (2007) intraoperativ einen natürlichen Verschluss der cholezysto- enteritische Fistel bei 61,5 % der betroffenen Patienten (Inukai 2019).
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio
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- Gutt C, Jenssen C, Barreiros A P, Götze T O, Stokes C S, Jansen P L, Neubrand nM, Lammert F (2018) Aktualisierte S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV) zur Prävention, Diagnostik und Behandlung von Gallensteinen. AWMF-Register- Nr. 021 / 008
- Herold G et al. (2022) Innere Medizin. Herold Verlag 566
- Höink A J, Katoh M, Wullstein C (2016) Das Bouveret- Syndrom: Eine ungewöhnliche Form des Gallensteinileus mit eindeutigen Befunden in der diagnostischen Bildgebung. Fortschr Röntgenstr 188 1067 – 1068 DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0042-110854
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- Ploneda- Valencia C F, Gallo Morales M, Rinchon C, Navarro- Muniz E, Bautista- Lopez C A, de la Cerda- Trujillo L F, Rea- Azpeitia L A, Lopez- Lizarraga C R (2017) Gallstone ileus: An overview of the literature. Rev Gastroenterol Mex. 82 (3) 248 – 254
- Shekhda K M, Abro A H, Gupta A, Lal J, Ghuman N (2021) Gallstone Ileus. Chonnam. Med J. 57 (1) 91 – 92
- Turner A R, Sharma B, Mukherjee S (2022) Gallstone Ileus. StatPearls Treasure Islanf (FL) Bookshelf ID: NBK430834
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