Syphilis (Übersicht) A53.9

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles, Sietske Poortinga

Co-Autoren: Niklas Blaha, Hadrian Tran

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Zuletzt aktualisiert am: 03.10.2024

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Synonym(e)

Lues; Morbus Schaudinn

Erstbeschreiber

Historie: 1495 trat die Syphilis zum ersten Mal bei der Belagerung Neapels durch den französischen König Karl VIII auf. Daraufhin überzog innerhalb von fünf Jahren eine Syphilis-Epidemie ganz Europa. Den Verlauf ihrer Ausbreitung kann man an den Namen erkennen, die die verschiedenen Völker ihr gaben, je nachdem, wo man die Quelle der Ansteckung vermutete:

  • Italien: französische oder keltische Krankheit.
  • Frankreich: italienische oder neapolitanische Krankheit
  • Deutschland: französische Krankheit
  • Japan: chinesisches Himmelsstrafengeschwür.

Nach der Kolumbus-Theorie wurde die Syphilis von Christoph Kolumbus bzw. seinen Matrosen eingeschleppt, als er 1495 nach der Entdeckung Amerikas nach Europa zurückkehrte. Inzwischen gilt diese Theorie als widerlegt. Es gibt Hinweise, dass die Syphilis in einer harmloseren Form, als Hautkrankheit, schon im alten Griechenland oder im präkolumbianischen Amerika existierte. Der Name "Syphilis" geht auf ein 1530 veröffentlichtes Gedicht des venezianischen Gelehrten Girolamo Fracastoro zurück, das die Geschichte des infizierten Hirten Syphilus zum Inhalt hat.

Die Reinzüchtung des Syphiliserregers gelang 1911 erstmals dem japanischen Bakteriologen Noguchi Hideyo.

 

Definition

Weltweit verbreitete Infektionskrankheit (Geschlechtskrankheit: in der BRD - nichtnamentliche Meldung bei Labornachweis direkt an das RKI), verursacht durch Treponema pallidum

Man unterscheidet je nach Infektionsmodus, Dauer und Organmanifestation:

  • Die angeborene Syphilis (Syphilis connata): in den Industrieländern nur noch vereinzelt  anzutreffen.
  • Die erworbene Syphilis (Syphilis acquisita)

Erreger

Erreger: Treponema pallidum (Spirochaeta pallida). Eine Spirochäte, die aufgrund ihrer Empfindlichkeit nur im feucht-warmen Milieu und damit nahezu ausschließlich über den Geschlechtsverkehr übertragen wird.   

Einteilung

Die Syphilis verläuft in 3 Stadien mit unterschiedlicher Klinik und Krankheitsaktivitäten, die von Latenzphasen unterbrochen sind. 

  • Frühsyphilis: die infektiöse Phase der Erkrankung (betrifft das 1. Jahr der unbehandelten Syphilisinfektion) wird als Frühsyphilis bezeichnet (Primär- und Sekundärstadium).
  • Spätsyphilis: Das nicht-infektiöse Stadium wird als Tertiärstadium (Neurosyphillis) bezeichnet. Dieses Stadium wird in den Industriestaaten nur ausnahmsweise erreicht.      

Vorkommen/Epidemiologie

Im Jahre 2015 betrug die bundesweite Inzidenz 8,5 Fälle /100.000 Einwohner/Jahr. In Berlin lag die Inzidenz bei 31/100.000 Einwohner, in Hamburg bei 19,7/100.000. 2014 betruf in Europa (29 Länder) die durchschnittliche Inzidenz 5,1 Fälle/100.000 Einwohner/Jahr. Die niedrigste Inzidenz fand sich in Italien (0,6/100.000), die höchste in Malta mit (11,5/100.000 Einwohner/Jahr).  

Der Frauenanteil der gemeldeten Syphilis-Fälle lag für Deutschland bei 6,2%.    

Gehäuft finden sich Syphilis-Infektionen bei Männern die Sex mit Männern ("men who have sex with men" MSM) haben. Bei dieser Gruppe wurden in den letzten Jahren die höchsten Zuwachsraten verzeichnet. 

Bis zu 15% der Infizierten in Deutschland leiden gleichzeitig unter einer HIV-Infektion, bis zu 80% der HIV-infizierten sind TPHA-positiv (kein wesentlicher Unterschied im klinischen Verlauf). 

Bemerkung: Für die Bunderepublik Deutschland gilt eine nichtnamentliche Medlung bei Labornachweis dirket an das RKI!

 

Labor

Man unterscheidet Such-, Bestätigungs- und Verlaufsreaktionen:

  • Suchreaktionen: TPPA-Test, TPHA-Test, VDRL.
  • Bestätigungsreaktionen: FTA-Test, FTA-Abs-Test (Goldstandard der Bestätigungstestverfahren), IgM/IgG-ELISA oder IgG/IgM-Western Blot.
  • Aktivitätskontrolle: Beurteilung der Aktivität der Infektion und Titerbestimmung können mittels VDRL (Veneral Disease Research Labaratory) oder Cardiolipin-KBR erfolgen. Der Nachweis von IgM-Antikörpern gegen Treponema pallidum kann zudem durch IgM FTA-Abs-Test oder mittels 19S IgM-FTA-Test erfolgen.
  • Verlaufskontrolle: VDRL/RPR mit dem Ziel: Abfall um 3-4 Titerstufen nach adäquater Therapie innerhalb ca. eines Jahres. 19-S-IgM-FTA-ABS bei V.a. Re-Infekt, normal Abfall nach 3-24 Monaten.

Klinisch relevante Testverfahren:

  • TPHA-Test (Treponema-Pallidum-Hämaglutinationstest): Suchtest mit hoher Spezifität (0,2% falsch reaktive Befunde). Nachweis von IgM- und IgG-Antikörpern. Reaktion in allen Phasen der Erkrankung. Positiv ab der 3. postinfektiösen Woche. Niedrige Titer persistieren lebenslang.
  • FTA-Test (Flureszenz-Treponema-Pallidum-Antikörper-Absorptions-Test): Hohe Spezifität und Sensitivität (falsch reaktive Befunde in 1%). Mit dem 19S IgM-FTA-Abs-Test können frische Infektionen ab der 2. postinfektiösen Woche diagnostiziert werden.
  • VDRL (= Venereal Disease Research Laboratory-Test): Unspezifisch aber quantitativ auswertbar zur Aktivitäts- und Erfolgsbeurteilung. Titer >1:4 sind positiv und sprechen für eine aktive Syphilis. Positive Reaktionen ab der 5. Woche post infectionem. Zeitlicher Verlauf und Korrelation mit der Klinik.
  • Merke! Grundsätzlich sollten bei der serologischen Diagnostik der Syphilis unspezifische mit spezifischen Testverfahren kombiniert werden, wie z.B. VDRL-Test oder/und der TPHA-Test als Suchtest in Kombination mit FTA-Abs-Test als Bestätigungstest.

Liquor-Serologie zur Beurteilung einer Neurosyphilis: Nachweis von Syphilis-AK im Liquor. Ein negativer Ausfall der spezifischen Tests im Liquor schließt eine Neurosyphilis aus. Ein  Nachweis von IgG-Antikörpern beweisen die Neurosyphilis nicht, da diese liquorgängig sind. Der Nachweis von IgM-AK im Liquor sichert die Diagnose.   

 

Diagnose

Primärstadium: 10-14 Tage nach der Infektion, meist im Genitalbereich (auch extragential: Lippen, Zunge, Analbereich,Rektum, Tonsillen, Finger) Entwicklung eines sattroten, wenig schmerzenden Knötchens als Zeichen der Primärinfektion. Das Knötchen ulzeriert (Ulcus durum) zwischen dem 18. und 30 Tag nach der Infektion. Schmerzlose Schwellung der regionären Lymphknoten.

Direktnachweis der Spirochäten aus dem Reizserum mittels Dunkelfeldtechnik möglich (wird nur noch von wenigen beherrscht und hat damit keine praktische Relevanz mehr). TPHA-Test wird 1 Woche nach Entstehen des Ulcus positiv.

Sekundärstadium: Exanthemstadium mit den typischen klinischen Veränderungen. Nachweis von Treponema-pallidum-AK (VDRL >1:4, Nachweis von IgG- und IgM-AK im FTA-Abs- und TPHA-Test)

Tertiärstadium: Nachweis von Treponema-pallidum-AK

Neurosyphilis: Nachweis von IgM-AK im Liquor      

Therapie

S.u. Syphilis Frühsyphilis, Spätsyphilis  Syphilis connata.

Geschichte der Behandlungsmethoden: Die Syphilis wurde bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts mit hochgiftigem Quecksilber behandelt, mit dem man den Körper des Erkrankten großflächig bestrich, was gewöhnlich zu einem vollständigen Ausfall der Körperbehaarung sowie sämtlicher Zähne führte und den rapiden Verfall sämtlicher Körperfunktionen einleitete. Die südamerikanischen Ureinwohner verfügten über eine kombinierte Syphilistherapie, die ihnen in der Regel auch Heilung verschaffte, denn die Krankheit verlief bei ihnen weniger schwer als bei Europäern. Sie verwendeten Abkochungen aus dem Holz oder der Rinde des Guajakbaumes (Guaiacum officinale und G. sanctum) oder der Sarsaparillewurzeln (Smilax regelii u.a. Arten) in Kombination mit einem Schwitzbad und einer Fastenkur. Das Schwitzbad, dem sich die südamerkinaischen Ureinwohner  nach Einnahme von Guajak unterzogen, bestand in einer gezielten Heißbedampfung der äußeren Genitalien. Ulrich von Hutten hat diese Methode im Selbstversuch erprobt und in seinem 1519 erschienenen Werk 'De guajaci medicina et morbo gallico liber unus' beschrieben. Tatsächlich trat durch die Behandlung zeitweilig eine Verbesserung ein. Um 1900 fand man heraus, dass Treponema pallidum Temperaturen von > 41 °C nicht überlebt. Daraufhin infizierte man Syphiliskranke mit Malaria. Häufig genügten die hohen Malariafieberschübe, den Syphiliserreger abzutöten (Malariatherapie). 1909 entwickelt Paul Ehrlich Salvarsan ein weniger giftiges, aber wirksames arsenhaltiges Mittel.

Siehe auch S. 10 und 11 der  aktuellen Leitlinien der Deutschen STI-Gesellschaft (Leitlinien für Syphilis)

Prophylaxe

Durch die Anwendung von Kondomen beim Geschlechtsverkehr kann die Übertragungswahrscheinlichkeit der Syphilis und anderer Geschlechtskrankheit wesentlich verringert werden. Auch eine Übertragung der Syphilis beim Oralverkehr ist möglich. Insbesondere Menschen, die Verkehr mit wechselnden Partnern haben, sollten regelmäßig ihr Blut auf Syphiliserreger untersuchen lassen. Die Anzahl der Syphilisfälle steigt seit dem Jahr 2004 deutlich an.

Tabellen

Therapie der Syphilis acquisita

 

Wirkstoff

Beispielpräparat

Dosierung

Dauer

Frühsyphilis 

Benzathin-Penicillin

Pendysin

2,4 Mio. IU i.m.

1malige Applikation 

Bei Penicillinallergie 

Doxycyclin

DoxyHexal

2mal/Tag 100 mg p.o. oder i.v.

14 Tage

Erythromycin

Erythrocin

4mal/Tag 500 mg p.o.

14 Tage

ab Sekundärstadium erwägen (Prophylaxe Jarisch-Herxheimer-Reaktion) Prednisolon   1 mg / kg KG p.o. oder i.v. 30 - 60 Minuten vor erster Antibiotikagabe 1-malig

 

Spätsyphilis

Benzathin-Penicillin als Depotinjektion

Tardocillin 1200

2,4 Mio. IE i.m.

3mal im Abstand von 7 Tagen (Tag1,8,15)

Alternativ 

Doxycyclin

DoxyHexal

2mal/Tag 100 mg p.o. oder i.v.

28 Tage

Ceftriaxon

Rocephin

1,0 g/Tag i.v.

14 Tage

Neurosyphilis

Benzylpenicillin-Natrium

Penicillin G Jenapharm

6mal/Tag 3-4 Mio. IE i.v.

alternativ: 10 MioIE 3x/Tag i.v. 

14-21 Tage

Alternativ

Ceftriaxon

Rocephin

2,0 g/Tag i.m. oder i.v.(initial 4,0g)

14-21 Tage

Bei epileptischen Anfällen durch hohe Penicillindosis

Benzylpenicillin-Procain/Benzylpenicillin-Natrium

Retacillin compositum

1,2-2,4 Mio. IE/Woche i.m.

7-14 Tage

Anschließend: Benzathin-Penicillin

 

3mal/Woche 2,4 Mio. IE i.m.

3 Wochen

Bei Penicillinallergie

Doxycyclin

DoxyHexal

2mal/Tag 100-200 mg i.v.

30 Tage

Schwangerschaft

Benzathin-Penicillin

Pendysin

2,4 Mio. IE i.m.

1-3mal (im Abstand von 1 Woche)

Bei Penicillinallergie

Erythromycin 3

Erythrocin

4mal/Tag 500 mg p.o.

je nach Stadium

Azithromycin

Zitromax

1mal/Tag 500 mg p.o.

je nach Stadium

Ceftriaxon

(cave: in 10% Kreuzallergie!)

Rocephin

250-1000 mg/Tag i.v. oder i.m.

je nach Stadium

Hinweis(e)

Historie: 1495 trat die Syphilis zum ersten Mal bei der Belagerung Neapels durch den französischen König Karl VIII auf. Daraufhin überzog innerhalb von fünf Jahren eine Syphilis-Epidemie ganz Europa. Den Verlauf ihrer Ausbreitung kann man an den Namen erkennen, die die verschiedenen Völker ihr gaben, je nachdem, wo man die Quelle der Ansteckung vermutete:

  • Italien: Französische oder keltische Krankheit
  • Frankreich: Italienische oder neapolitanische Krankheit
  • Spanien: Französische Krankheit
  • England: Französische Krankheit
  • Schottland: Englische Krankheit
  • Deutschland: Französische Krankheit
  • Polen: Deutsche Krankheit
  • Ungarn: Französische Krankheit
  • Russland: Polnische Krankheit
  • Mongolei: Russische Krankheit
  • Japan: Chinesisches Himmelsstrafengeschwür.

Nach der Columbus-Theorie wurde die Syphilis von Christoph Columbus bzw. seinen Matrosen eingeschleppt, als er 1495 nach der Entdeckung Amerikas nach Europa zurückkehrte. Inzwischen wird die Columbus-Theorie angezeifelt. Es gibt Hinweise, dass die Syphilis in einer harmloseren Form, als Hautkrankheit, schon im alten Griechenland oder im präkolumbianischen Amerika existierte. Der Name Syphilis geht auf ein 1530 veröffentlichtes Gedicht des venezianischen Gelehrten Girolamo Fracastoro zurück, das die Geschichte des Hirten Syphilus zum Inhalt hat, der unter dieser Krankheit litt.

Die Reinzüchtung des Syphiliserregers gelang 1911 erstmals dem japanischen Bakteriologen Noguchi Hideyo.

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Adam B (2001) Die Strafe der Venus. Eine Kulturgeschichte der Geschlechtskrankheiten. Orbis, München
  2. Nenoff P et al. (2017) Nonviral sexually transmitted infections-epidemiology, clinical manifestations, 
    diagnostic workup, therapy : Part 3: Treponemes, Gardnerella and trichomonads. Hautarzt 68:136-148. 

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Zuletzt aktualisiert am: 03.10.2024