Polychondritis rezidivierendeM94.1

Autoren:Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

Alle Autoren dieses Artikels

Zuletzt aktualisiert am: 20.08.2024

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Synonym(e)

Askanazy-Syndrom; Chondromalazie systematisierte; Generalisierte chondrolytische Perichondritis; Panchondritis; Perichondritis generalisierte chondrolytische; Polychondritis chronica atrophicans; Polychondritis recidivans et atrophicans; Polychondritis rezidivierende; Relapsing Polychondritis; rezidivierende Polychondritis; Rheumatismus des Knorpelsystems; Systematisierte Chondromalazie; Von Meyenburg-Altherr-Uehlinger-Syndrom; Von-Meyenburg-Altherr-Uehlinger-Syndrom

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Erstbeschreiber

Jaksch-Wartenhorst, 1923; Altherr u. Meyenburg, 1936

Definition

Seltene, entzündlich-rheumatische Systemerkrankung mit bevorzugtem Befall des artikulären und nicht artikulären Knorpels mit Chondrolyse, Dystrophie und Atrophie. Leitsymptome sind die Ohrmuschelchondritis und die nasale Chondritis sowie Arthralgien und Arthritiden (bei 1/3 der Patienten als Initialsymptome). Weiterhin besteht möglicher Befall des hyalinen Gelenkknorpels sowie des Faserknorpels von Zwischenwirbelscheiben.

Vorkommen/Epidemiologie

Sehr selten, Inzidenz liegt bei 0,35/100.00/Jahr; in < 30% Assoziation mit anderen Systemerkrankungen (Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises, Vaskulitiden, Kollagenosen, Sjögren-Syndrom); Geschlechtsverteilung: f:m =  7:10 (n=158 Fälle). Die Erkrankung tritt bei allen Ethnien auf mit geringgradiger Häufung bei Kaukasieren. 

Ätiopathogenese

Unbekannt, vermutlich Autoimmunkrankheit mit Autosensibilisierung gegen Knorpelgewebe (Kollagen Typ 2?). Assoziationen mit HLA DR 4.  

Manifestation

V.a. zwischen 4. bis 6. Lebensjahrzehnt auftretend (durchschnittlich: 45,3 Jahre). In jedem Alter möglich.

Klinisches Bild

Häufig Beginn mit Entzündung der Ohrknorpel (> 80%): Rezidivierend auftretende, Tage bis Wochen dauernde Entzündungen der Ohrmuscheln; diese sind hochrot und schmerzhaft. Spätfolgen sind "Blumenkohl- oder Waschlappenohren". Charakteristisch ist das "Freibleiben" der Ohrläppchen (keine Knorpelanteile!).

Katarrh der oberen Luftwege, grippale Infekte, Abgeschlagenheit, Atemnot (Erweichung des Knorpels in Kehlkopf und Luftröhre (31-67%).

Häufig Nasenbeteiligung: Entzündungen des Nasenknorpels sind oft mit Epistaxis und Rhinorrhoe verbunden. Später Ausbildung einer "Sattelnase".

Polyarthritis (Rheumafaktor negativ!) in 80% der Fälle mit charakteristischen rheumatoiden Beschwerden. Die Arthritis verläuft asymmetrisch, schubförmig, wandernd und zeigt keine einheitliche Korrelation zu den extraartikulären Beschwerden.

Entzündlicher Augenbefall:  Konjunktivitis, Episkleritis, Iridocyklitis, Retinitis (49-65% d. Fälle).

Gefäßbeteiligung: Aortenaneurysma und -insuffizienz.

Neurologische Symptome (2-8% d. Fälle)

Nierenaffektionen (7-26% d. Fälle)

Hautbefall: Vaskulitis (4-38%)

Labor

BSG-Erhöhung, Leukozytose, reaktives Protein positiv. Urin: Saure Mukopolysaccharide erhöht, Proteinurie.

Histologie

Verlust der Basophilie des Knorpels, entzündliche lymphozytäre Infiltrate, Knorpelfragmentation, Fibrosierung. Die Epidermis ist unauffällig.

Diagnose

Diagnostische Kriterien (zitiert n. Krumbholz et al.):

  1. Rezidivierende Chondritis des Ohrknorpels (Blumenkohlohr)
  2. Nichterosive seronegative Polyarthritis
  3. Chondritis des Nasenknorpels (Sattelnase)
  4. Augenbefall (50% d. Fälle: Episkleritis, Iridozyklitis)
  5. Chondritis des Respirationstraktes
  6. Befall des audiovestibulären Systems.
  • Nicht aufgeführt sind  Fieber und Allgemeinsymptome

Nach McAdam: Für die Diagnose müssen 3 der 6 Kriterien erfüllt sein. Nach Damiani: 3 der 6 Kriterien müssen erfüllt sein. Alternativ: 1 Kriterium muss erfüllt sein + histologischer Nachweis der Chondritis oder 2 Kriterien müssen erfüllt sein + Ansprechen auf Glukokortikoide oder Dapson.

Differentialdiagnose

Komplikation(en)

  • Knorpeldestruktionen z.B. des Bronchialsystems.
  • Kombinationen mit anderen Erkrankungen (ca. 1/3 der Fälle): Systemische Vaskulitiden, chronische Polyarthritis, juvenile rheumatoide Arthritis, systemischer Lupus erythematodes, Sjögren Syndrom, Morbus Reiter, Arthritis psoriatica, progressive systemische Sklerodermie, Schilddrüsenerkrankungen (Hashimoto-Thyreoiditis), Colitis ulcerosa, primäre biliäre Zirrhose.

Interne Therapie

  • Glukokortikoide: Mittel der ersten Wahl. Initial Glukokortikoide wie Prednison (z.B. Decortin) 40-60 mg/Tag p.o., Reduktion nach Klinik auf 5-25 mg/Tag p.o. Cave! Magenschutz, z.B. mit Riopan Gel.
Als Alternativen bzw. ergänzend sind folgende Medikamente mit unterschiedlichem Erfolg beschrieben:

Verlauf/Prognose

Chronischer Verlauf über 3-5 Jahre. Die Prognose ist ernst, sie ist abhängig von der Beteiligung der Atemwege (Infektionen) und des Herzens. 5-Jahres-Überlebensrate 75%

Fallbericht(e)

Fall1. Die 76-jährige alleinstehende Rentnerin, bemerkte innerhalb von 4 Tagen eine hochrote, druckschmerzhafte Schwellung der rechten Ohrmuschel. Kein Fieber, kein Schüttelfrost, keine Lymphknotenschwellungen. Vorerkrankungen: AV-Block 3. Grades, Larynxschwellung mit Stimmbandlähmung vor zwei Jahren, erythematöse Schwellung der Nase vor 1 Jahr.
  • Labor: CRP 38,2 mg/l (leicht erhöht), Leukozyten 10.200/μl; Antistreptolysintiter 80,4 IU/ml (Normbereich), Rheumafaktor neg.; kein Nachweis von Kollagen II Antikörpern.
  • Verlauf: Zunächst lautet die Diagnose V.a. Erysipel. Cave! Typische Fehldiagnose.
  • Therapie: Versuch mit 3mal/Tag 5 Mio. IE Penicillin G sine effectu, darunter zunehmende Schwellung des Ohres. Bei kritischer Evaluation der Symptomatik Revision der Verdachtsdiagnose: Rezidivierende Polychondritis.
  • Histologie (HE-Färbung): In der oberen Dermis geringe, zur Tiefe hin dichte perivaskuläre, lymphozytäre Infiltrate. Knorpel unauffällig. DIF: Interstitielle Ablagerungen von IgG, Fibrinogen, C3.
  • Therapie: Prednisolon 100 mg/Tag p.o. (stufenweise Reduktion auf 25 mg innerhalb von 14 Tagen), Azathioprin 2mal/Tag 50 mg p.o. Innerhalb von 2 Tagen schlagartige (!) klinische Besserung. Pat. wurde auf eine Dauertherapie (Prednisolon 5 mg/Tag und Azathioprin 100 mg/Tag) eingestellt mit zufriedenstellendem Ergebnis.
Fall 2. Die 53-jährige Patientin klagte seit etwa 3 Monaten über rezidivierende, schmerzhafte Schwellung und Rötung der linken Ohrmuschel, gelegentlich auch der rechten Ohrmuschel. Weiter bestanden zeitweise Schwellungen und Schmerzen am rechten Sprung- und Handgelenk, passagere Hörstörungen sowie phasenhafte Rötungen des linken Auges.
  • Dermatologischer Befund: Auf Berührung flächenhafte, hochschmerzhafte, sattrote Schwellung der linken Ohrmuschel, wobei das Ohrläppchen scharfbegrenzt ausgespart blieb.
  • Weitere klinische Befunde: Rötung des linken Auges (ophthalmologischer Befund: Iridozyklitis). Geschwollen und bewegungseingeschränkt schmerzhaft zeigte sich das rechte Handgelenk (Skelettszintigramm: deutliche Mehrbelegung).
  • Histologie Die Epidermis ist unauffällig. Schüttere lymphozytäre perivaskulär orientierte Infiltrate; Angeschnittener Knorpel: Verlust der Basophilie des Knorpels, entzündliche lymphozytäre Infiltrate, Knorpelfragmentation.
  • Labor: BSG-70/120 mm nw.; CRP: 150mg/l; 12.00 Leukozyten/ml; Proteinurie. Antikörper gegen Kollagen II negativ.
  • Röntgen-Thorax Befund o. B.
  • Herzecho Keine Hinweise für eine Beteiligung des Herzens
  • Diagnose: Aufgrund der typischen Klinik mit Beschwerden an verschiedenen Organsystemen (hier: Ohr mit typischer Aussparung des Ohrläppchens, Auge, Gelenke) und unter Berücksichtigung der Anamnese sowie der Histologie, wurde die Diagnose "rezidivierende Polychondritis" gestellt.
  • Therapie und Verlauf: Prednisolontherapie (beginnen mit 150mg/Tag und degressiver Dosierung, konsekutive Therapie 15mg/Tag mit überlappender Dauertherapie von Azathioprin 1,5mg/kgKG); darunter prompte und deutliche Befundbesserung aller Symptome. Während der 6-monatigen Nachbeobachtung besteht ein stabiler Befund mit allenfalls geringer Deformität des Ohres.

Literatur

  1. Altherr F (1936) Über einen Fall von systematisierter Chondromalacie. Virchows Arch Pathol Anat 297: 445-479
  2. Asadi AK (2003) Relapsing polychondritis. Dermatol Online J 9: 3
    Dion J et al. (2017) Relapsing polychondritis: What's new in 2017?  Rev Med Interne 39:400-407
  3. Gollhausen R et al. (1988) Polychondritis recidivans et atrophicans. Hautarzt 39: 240-242
  4. Jaksch-Wartenhorst R (1923) Polychondropathia. Wien Arch Inn Med 6: 93-100
  5. Köllner A et al. (1990) Rezidivierende Polychondritis. Akt Dermatol 16: 357-360
  6. Kent PD et al. (2004) Relapsing polychondritis. Curr Opin Rheumatol 16: 56-61
  7. Krumbhol A et al. (2004) Rezidivierende Polychondritis als seltene Differentialdiagnose des Erysipels. JDDG 2: 286-289
  8. Lin DF et al. (2016) Clinical and prognostic characteristics of 158 cases of relapsing polychondritis
    in China and review of the literature. Rheumatol Int 36:1003-1009.
  9. Rüger R.D et al. (2011) Rezidivierende Rötung und Schwellung des Ohres: Benigner Verlauf einer rezidivierenden Polychondritis. Abstract-CD 46. DDG-Tagung: P15/09
  10. Vroman D et al. (2003) Images in clinical medicine. Relapsing polychondritis. N Engl J Med 349: e3

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