Granulomatose mit PolyangiitisM31.3

Autoren:Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

Alle Autoren dieses Artikels

Zuletzt aktualisiert am: 20.08.2024

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Synonym(e)

Angiitis maligne granulomatöse; GPA; Granulomatosis with polyangiitis; Maligne granulomatöse Angiitis; Rhinogene Granulomatose; Wegener Granulomatose; Wegener-Klinger-Churg-Strauss-Syndrom; Wegener´sche Granulomatose; Wegener's granulomatosis

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Erstbeschreiber

McBride, 1897; Klinger, 1931; Wegener, 1936

Definition

Seltene, nekrotisierende Systemvaskulitis mit vorwiegendem Befall der kleinen und mittelgroßen Gefäße. Es kommt zur Ausbildung nicht verkäsender Granulome im Bereich des Nasen-, Mund- und Rachenraumes sowie der Lungen. Eine Nierenbeteiligung wird in etwa 80% der Fälle gefunden .

Vorkommen/Epidemiologie

Inzidenz: 0,5-3/100.000 Einwohner/Jahr. Prävalenz: 5/100.000 Einwohner/Jahr. Panethnisch, überwiegend bei hellhäutiger Bevölkerung. 

Ätiopathogenese

Diskutiert wird eine granulomatöse Vaskulitis sowie Störungen der Leukozytenfunktion.

Autoimmunmechanismen: Hinweise auf Autoimmunerkrankung durch Nachweis von Antikörpern gegen zytoplasmatische Strukturen in neutrophilen Granulozyten und Monozyten (ANCAs) sind beschrieben.

Genetik: Die Assoziation mit HLA-B8 und HLA-DR2 weist auf die Bedeutung genetischer Faktoren hin.

Umweltfaktoren (Silikose): Bei diesem Personenkreis wurde ein mehr als 24-faches Risiko für eine systemische Sklerodermie und für ANCA+-Vaskulitiden festgestellt) (Makol A et al. 2011).

Pathogenese: Es wird diskutiert, dass es durch Zytokine (Interleukin-1, Tumor-Nekrose-Faktor alpha) im Rahmen eines Infektes zur Aktivierung von Endothelzellen und Granulozyten kommt, mit der Folge erhöhter Adhäsion von Entzündungszellen an Gefäßwandendothelien. Von Granulozyten und Monozyten synthetisierte und freigesetzte, gewebstoxische Mediatoren (Proteasen, reaktiver Sauerstoffspezies) führen dann zur nekrotisierenden Veränderung an den Gefäßen.

Die Rolle der ANCAs beim Aktivierungsprozess der Granulozyten ist noch nicht vollständig geklärt, es gibt aber Hinweise, dass die Antikörper die Bildung von Sauerstoffradikalen erhöhen können. Diskutiert wird eine molekulare Mimikry zwischen den ANCA-Zielantigenen und best. Adhäsionsproteinen von Bakterien.

Manifestation

In jedem Lebensalter möglich, meist 40.-50. LJ; keine Geschlechtsbevorzugung.

Klinisches Bild

Klassische Trias aus HNO-Beteiligung, Lungenmanifestation u. Nierenbeteiligung!

  • Initial meist Entwicklung von schmerzhaften oder schmerzlosen, oralen oder nasalen bzw. paranasalen Ulzera mit eitriger oder blutiger Sinusitis und Rhinitis (Carnevale C et al. 2019)
  • Otitis media oder Mastoiditis 
  • Schlechter Allgemeinzustand mit Fieber 
  • Beteiligung der Lungen mit Hämoptoe.
  • Nierenbeteiligung in Form einer Immunkomplex-negativen, häufig nekrotisierenden, extrakapillär proliferativen Glomerulonephritis (Rapid Progressive Glomerulonephritis) mit dem klinischen Bild eines rasch progredienten Funktionsverlustes. Meist interstitielle Entzündungszeichen in der Niere nachweisbar.
  • Mitbeteiligungen von Augen (klinisch: "Rotes Auge"- Episkleritis oder Skleritis), Speicheldrüsen, Pleura, Herz, Genitaltrakt, Milz, Gastrointestinaltrakt.
  • Beteiligung der Haut (schmierig belegte Ulzerationen)
  • Gelenkbefall (polyartikuläre Arthralgien) und Befall des zentralen Nervensystems sind in unterschiedlicher Häufigkeit beschrieben.
  • Klinische Zeichen können neben Rhinitis, Otitis, Schwerhörigkeit, Anosmie, Kieferschmerzen (Gingivitis), Uveitis, Retinitis, Orchitis, Arthralgien auch neurologische Symptome wie z.B. Mononeuritis multiplex sein.

Mehrphasiger Verlauf (EUVAS-Definition):

  1. Lokalisiertes Stadium: Zunächst Monate bis Jahre dauerndes, laviertes lokalisiertes Stadium ohne oder mit milden Systemzeichen.
  2. Frühsystemisches Stadium: Jede Manifestation ohne Organ- oder Vitalbedrohung.
  3. Generalisationsstadium: Renale Beteiligung oder andere organbedrohliches Manifestation. Meist unvermittelter Übergang in ein generalisiertes Stadium mit schweren Systemzeichen (s.o.).
    • Haut- und Schleimhautveränderungen (in 40-50% der Fälle): Ulzeröse oder granulomatöse Veränderungen an Lippen, Zunge, Wangenschleimhaut, Gaumen, Rachen, ggf. Perforationen. Vesikulöse, papulonekrotische, auch urtikarielle, ulzerierende Hautveränderungen, vor allem über den Streckseiten großer Gelenke
  4. Schweres, vitalbedrohliches Generalisationsstadium mit Nierenversagen oder Versagen eines anderen Vitalorgans.
  5. Refraktäres Stadium: Progressive Erkrankung ohne Ansprechen auf Kortikosteroide oder Cyclophosphamid.

Labor

Leukozytose (10.000-20.000 Leukozyten/μl) (manchmal Eosinophilie in Blut und Gewebe) Thrombozytose, Anämie und Hypergammaglobulinämie in Bl

meist exzessive Erhöhung von BSG und C-reaktivem Protein

Nachweis zirkulierender Immunkomplexe

Nachweis von antineutrophilen zytoplasmatischen Antikörpern (in 90%) mit zytoplasmatischem Fluoreszenzmuster: c-ANCA; PR3-ANCA (am häufigsten positiv), MPO-ANCA (10-20%).

Bei Nierenbeteiligung häufig Nachweis von Antikörper gegen LAMP-2.

Histologie

Histopathologischer Algorithmus der Granulomatose mit Polyangiitis (kleinste gemeinsame Nenner:kursiv, Leitsymptome:fett) variiert n. Ratzinger et al. 2105
Akzentuiert um postkapilläre Venolen und größere Gefäße in Haut und Subkutis
Kapillaren ausgespart oder weniger stark beteiligt
perivaskuläre Leukozytoklasie
Schädigung von Endothelzellen
Fibrin in/im Bereich von Gefäßwänden
Perivaskuläre Extravasation von Erythrozyten
Kein/leichtes Ödem in der papillären Dermis
Kollagendegeneration mit basophilen nekrotischen Läsionen in variablem Ausmaß, umgeben von Palisadengranulomen 
Keine signifikante Anzahl von Eosinophilen
Plasmazellen oder Fibrosklerose
Reorganisation durch lymphozytäre Vaskulitis

Indirekte Immunfluoreszenz

ANCA (antineutrophile zytoplasmatische Autoantikörper) in 90% der Fälle, hochspezifisch, Korrelation mit Krankheitsakuität.

Diagnose

Diagnoseweisend ist mit hoher Sensitivität und Spezifität der Nachweis anti-neutrophiler zytoplasmatischer Antikörper (ANCA) im Serum gegen unterschiedliche Antigene, am häufigsten gegen die Serin-Protease-3-PR3 im ELISA. ANA-negativ. Gewinnung von Biopsien aus Haut oder Schleimhaut.

Zur Klassifikation sollten 2 von 4 Kriterien der ACR-Kriterien (1990) zutreffen:

  1. Entzündung von Nase und Mund mit Ulzera und purulenter Sekretion
  2. Knoten, Infiltrationen oder Kavernennachweis im Rö-Thorax
  3. Nephritisches Urinsediment (Erythrozyturie > 5 Erythrozyten/Gesichtsfeld oder Erythrozytenzylinder)
  4. Bioptisch nachgewiesene granulomatöse Entzündung in arteriellen Gefäßwänden oder perivaskulär.

Differentialdiagnose

Komplikation(en)

Hämorrhagische Zystitis (erhöhtes Risiko für Entstehung eines Blasenkarzinoms) bei Therapie mit Cyclophosphamid.

Interne Therapie

  • Frühphase/granulomatöse Phase/abortive Form:
    • Therapie mit Cotrimoxazol (z.B. Eusaprim forte): 2mal/Tag 160 mg/800 mg p.o.
  • Akute Phase (Standardtherapie):
    • Cyclophosphamid (z.B. Endoxan) und Prednisolon (z.B. Decortin H) nach dem FAUCI Schema: Cyclophosphamid 2-(4) mg/kg KG/Tag und Prednisolon 0,5-1 mg/kg KG/Tag. Reduktion von Prednisolon innerhalb von 3-6 Monaten unter die Cushing-Schwelle (7,5 mg/Tag).
      Nach Remission (cANCA-Titer) Bolustherapie mit 15-20 mg Cyclophosphamid/Tag alle 3-4 Wochen.
      Cave! Magenschutz bei oraler Glukokortikoidgabe!
      Blasenschutz bei Cyclophosphamidtherapie mit Uromitexan (z.B. Mesna), großzügige tägliche Trinkmenge (Bilanzierung!), Antikonzeption, langfristig Kontrollen der Harnblase, da Gefahr der Entwicklung eines Harnblasenkarzinoms besteht.
    • Alternativ: Ciclosporin A (Sandimmun): 7-10 mg/kg KG/Tag. Kontrolle der Nierenwerte und des Blutdrucks.
      Methotrexat (z.B. MTX) 15-25 mg/Woche i.m. Cave! Regelmäßige Kreatinin- und Urin-pH Wert-Kontrollen.
  • Chronische Phase:
    • Azathioprin (z.B. Imurek) 100-150 mg/Tag p.o. in Kombination mit Glukokortikoiden wie Prednisolon (z.B. Decortin H) 1 mg/kg KG/Tag. Prednisolon im weiteren Verlauf unter die Cushing-Schwelle reduzieren. Azathioprin erst nach Remission schrittweise auf Erhaltungsdosis von z.B. 50 mg/Tag senken. Alternativ Methotrexat (z.B. MTX) s.o.
  • Hoch-akuter Verlauf:
    • Plasmapherese in Kombination mit der o.g. immunsuppressiven Therapie.
  • Alternativ:
    • Therapieversuche mit Applikation von hoch dosierten Immunglobulinen ( IVIG) mit 30 g/Tag über 5 Tage i.v. oder Infliximab zeigen bei therapierefraktären Patienten in der neueren Literatur Erfolg versprechende Ergebnisse.

Verlauf/Prognose

Unbehandelt zeigt die GPA eine Mortalität von 80% innerhalb von 2 Jahren. Rezidive bei 50-70% aller Patienten in einem Zeitraum von 10-15 Jahren.

Literatur

  1. Borchers T et al. (2004) Nodular pulmonary vasculitis in a twelve-year-old boy. Pediatr Pulmonol 37: 181-185
  2. Carnevale C et al. (2019) Head and Neck Manifestations of Granulomatosis with Polyangiitis: A Retrospective analysis of 19 Patients and Review of the Literature. Int Arch Otorhinolaryngol 23:165-171.
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  11. McBride P (1897) Photographs of a case of rapid destruction of the nose and face. J Laryngol Rhinol Otol (London) 12: 64-66
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