Pocken B03.x0

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 20.08.2024

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Synonym(e)

Blattern; echte Pocken; Pocken echte; Pockenvirus-Infektion; small pox; Variola; Variola vera; Variola vera (major) humana

Definition

Hoch kontagiöse, schwere, häufig letal verlaufende Viruserkrankung. 1979 Ausrottung der Pocken von der WHO verkündet. Verdacht der Erkrankung ist meldepflichtig. Im Rahmen des Bioterrorismus haben die Pockenviren wieder an Aktualität gewonnen.

Erreger

Variola-verus-Virus (= Paschensches Elementarkörperchen). DNA-haltiges Quadervirus der Pox-Gruppe. Natürlicher Wirt ist der Mensch.

  • Größe: 200-400 nm, also auch in einem sehr guten Lichtmikroskop zu erkennen.
  • Form: rechteckig bis oval.
  • Behüllung: extrazellulär mit zwei, intrazelluär mit einer Hülle.
  • Das lineare, doppelstängige Genom besteht aus 130-300.000 Basenpaaren (BP), deren Enden durch kovalente Bindungen verbunden sind. Beide Enden zeigen eine "inverted terminal repeat" (ITR) Struktur, die ca. 10.000 BP lang ist. Es kodiert auf beiden Strängen für ca. 200 Proteine, wobei sich zwischen den Leserahmen kurze, nichtkodierte Sequenzen befinden. Die Gene der frühen bzw. späten Replikationsphase sind jeweils in Gruppen angeordnet.
  • Die Aufnahme des Virus geschieht durch Fusion der äußeren Virushülle mit der Zellmembran oder durch Endozytose nach Bindung auf der Oberfläche. Das Capsid liegt später frei im Zytoplasma vor. Ein mitgeführtes Protein sorgt sofort dafür, dass die DNA- und RNA-Synthese abgeschaltet wird, was auch die zelleigene Proteinsynthese zum Erliegen bringt. Noch im Capsid kommt es zur Transkription der "frühen" Gene, die durch mitgeführte Enzyme vermittelt wird. Dies geschieht in mikroskopisch sichtbaren "Virusfabriken", Guarnierische EK genannt. Ungefähr die Hälfte der Gene wird hierbei transkribiert, dann am 5' Ende mit einer CAP-Gruppe versehen und das 3' Ende polyadenyliert. Zwei hierbei entstehende Proteine sind für die Induktion der intermediären und "späten" frühen Gene von Bedeutung.
  • S.u. Pockenviren.

Ätiopathogenese

Übertragung von Mensch zu Mensch, vor allem durch Tröpfcheninfektion, aber auch durch Inhalation virushaltigen Staubes. Schmierinfektion, indirekt über Kleidung oder Gegenstände oder Verschleppung der Erreger durch Fliegen auf Nahrungsmittel.

Lokalisation

Am ganzen Integument, am dichtesten im Gesicht, an Kopf, Extremitäten und Akren. Reihenfolge des Befalles: Kopf, Arme, Rumpf, Unterschenkel, Füße. Auch Schleimhäute.

Klinisches Bild

Inkubationszeit: 7-17 Tage.

Initialstadium: Über 3 Tage Fieber 40-41 °C, Tachykardie, Erbrechen, Kopf- und Gliederschmerzen. Initialexanthem: Kleine, leicht erhabene, rote Flecken, Beginn im Gesicht und an den Armen, Ausbreitung über den ganzen Körper. Lidödem. Temperaturabfall nach ca. 3 Tagen.

Eruptionsstadium: Am 5. Tag papulöse Umwandlung der Flecken, Ausbildung klarer Bläschen, die etwa am 8. Tag eitrig eintrüben. Ausbildung linsen- bis erbsgroßer, mehrkammeriger, zentral eingedellter, von düsterrotem Hof umgebener Pusteln. Monomorphes Bild innerhalb eines Dermatoms, unterschiedliche Entwicklungsstadien in verschiedenen Dermatomen. Suppurationsstadium: Temperaturanstieg, deliranter Zustand, Lymphknotenschwellungen, Hepatosplenomegalie.

Exsikkationsstadium: Etwa am 12. Tag: Austrocknung der Pusteln, dicke Krusten. Ausbildung schlüsselförmig eingezogener, bei Farbigen de-, bei Weißen hyperpigmentierter Narben.

Nach Impfung: Abgeschwächter Verlauf. Eruption flächenhafter Ekchymosen statt der Bläschen möglich.

Histologie

Mehrkammerige intraepidermale Pustel, ballonierende Degeneration und retikulierende Degeneration des Stratum spinosum.

Diagnose

Elektronenmikroskopischer Virusnachweis (Negativstaining), phasenkontrast- bzw. fluoreszenzmikroskopische Untersuchung des Bläschen- und Pustelinhalts. Anzüchten des Virus. Serologisch: Spezifischer komplementbindender, hämagglutinationshemmender Antikörper.

Komplikation(en)

Bronchitis, Pneumonie, toxische Myokarditis, Nephritis, Superinfektionen, Osteomyelitis, Enzephalomyelitis.

Therapie

Isolierung, Bettruhe, Antibiotika zur Verhinderung von Sekundärinfektionen. Lokal: Desinfizierende, austrocknende Maßnahmen. In der Inkubationszeit postexpositionelle Pockenschutzimpfung.

Verlauf/Prognose

Im Suppurationsstadium Tod infolge von Intoxikation und Herzschwäche in 10-30% der Fälle, bei geringem Hautbefall Letalität 5-10%, bei hämorrhagischen Pocken 80%. Nach Überstehen der Erkrankung lebenslängliche Immunität, Kreuzimmunität mit Variola minor, Vaccinia, Kuhpocken. Narbige Abheilung der Effloressenzen.

Prophylaxe

Eine postexpositionelle Impfung (möglichst innerhalb von 4 Tagen nach Exposition) für alle Kontaktpersonen ist notwendig. Deren Effektivität hängt vom Zeitpunkt der Impfung nach Exposition ab und sollte möglichst frühzeitig erfolgen, s.u. Pockenschutzimpfung.

Literatur
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  1. Fölster-Holst R (2018) Weitere Viruserkrankungen in der Dermatologie. In: G. Plewig et al.(Hrsg) Braun-Falc0`s Dermatoloögie, Venerologie und Allergologie, Springer Reference Medizin S.127-128

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