Fleckfieber, epidemisches A75.9

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 20.08.2024

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Synonym(e)

Epidemisches Fleckfieber; Exanthematous typhus by body lice; Fleckfieber klassisches; Flecktyphus; klassisches Fleckfieber; Läusefleckfieber; Typhus, epidemic; Typhus exanthematicus

Erstbeschreiber

Ricketts, 1909; Brill, 1910

Definition

Heute seltene, durch Läuse übertragene Rickettsiose, die zu einer schweren, systemischen, häufig letal verlaufenden Vaskulitis führt. Meldepflicht!

Erreger

Rickettsia prowazekii.

Ätiopathogenese

Infizierte Kleiderläuse übertragen die Rickettsien von Mensch zu Mensch. Eine Ansteckung ist auch durch Inhalation oder Inokulation von kontaminierten Läusefaeces möglich. Die Erreger werden von den Läusen während des Saugaktes mit den Faeces abgegeben bzw. bei Verletzung der Läuse freigesetzt und aufgrund des starken Juckreizes über kleine Hautläsionen in den menschlichen Organismus "eingerieben". Während der febrilen Phase und auch noch 2-3 Tage nach Entfieberung können die Erreger von den Läusen während des Saugaktes aufgenommen werden. Infizierte Läuse sterben innerhalb von 1-3 Wochen, keine Weitergabe an die Nachkommen. Der Mensch ist neben einer Eichhörnchen-Spezies das Hauptreservoir.

Klinisches Bild

  • Inkubationszeit: 7-14 Tage. Nach unspezifischen Prodromi (Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit) folgt eine hohe Fieberkontinua mit Somnolenz.
  • Integument: Am 3. bis 6. Tag nach Krankheitsbeginn Auftreten verschieden großer, teils konfluierender, blassroter bis bläulicher Roseolen, die sich von der oberen auf die untere Rumpfpartie und auf die Extremitäten ausbreiten. Beteiligung von Palmae und Plantae. Zum Teil punktförmige Hämorrhagien im Zentrum der Roseolen. Facies typhosa: Livid gerötetes Gesicht. Außerdem Pediculosis corporis.
  • Neurologische Symptomatik: Muskelzuckungen, Druckempfindlichkeit peripherer Nerven, motorische Unruhe. Hypotone Blutdruckkrisen. Konjunktivitis, Bronchitis, Splenomegalie.
  • Bei ungenügend langer Antibiotika-Therapie können Spätrezidive in abgeschwächter Form auftreten (sog. Brill-Zinsser-Krankheit), nicht jedoch nach überstandener unbehandelter Erkrankung (lebenslange Immunität).

Labor

Leukopenie, Eosinophilie.

Diagnose

Agglutinationstest ( Weil-Felix-Reaktion in der 2. Krankheitswoche), Komplementbindungsreaktion (2.-3. Krankheitswoche), Rickettsien-Mikroagglutination, indirekter Immunfluoreszenztest (2.-3. Krankheitswoche).

Differentialdiagnose

Therapie allgemein

Falls notwendig: Intensivmedizinische Maßnahmen zur Stabilisierung des Kreislaufs, Flüssigkeits- und Eiweißersatz, Elektrolyte. Impfstoff vorhanden.

Externe Therapie

Therapie der Pediculosis corporis.

Interne Therapie

Antibiose direkt bei Verdacht einleiten, da bei früh einsetzender Therapie die Letalitätsrate niedrig ist. Mittel der Wahl ist Doxycyclin (z.B. Doxycyclin Heumann). In akuten Fällen für Erwachsene 100 mg alle 6-8 Std. i.v. über 5-10 Tage bis zur völligen Fieber- und Erscheinungsfreiheit. In leichten Fällen Doxycyclin 200 mg/Tag als Einmaldosis.

In schweren Fällen mit beginnender Generalisierung sind zusätzlich Glukokortikoide zu erwägen, um die toxische Nebensymptomatik abzufangen, z.B. Prednisolon (Decortin H) 100-125 mg/Tag i.v. über 2-3 Tage.

Verlauf/Prognose

Bei frühzeitiger Therapie günstig, sonst hohe Letalität.

Hinweis(e)

Das epidemische Fleckfieber und das murine (endemische) Fleckfieber sind klinisch, pathologisch und serologisch ähnlich. Beim epidemischen Fleckfieber des Menschen handelte es sich um einen Mensch-Laus-Mann-Zyklus (heterogen-homonome Infektionskette) ohne ein tierisches Reservoir. Dieses Konzept wird nun in Frage gestellt. Antikörper gegen R. prowazeki wurden bei Nutztieren in Afrika, bei Ratten in Manila und bei Flughörnchen und Menschen in den Vereinigten Staaten nachgewiesen. R. prowazeki wurde aus Blutproben von Ziegen, Schafen, aus Ixodid-Zecken, Läusen und Floh-Ektoparasiten von Flughörnchen sowie aus Geweben von Flughörnchen gewonnen. In den Vereinigten Staaten wurden mehr als 20 Fälle von akutem epidemischem Typhus durch Flughörnchen gemeldet. R. prowazeki wurde bei menschlichen Fällen nicht nachgewiesen. Chemische Untersuchungen von R. prowazeki und R. typhi zeigen genetische Ähnlichkeiten, aber Unterschiede in der Genomgröße und im Grad der Hybridisierung deuten darauf hin, dass Konversionen zwischen den beiden Erregern in der Natur nicht schnell stattfinden. Es wird angenommen, dass ihre Verwandtschaft mit der Zeit noch enger wird (Woodward TE 1982)

Literatur
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  1. Brill NE (1910) Acute infectious disease of unknown origin. A clinical study based on 221 cases. Am J Med Sciences 139: 484-502
  2. Coker C et al. (2003) Development of Rickettsia prowazekii DNA vaccine: cloning strategies. Ann N Y Acad Sci 990: 757-764
  3. Fournier PE et al. (2002) Human pathogens in body and head lice. Emerg Infect Dis 8: 1515-1518
  4. Ge H et al. (2003) Genomic studies of Rickettsia prowazekii virulent and avirulent strains. Ann N Y Acad Sci 990: 671-677
  5. Lutwick LI et al. (2001) Brill-Zinsser disease. Lancet 357: 1198-1200
  6. Massung RF et al. (2001) Epidemic typhus meningitis in the southwestern United States. Clin Infect Dis 32: 979-982
  7. Nicolle SH, Comte C, Conseil E (1909) Transmission experimentale du typhus exanthematique par pou du corps. CR Acad Sci 149: 486-489
  8. Nicolle SH, Comte C, Conseil E (1910) Experimental Transmission of Exanthematous Typhus by body lice (Pediculus vestimenti). Ann Past Inst 24: 261-267
  9. Ricketts H (1909) A micro-organism which apparently has a specific relationship to Rocky Mountain spotted fever. J Am Med Soc 52: 379-380
  10. Woodward TE (1982) Murine and epidemic typhus rickettsiae: how close is their relationship? Yale J Biol Med 55(3-4):335-41.

  11. Zinsser H (1934) Varieties of typhus virus and the epidemiology of the American form of European typhus fever (Brill’s disease). Am J Hygiene 20: 513-532

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