Cimikose T00.9

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 18.01.2025

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Synonym(e)

Bedbugs; Bettwanzen; Bettwanzenstiche; Cimex lectularis; Cimicosis; Pigeon bugs; Wanzenstiche

Definition

Durch Stiche blutsaugender Wanzen (Cimex lectularis/Bettwanzen, Cimex columbarius /Taubenwanzen, sehr selten - Oeciacus hirundinis/Schwalbenwanzen) hervorgerufene, heftig juckende, Hauterscheinungen. Heutzutage in Zentraleuropa wieder zunehmend anzutreffen. zu den begünstigenden Faktoren gehören eine zunehmende Reisetätigkeit, der florierende internationale Handel, das gesunkene Bewusstsein der Bevölkerung, unzureichende Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen und die zunehmende Resistenz der Bettwanzen gegen Insektizide (Egg M et al. 2024). 

Vorkommen/Epidemiologie

Die gemeine Bettwanze, Cimex lectularius, war in den 1950er Jahren in Zentraleuropa praktisch verschwunden, wahrscheinlich aufgrund einer Verbesserung der allgemeinen Hygiene in den Wohnungen und des wirksamen Einsatzes von DDT und anderen chlororganischen Verbindungen .

Seit Anfang der 1990er Jahre sind Bettwanzen in Zentraleuropa wieder zunehmend anzutreffen (Egg M et al. 2024). Das weltweite Wiederauftreten betraf zwei Arten, C. lectularius und C. hemipterus. Letztere wird möglicherweise regelmäßig von Reisenden aus tropischen in gemäßigte Regionen eingeführt, aber die Wintermonate in Zentraleuropa sind wahrscheinlich zu kalt, als dass sich die Art dort etablieren könnte. Die Prävalenz von C. hemipterus ist viel geringer als die von C. lectularius. Die Gründe für das Wiederauftreten sind umstritten, aber die Resistenz gegen Insektizide scheint neben der Zunahme des internationalen Verkehrs durch Tourismus und Handel der Hauptfaktor zu sein.

Ätiopathogenese

Bettwanzen nisten v.a. in dunklen Ritzen von Möbeln, Wänden, hinter Bildern in verwahrlosten Räumen und suchen nachts den Menschen auf, z.B. durch herabfallen lassen von der Decke. Das mit dem Biss eingespritzte Speichelsekret ruft eine zunächst urtikarielle, später papulöse Hautreaktion hervor.

Lokalisation

Typischerweise an unbedeckten Körperteile. 

Klinisches Bild

Gruppiert stehende (fußstapfenartige- lineare Stichstraßen -  die aus 3-5 Bissen bestehen - sie werden auch als Frühstück-Mittagessen und Abendessen bezeichnet - die Lästlinge treffen bei den ersten Stichen nicht immer ein Blutgefäß sodass sie weiterwandern), bis 0,5 cm große, heftig juckende, hellrote Quaddeln, Papeln oder Plaques mit zentraler, punktförmiger, hämorrhagischer Stichstelle. Im Laufe von Tagen Umwandlung in stärker indurierte, weiterhin unterschiedlich stark juckende Papeln oder Plaques, evtl. Blasenbildungen. Gelegentlich entstehen auch Pusteln. Das im Wanzenspeichel vorkommende Nitrophorin scheint ein wichtiges Allergen darzustellen. 

Phänomen des Repetierens: Mitreaktion alter Läsionen beim Auftreten neuer Stiche. Abnahme der Intensität der Hauterscheinungen bei wiederholtem Befall.

Die Hautveränderungen können bis zu 10 Tage persistieren.

Differentialdiagnose

Differenzialdiagnose bei bullösen Wanzenstichen (variiert n. Maximilian Egg et al. 2024)

Flohstiche: bedeckte Hautareale, meist auf die untere Extremität beschränkt

Bullöses Pemphigoid (bei blasigen Wanzenstiche): ältere Menschen, allmählicher Beginn, keine lineare Läsionen, Beugeseiten der Gliedmaßen, Achselhöhlen, Nachweis von Pemphigoidantikörpern

Epidermolysis bullosa acquisita: Pralle Blasen, Erosionen, Narben und Milienbildung. Lokalisiert an mech. irritierten Stellen.

Lineare IgA-Dermatose: Kindheit oder Alter >60 Jahre, Vereinzel pralle Blasen auf nicht enzündeter Haut, gruppiert oder ringförmig,  Allmählicher Krankheitsbeginn, keine plötzliche Akuität, Schleimhautbeteiligung in >50% 

Bullöse Arzneimittelexanthem: exanthematisches Muster, gfls. auch fixes Arzneimittelexanthem (reptierendes Auftreten), multiforme Plaques, Anamnese mit Bezug zu Arzneimitteln 

Bullöse allergische (toxische) Kontaktdermatitis: Lokalisation mit Allergenkontaktstelle nachweisbar. Bei z.B. Gräserdermatitis Kontaktabdrücke nachweisbar.      

 

Komplikation(en)

Die Übertragung von mehr als 40 menschlichen Krankheiten wurde Bettwanzen zugeschrieben, aber es gibt kaum Belege dafür, dass eine solche Übertragung jemals stattgefunden hat. In älterer wissenschaftlicher Literatur wurde postuliert, dass Bettwanzen Überträger von Pest, Gelbfieber, Tuberkulose, Rückfallfieber, Lepra, Filariose , Kala Azar (Leishmaniose), Krebs, Pocken, Gelbfieber und Chagas-Krankheit (Trypanasoma cruzi) übertragen werden können. Kürzlich wurde die Möglichkeit der Übertragung des Humanen Immundefizienz-Virus und des Hepatitis-B-Virus (HBV) durch Bettwanzen untersucht und als unwahrscheinlich .

Der beste Kandidat für die Übertragung von Krankheiten auf den Menschen durch Bettwanzen ist HBV. Bettwanzen, die in Hütten in einem HBV-Endemiegebiet im Norden von Transvaal, Südafrika, gesammelt wurden, waren Hepatitis-B-Oberflächenantigen-positiv, ebenso wie Proben aus Senegal, Ägypten, der Elfenbeinküste und China. Es wurde auch nachgewiesen, dass das Hepatitis-B-Oberflächenantigen in Bettwanzen nach experimenteller Fütterung länger als 7 Wochen persistiert, aber es wurde keine Replikation von HBV in den Insekten nachgewiesen.

Bisher liegt keine Studie vor, die die „Vektorkompetenz“ von Bettwanzen (die Fähigkeit, einen Infektionserreger zu erwerben, zu erhalten und zu übertragen) nachgewiesen (Jourdain F et al. 2016).  

Therapie

Lokal mit Lotio alba oder ggf. Glukokortikoiden wie Triamcinolon-Creme R259 , bei starkem Pruritus peroral applizierte Antihistaminika wie Desloratadin (z.B. Aerius 1-2 Tbl./Tag p.o.).

Therapie allgemein

Sanierung der befallenen Räume mit Hilfe von Insektiziden (Permethrin, Malathion, Pyriproxyfen,  Pyrethrin), ggf. Entfernung der Nischen (lose Tapeten, Holzdecken), Sanierung durch Kammerjäger.

Alle Stadien des Wanzenlebenszyklus sind temperaturempfindlich und können durch trockene Hitze oder Dampf abgetötet werden. Die Behandlung ganzer Räume erfordert ein Aufheizen auf 55-600C für mehrere Stunden.

Fallbericht(e)

Beschrieben wurde ein Patient mit bullösen Bissreaktionen nach sequenziellem Kontakt mit C. lectularius über einen Zeitraum von einem Jahr. Bei Hauttests wurden sofortige Reaktionen auf die Speicheldrüsenlösung von C. lectularius beobachtet, gefolgt von einer ausgeprägten, teilweise blasenbildenden Spätphase. Die Immunoblot-Analyse des Patientenserums mit Speicheldrüsenextrakten und rekombinanten C. lectularius-Speichelproteinen ergab spezifische IgE-Antikörper gegen das 32 kDa C. lectularius-Nitrophorin, jedoch nicht gegen das 37 kDa C. lectularius-Apyrase. Diese Daten weisen draufhin, dass die bullöse Cimikose die Spätphase einer allergischen IgE-vermittelten Überempfindlichkeit gegen C. lectularius-Nitrophorin sind (Leverkus M et al. 2006,Price JB et al. (2012).

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Arayesh A et al. (2013) Juckreiz und urtikarielle Entzündungsreaktion der Haut unklarer Genese. Hautarzt 64: 187-189  
  2. Beck W (2017) Befall mit Bettwanzen durch Cimex lectularis und Cimex columbarius. Derm 23: 362-366
  3. Doggett SL et al. (2012) Bed bugs: clinical relevance and control options. Clin Microbiol Rev 25:164-192.
  4. Egg M et al. (2024) Disseminierte bullöse Eruptionen: Bettwanzen. JDDG 20: 999-1002
  5. Jourdain F et al. (2016)  The Common bed bug (Cimex lectularius) in metropolitan France. Survey on the attitudes and practices of private- and public-sector professionals. Parasite. 23:38.
  6. Leverkus M et al. (2006) Bullous allergic hypersensitivity to bed bug bites mediated by IgE against salivary nitrophorin. J Invest Dermatol 126:91-96.
  7. Price JB et al. (2012) IgE against bed bug (Cimex lectularius) allergens is common among adults bitten by bed bugs. J Allergy Clin Immunol 129:863-865.e2
  8. Studdiford JS et al.(2012) Bedbug infestation. Am Fam Physician 86:653-658.

Disclaimer

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