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LatexallergieT78.4
Synonym(e)
Definition
In der Regel IgE-vermittelte Typ I-Reaktion auf Latex-haltige Produkte (selten Typ IV-Reaktionen). Nach Kontakt mit Operations-, Untersuchungs-, Haushaltshandschuhen, Pflaster, Beatmungsmasken, Urinbeuteln, Darmrohren etc., allerdings auch durch bloßen Aufenthalt in Räumen, in denen Latexhandschuhe verwendet wurden, kommt es zur Reaktion im Sinne einer Kontakturtikaria mit nicht seltener Generalisation bis hin zur Anaphylaxie.
Neben Haut- sind auch Schleimhautreaktionen möglich, z.B. bei indirektem Kontakt mit Latex-haltigen volatilen Partikeln (Rhinits, Konjunktivitis, Asthma bronchiale; s.u. Rhinoconjunctivitis allergica).
Vorkommen/Epidemiologie
Ätiopathogenese
- Flächendeckende Verfügbarkeit sowie erhöhter Verbrauch von Einmallatexhandschuhen in Gesundheitseinrichtungen zum Schutz vor HIV-Infektion und anderen durch Blutkontakt übertragbaren Infektionserkrankungen.
- Verwendung von Latex u.a. in Blasenkathetern, Tuben, Beatmungsmasken, Pflastern.
- Produktionsbedingter hoher Protein- und Allergenanteil in Latexprodukten.
Klinisches Bild
- Stadium I: Lokalisierte Kontakturtikaria
- Stadium II: Generalisierte Urtikaria inklusive Lidödem
- Stadium III: Asthma bronchiale allergicum, Rhinokonjunktivitis,
- orolaryngeale und gastrointestinale Symptome
- Stadium IV: Anaphylaktischer Schock.
Diagnose
- Prick-Testung mit teilstandardisierten, zum Teil bereits standardisierten kommerziellen Naturlatextestextrakten von verschiedenen Anbietern, Naturlatexmilch (nach Möglichkeit gering ammoniakalische oder nicht ammoniakalische Naturlatexmilch), Extrakt aus naturlatexhaltigen gepuderten medizinischen Handschuhen (Handschuhextrakt).
Merke! Bei Anamnese schwerer Reaktionen Verdünnungsreihen der Naturlatextestlösungen herstellen und Schwellentests durchführen.
- Standardreihen von Aero- und Nahrungsmittelallergien (zur Erfassung assoziierter Sensibilisierungen).
- Untersuchung auf spezifische IgE-Antikörper gegen Naturlatex im Serum (auch bei schweren Naturlatex-allergischen Reaktionen sind spezifische IgE-Antikörper nicht immer nachweisbar).
- Provokationstests: Tragetest mit naturlatexallergenhaltigen, angefeuchteten Fingerlingen für 20 Minuten; Kontrolltest mit synthetischem Material an der anderen Hand.
- Falls negativ: Geschlossener Epikutantest für 20 Minuten mit naturlatexallergenhaltigem, angefeuchtetem Handschuhmaterial auf 5 × 5 cm großer Fläche (bevorzugt am Handrücken), Kontrolltest mit synthetischem Handschuh an der anderen Hand.
- Falls negativ: Tragetest mit naturlatexallergenhaltigem Handschuh für 20 Minuten, Kontrolltest mit synthetischem Handschuh an der anderen Hand; gegebenenfalls konjunktivaler, nasaler oder bronchialer Provokationstest mit Naturlatextestlösung; gegebenenfalls Nachahmung einer als symptomauslösend beschriebenen Situation mit Naturlatexkontakt.
- Lungenfunktionsdiagnostik
- Naturlatex-Allergennachweis im vermuteten Expositionsbereich durch Staubanalyse
- Diagnostik zur Erfassung Naturlatexallergie-assoziierter Nahrungsmittelallergie
- Diagnostik hinsichtlich assoziierter Soforttyp-Allergie gegen Ficus benjamina.
Therapie
- Ausstellung eines Allergiepasses.
- Mitführung und bedarfsweise Anwendung einer Notfallmedikation (orales, schnell wirksames Antihistaminikum und orales Glukokortikoid jeweils als Tropflösung oder Tbl.; Adrenalin Fertigspritze zur Injektion).
- Berufskrankheitenanzeige bei v.a. beruflicher Sensibilisierung und/oder Beschwerden am Arbeitsplatz, gegebenenfalls vorab Hautarztbericht.
- Sanierung des Arbeitsplatzes: Naturlatexallergenfreie Arbeitsmaterialien für den Betroffenen und Elimination gepuderter, naturlatexallergenhaltiger Handschuhe im gesamten Bereich. Gegebenenfalls auch hier Verwendung naturlatexallergenfreier Handschuhe erforderlich; falls diese Maßnahmen unzureichend sind: Aufgabe des Arbeitsplatzes (bei konsequenter Karenz selten nötig).
- Bei gesicherter assoziierter Nahrungsmittelallergie entsprechende Karenzmaßnahmen.
Hinweis(e)
- Latex ist die Milch bestimmter tropischer Pflanzen, die nach Einschneiden der Pflanzenrinde austritt und gewonnen wird. 95% der Welternte liefert der Gummibaum Hevea brasiliensis. Naturlatex besteht im Wesentlichen aus Wasser (50-60%) und Naturkautschuk (30-35%). Zu einem geringeren Anteil sind auch Proteine, Harze, Kohlenhydrate, anorganische Salze und Fettsäuren enthalten. Nicht der Naturkautschuk selbst, sondern die Proteine können bei sensibilisierten Personen allergische Reaktionen vom Soforttyp auslösen.
- Latex kann in allen Bereichen des Arbeitsmarktes angetroffen werden, in denen naturlatexhaltige Berufsstoffe vorkommen, bei Webern mit Kontakt zu Latexfäden, in der Textilien- und Gummibandherstellung, in der Automobilindustrie, bei Arbeitern mit gepuderten Latexhandschuhen, Schuhverkäufern, Gärtnern, Arbeitern in der Handschuh- und Puppenindustrie und insbes. bei Beschäftigten im Gesundheitswesen sowie an Spina bifida leidenden Patienten.
- Um das Risiko der Entwicklung von Latex-Sensibilisierungen zu reduzieren, wurden ein Allergen-Gehalt für Gummiprodukte von 0,5 µg Allergen/g und für die Raumluft an Arbeitsplätzen ein Allergen-Grenzwert von 0,5 ng/m3 vorgeschlagen.
- Es zeigen sich relativ häufig Kreuzreaktionen mit Pflanzen, Früchten oder Gemüse:
- Pflanzen: Ficus benjamina (Birkenfeige), Christusdorn, Gummibaum, Hanf, Hopfen (Bier), Immergrün, Kaffee (auch als Getränk), Kakteen, Korallen-Wolfsmilch, Maniok, Maulbeerbaum, Oleander, Rauwolfia (z.T in Medikamenten pflanzlicher Basis), Weihnachtsstern.
- Früchte: Ananas, Avocado, Banane, Datteln, Esskastanie, Feigen, Kiwi, Mango, Melone, Orange, Papaya, Passionsfrucht (Maracuja),
- Pfirsich, Tomate, Weintrauben.
- Gemüse/Salat: Chicoree, Endivie, Kartoffel, Kopfsalat, Löwenzahn, Radiccio, Schwarzwurzel, Spargel.
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Merke! Berufsdermatologische Wertung: Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit: In Abhängigkeit vom klinischen Bild des Latex-Kontakturtikaria-Syndroms sind die Auswirkungen der Allergie bei der Berufskrankheit nach Nr. 5101 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung von "geringgradig" bis "schwerwiegend" einzuschätzen. Das klinisch am häufigsten angetroffene Stadium I wird i.d.R. als "geringgradig" gewertet. Die Stadien II und III sind je nach Schwere als "mittelgradig" bis "schwerwiegend" einzuschätzen, das Stadium IV ist als "schwerwiegend" einzuschätzen.
Literatur
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