Escherichia coli

Autor: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer

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Zuletzt aktualisiert am: 23.08.2024

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Synonym(e)

Colibakterien; DAEC; EAEC; E.coli; EHEC; EPRC; ETEC; ExPEC; Kolibakterien; Kolibakterium

Erstbeschreiber

1885 beschrieb Theodor Escherich das später nach ihm benannte Bakterium als erstes spezifisches Darmbakterium

Definition

Escherichia coli (kurz E. coli) – auch Kolibakterium genannt – ist ein gramnegatives, sporenloses, säurebildendes und peritrich begeißeltes und deswegen mobiles Bakterium. Es vergärt unter Gasbildung, Glukose, Laktose, Mannitol und bildet Indol. Escherichia coli kommt normalerweise im menschlichen und tierischen Darm vor. Innerhalb der Familie der Enterobaceriaceae in der Ordnung der Enterobacteriales gehört E. coli zur bedeutenden Gattung Escherichia und ist deren Typspezies. E.coli spielt eine große Rolle bei intestinalen und extraintestinalen Infektionen (Hof H et al. 2019). E.coli ist der häufigste Sepsiserreger (Hof H et al. 2019)! 

Einteilung

Neben E. coli existieren noch weitere Escherichiaspezies, wie E. fergusonii und E. hermanii. Die meisten Angehörigen dieser Spezies sind nicht krankheitsauslösend, jedoch gibt es auch zahlreiche verschiedene pathogene Stämme. Escherichia coli gehört zu den häufigsten Verursachern von menschlichen Infektionskrankheiten.

  • DAEC (diffus adhärierende E.coli): Ausbildung spezieller Fimbrien (Afa-Dr), binden an Enterozyten des Dünnarms; Aufhebung der Mikrovilli
  • EPEC (enteropythogene E.coi – Dyspepsie Coli): besondere Fähigkeit der Erreger zur Adhärenz an die Darmmukosazelle durch „bundel forming pili“ –bfp- mit Aufhebung der Mikrovilli. Der Pathogenfaktor EAF (EPEC-adhesion factor) kann nachgewiesen werden.
  • ETEC (enterotoxín-bildende E.coli): hitzelabiles Enterotxine (LT I und LT II). Seltener ist ein hitzestabiles Enterotxin (ST). In tropischen Ländern weit verbreitet. Verursacht Reisediarrhö.   
  • EIEC (enteroinvasive E.coli): tragen ein  Plasmid (pINV), das die Invasion in die Darmmukosazelle des Kolon ermöglicht und diese zerstört. Imitieren eine bakterielle (Shigellen-)Ruhr
  • EAEC (enteroaggregative E.coli): Adhärenzfimbrien (AAF) binden an Mukosazellen und stimulieren die Schleimproduktion. Wässrige Diarrhö. Immunsupprimierte häufiger befallen.
  • EHEC (enterohämorrhagische E.coli/ verotoxinproduzierende E.coli = VTEC/ Shiga-like-Toxin produzierende E.coli = STEC): tragen ein chromsomales Gen, dessen Produkt (eae) die Adhäsion an Epithelzellen vermittelt. Ein Shigatoxin (Stx, auch Verotoxin bzw. Shiga-like toxin) kann phagenkodiert produziert werden, hemmen die Proteinsynthese menschlicher Zellen. Dieses besitzt Ähnlichkeiten mit dem neurotoxischen Toxin von Shiga-dysenterica. Ein Hämolysin kann plasmidkodiert produziert werden. Hämorrhagische Kolitis; möglich ist das Auftreten eines „hämolytisch-urämischen Syndroms (HUS).        

Allgemeine Information

In der menschlichen Darmflora ist E. coli neben Bacteroides fragilis und Lactobacillus acidophilus als Vitaminproduzent, insbesondere für Vitamin K, bekannt. Das Bakterium ist der klassische Fäkalindikator. D.h. sein Nachweis zeugt immer von Verunreinigungen mit menschlichen oder tierischen Fäkalien und signalisiert die Verunreinigung mit anderen Erregern (Bakterien, Protozoen, Viren, Würmern). In 100 ml. Wasser darf kein E.coli nachweisbar sein (Trinkwasserhygiene).

Ätiologie

Infektionsweg: Eine Infektion mit E. coli findet in der Regel auf folgenden Wegen statt:

  • Durch Verzehr von kontaminiertem Rinderhackfleisch, das nicht durchgegart ist (eine der häufigsten Quellen), oder von nicht pasteurisierter Milch, beim Besuch von Streichelzoos, durch Verzehr von Fertiggerichten (wie etwa solchen in Salatbars), die mit kontaminiertem Wasser zubereitet wurden oder selbst kontaminiert sind (Düngung), durch Schlucken von unzureichend gechlortem Wasser in Schwimm- oder Planschbecken, die mit dem Stuhl von infizierten Personen verunreinigt sind, durch unzureichende Hygiene, besonders bei kleinen, Windeln tragenden Kindern, können sich die Bakterien problemlos von Mensch zu Mensch ausbreiten. Rinder sind häufig Träger von EHEG (enteropathogene E.coli). Die Infektionsdosis kann gering sein. Nur 10-100 EHEC auf Fleisch oder Gemüse reichen aus.

Manifestation

E. coli-Infektionen können bei Menschen in jedem Alter auftreten. Schwere Infektionen treten bei Kindern und älteren Menschen häufiger auf (Robert Koch-Institut 2018).

Klinisches Bild

Intraintestinale Infektionen: Verdauungstrakt: Gastroenteritiden, Hämorrhagische Kolitis, Reisediarrhö.

Extraintestinale Infektionen durch pathogene Escherichia coli (ExPEC):

  • Harnwege: Zystitis bei Frauen, Urethritis, Urethrozystitis, Zystopyelitis, Pyelonephritis,  
  • Prostata: Prostatitis
  • Gallenblase: Cholezystitis
  • Wundinfektionen
  • Infektionen an Druckgeschwüren
  • Gramnegativer Fußinfekt (z.B. bei Diabetikern)
  • Lunge: Pneumonie
  • ZNS: Meningitis bei Neugeborenen
  • Sepsis (z.B. Urosepsis, Cholangiosepsis): E.coli ist der häufigste Sepsiserreger – v.a. bei alten Menschen.

Diagnostik

Der Keimnachweis erfolgt ausschließlich kulturell. Die Kulturen wachsen auf festen Selektivnährböden (z.B. Endo—Agar oder McConkey-Agar) problemlos. Die endgültige Zuordnung erfolgt mittels „bunter Reihe“ oder MALDI_TOF-Massenspektrometrie. Durch serologische Typisierung lassen sich mindestens 170 O-Antigene, 50 H-antigene sowie 70-K-Antigene nachweisen (Johnson JR et al. 2018). Diese Nachweise sind für bestimmte epidemiologische Fragestellungen bedeutsam, haben jedoch für die Routinepraxis keine Bedeutung (Johnson JR et al. 2018). Der Nachweis der einzelnen Pathogenitätsfaktoren wie z.B. der Shigatoxine und Enterotoxine gelingt mittels ELISA und PCR. 

Therapie

S.u. den einzelnen Krankheitsbildern. Es muss mit Resistenzen gegen Aminopenicillinen, Cephalosporinen, Cotrimoxazol und Chinolonen (oft als Multiresistenz: 3MGN, 4MGN) gerechnet werden.

Prophylaxe s.u. Intestinale Infektionen mit EPEC, ETEC, EIEC, EHEC sind immer exogener Natur.

Weiteres S. unter: EHEC, Infektionsschutz und Hygienemaßnahmen

Hinweis(e)

Jeder Mensch beherbergt in seinem Darm eine Vielzahl verschiedener Stämme und Varianten, wovon die meiste harmlose Kommensale sind. Einige Varianten von E. coli sind aufgrund einer speziellen Ausstattung z.B. urpathogene, andere dagegen darmpathogen. Sie können extraintestinale und intraintestinale Infektionen hervorrufen:

Pathogenese intestinaler Infektionen: die Pathogenese intestinaler Infektionen durch E.coli ist unterschiedlich und abhängig von dem jeweiligen Mosaik an Virulenzfaktoren. Spezielle EHEC-Stämme kodieren ein Enterohämolysin, das nach Lysis der Erythrozyten, das Bakterium mit Eisen versorgt. Ein weiteres Gen (LEE-Gen) kodiert für ein gleichnamiges Protein (locus enterocytes effacement), das nach Bindung des Bakteriums an den Enterozyten für eine feste Bindung sorgt. Die Bindung selbst wird durch ein Oberflächenprotein vermittelt (Intimin). Weiterhin kann E. coli bei einem best. Phagenbesatz Toxine bilden (Shigatoxin I und II). Diese Toxine haben eine hohe Homologie mit dem Shigatoxin von Shigella dysenterica. Ihre Bildung ist von äußeren Faktoren abhängig. Wird das Bakterium durch bestimmte Faktoren z.B. Antibiotika gereizt die am Genom angreifen (z.B. Chinolone) so beginnen sich die Phagen zu reproduzieren, wobei auch das Gen für die Toxinbildung aktiviert wird. Beim Zerfall der Bakterien werden diese intrazellulären Toxine freigesetzt und verursachen systemische Schäden. Die Toxine binden an spezielle Rezeptoren (neutrale Glykolipide) die nicht nur auf Enterozyten sondern auch auf Endothelien in Nieren –und Gehirngefässen vorkommen. Shigatoxine können das Hämolytisch-urämische Syndrom (HUS) hervorrufen, eine gefürchtete Komplikation.

Molekulare Mechanismen für die Entwicklung von Virulenzfaktoren:  Die molekularen Mechanismen, wie es nicht pathogenen intestinalen E-coli-Bakterien gelingt Virulenzfunktionen erwerben sind bisher nur teilweise verstanden. Eine mögliche Ursache sind Mutationen in den Genen von Lipopolysaccharid (LPS) -Transportern (bisher wurden 7 LPS-Transporter beschrieben:  LptA-G -Dong H et al. 2017-). Mutationen in den Transporterproteinen LptD (G580S) und LptE (T95I) die LPS  von der inneren zur äußeren Membran translozieren was für das Wachstum von E. coli essentiell ist (Dong H et al. 2017) führen zu einer Resistenz gegen verschiedene Antibiotika, gegen antimikrobielle Peptide und Wirtskomplement. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass nicht-pathogene Bakterien Virulenz-Eigenschaften erlangen können, indem sie die Funktionen essentieller Gene verändern (Kaito C et al. 2020).

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Dong H et al. (2017) Structural insight into lipopolysaccharide transport from the Gram-negative bacterial inner membrane to the outer membrane. Biochim Biophys Acta Mol Cell Biol Lipids 1862:1461-1467.
  2. Frankel G et al. (2001) Intimin and the host cell--is it bound to end in Tir(s)? Trends Microbiol 9:214-218.

  3. Hof H et al. (2019) Escherichia.  In: Hof H, Schlüter D, Dörries R, Hrsg. Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie. 7., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme S 410-414
  4. Johnson JR et al. (2018) Molecular Epidemiology of Extraintestinal Pathogenic Escherichia coli. EcoSal Plus 8. doi: 10.1128/ecosalplus.
  5. Kaito C et al. (2020) Non-pathogenic Escherichia coli acquires virulence by mutating a growth-essential LPS transporter. PLoS Pathog 16:e1008469. 
  6. Robert Koch-Institut (2018): Infektionsepidemiologisches Jahrbuch meldepflichtiger Krankheiten für 2018. Robert Koch-Institut, Berlin, 2018
  7. Robert Koch-Institut (2004): Risikofaktoren für sporadische STEC(EHEC)-Erkrankungen. Ergebnisse einer bundesweiten Fall-Kontroll-Studie. Epid Bull  50:433–436
  8. Robert Koch-Institut (2005): Risikofaktoren für sporadische STEC-Erkrankungen: Empfehlungen für die Prävention. Epid Bull 1:1–3
  9. Tarr PI et al. (2005) Shiga-toxin-producing Escherichia coli and haemolytic uraemic syndrome. Lancet 365:1073-1086
  10. Mellmann A et al. (2008) Analysis of collection of hemolytic uremic syndrome-associated enterohemorrhagic Escherichia coli. Emerg Infect Dis 14(8):1287 – 1290
  11. Fruth A et al. (2015) Molecular epidemiological view on Shiga toxin-producing Escherichia coli causing human disease in Germany: Diversity, preva­lence, and outbreaks. Int J Med Microbiol, 305:697 – 704
  12. Lang C et al.: Whole-Genome-Based Public Health Surveillance of Less Common Shiga Toxin-Producing Escherichia coli Serovars and Un­typeable Strains Identifies Four Novel O Genotypes. J Clin Microbiol 57(10)
  13. Veneti L et al. (20199 Mapping of control measures to prevent secondary trans­mission of STEC infections in Europe during 2016 and revision of the national guidelines in Norway. Epidemiol Infect 147:e267
  14. Vygen-Bonnet  S et al. (2017) Ongoing haemolytic uraemic syndrome (HUS) outbreak caused by sorbitol-fermenting (SF) Shiga toxin-producing Escherichia coli (STEC) O157, Germany, December 2016 to May 2017. Euro Surveill 22 pii: 30541.

Weiterführende Artikel (2)

EHEC; Multiresistenz;
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