Synonym(e)
Erstbeschreiber
Erst in den 1960er und 1970er Jahren stellten Forscher fest, dass auch Patienten ohne strukturelle Herzerkrankungen unter ventrikulären Tachykardien leiden können (Heeger 2024).
Definition
Unter einer ventrikulären Tachykardie (VT) versteht man 3 oder mehr konsekutive Depolarisationen unterhalb des His- Bündels mit einer Kammerfrequenz, die mehr als 20 % über der vorangegangenen Frequenz liegt. Sollte die Herzfrequenz geringer sein, so spricht man von einem akzelerierten / idioventrikulären Rhythmus. Dieser bedarf i. d. R. keinerlei Therapie (Paul 2018).
Ein tastbarer Puls kann vorhanden sein oder auch nicht (Thierbach 2002).
Bei der VT kann es sich um eine potentiell tödliche Herzrhythmusstörung mit dem Risiko eines plötzlichen Herztodes handeln (Samuel 2022), ventrikuläre Arrhythmien können aber auch bei Herzgesunden auftreten und völlig harmlos sein (AlMohameed 2019).
Eine VT kann nur durch einen aktiven Eingriff wie z. B. externe Kardioversion, einen implantierten Kardioverter- Defibrillator oder intravenöse Medikamente beendet werden (Kasper 2017).
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Einteilung
Je nach Dauer unterscheidet man zwischen:
- Nicht- anhaltender VT (non- sustained): Von nicht- anhaltenden VTs spricht man bei Auftreten von ventrikulären Salven, die mit einem Triplet beginnen und < 30 s andauern.
- Anhaltende VT (sustained): Diese sind definiert durch eine Dauer von mindestens 30 s (Weber 2008) bzw. bei Auftreten eines Kreislaufkollapses (Paul 2018).
Morphologisch differenziert man je nach Gestalt des Kammerkomplexes im EKG zwischen:
- Monomorphen VT: Die monomorphe Form tritt am häufigsten auf. Hierbei finden sich regelmäßige und gleichförmige Kammerkomplexe mit einer Frequenzvariabilität < 10 % (von Olshausen 1996)
- Polymorphen VT: Hierbei treten wechselnde Konfigurationen des Kammerkomplexes auf und das Frequenzverhalten ist unruhiger. Differentialdiagnostisch sind hierbei insbesondere die Torsade de pointes abzugrenzen (Börger 1995).
Vorkommen/Epidemiologie
Durchschnittlich sind ca. 25 % aller Todesfälle auf einen plötzlichen Herztod zurückzuführen, der u. a. die Folge einer VT ist (Samuel 2022).
Ätiopathogenese
Der Erregungsursprung einer VT ist i. d. R. distal der Bündelstammteilung, d. h.: Tawara- Schenkel, Purkinje- Fasern und Arbeitsmyokard. In den meisten Fällen findet sich eine Makro- Reentry- Tachykardie aus dem linken Ventrikel (von Olshausen 1996).
Die Ursache einer Kammertachykardie können sein:
- Strukturelle Herzerkrankungen wie z. B.:
-
Kardiomyopathien:
- ischämisch
- dilatativ
- nicht- ischämisch
- hypertroph
- arrhythmogen wie z. B. rechtsventrikuläre Kardiomyopathie (ARVC)
- genetisch
-
Kardiomyopathien:
- Strukturell gesundes Herz, sog. idiopathische Ursache wie z. B.:
- Ausflusstachykardie aus dem rechten Ausflusstrakt (RVOT) oder linken Ausflusstrakt (LVOT)
- Idiopathische linksventrikuläre Tachykardie (ILVT)
- Primäre elektrische Erkrankungen des Herzens wie z. B. SQTS, LQTS, CPVT, Brugada- Syndrom
- Bidirektionale ventrikuläre Tachykardie (Herold 2023)
- Überdosierung bzw. Intoxikation mit Antiarrhythmika oder Digitalis (Herold 2023)
Pathophysiologie
Ausgelöst wird eine Kammertachykardie i. d. R. durch zeitlich kritisch einfallende ventrikuläre Extrasystolen (Herold 2023).
Mechanismen der Pathogenese bei der Kammertachykardie stellen dar:
- Getriggerte Aktivität
- Reentry- Mechanismus
- Beim Reentry kreist die Erregung durch grenzwertig vitale Myokardkanäle und innerhalb von vernarbten Arealen
- Gesteigerte Autonomie
- Hierbei befindet sich der Fokus häufig im RV- oder LV- Ausflusstrakt (Herold 2023)
Klinisches Bild
Klinische Symptome sind abhängig von der Frequenz und der Dauer einer Kammertachykardie und auch vom Ausmaß der strukturellen Herzerkrankung (Herold 2023).
Symptome können sein:
- Dyspnoe
- Herzrasen
- Angina pectoris
- bis hin zum Lungenödem und kardiogenem Schock (Herold 2023)
Diagnostik
12- Kanal- EKG
Die Diagnose erfolgt durch eine EKG- Aufzeichnung. Hierbei können sich darstellen:
- Deformierte breite Kammerkomplexe (QRS ≥ 0,12 Sek)
-
Tachykardie mit > 100 / min.
- Monomorphe VT mit uniformen Kammerkomplexen
- Polymorphe VT , bei der sich wechselnde Kammerkomplexe zeigen
- Anhaltende VT mit einer Dauer von ≥ 30 Sek. oder bei denen eine Notwendigkeit zur Terminierung mittels Kardioversion besteht
- Nichtanhaltende VT mit > 2 hintereinander folgenden Kammerkomplexen, die < 30 Sek. anhalten
- Torsade- de- Pointes (TdP)- Tachykardie mit verlängerter QT- Zeit, erkennbar an Kammerkomplexen mit wechselnder Ausschlagrichtung um die Nulllinie (Herold 2023)
- Capture Beat und Fusion Beat: Beide stellen einen Beweis für das Vorliegen einer VT dar. Sie können auftreten bei einer eher langsamen VT. Hierbei kann eine Sinuserregung über das Leitungssystem AV- Knoten bzw. His- Purkinje System auf die Kammer übergeleitet werden. Im EKG erkennt man in diesem Fall eine normale QRS- Morphologie (sog. Capture Beat) oder aber ein Mischbild aus normalen QRS- Komplexen und VT- QRS- Komplexen, den sog. Fusion Beat(Herold 2023).
- VA- Dissoziation: Diese wird auch als Pararhythmie bezeichnet. Sie ist gekennzeichnet durch 2 verschiedene Reizbildungszentren, die sich gegenseitig nicht auslöschen (Halhuber 1978). Die Vorhoffrequenz findet unabhängig von der Kammerfrequenz statt. Man kann somit im EKG mehr QRS- Komplexe als P- Wellen erkennen. Sie stellt ebenfalls einen Beweis einer VT dar, ist allerdings im Oberflächen- EKG oftmals nur schwer zu erkennen (Herold 2023).
- QRS- Breite: Hierbei findet man entweder eine Rechtsschenkelblockmorphologie mit > 140 ms oder einen Linksschenkelblockmorphologie > 160 ms. Die QRS- Breite stellt lediglich ein schwaches Kriterium dar. Es kann außerdem beeinflusst werden durch Antiarrhythmika und Elektrolytentgleisungen (Herold 2023).
- Nord- West- Achse oder auch als „aVR- Zeichen“ bekannt: Eine reine R- Zacke in Ableitung aVR oder ein Lagetyp zwischen – 90 ° und – 180 ° weisen auf eine ventrikuläre Tachykardie hin (Herold 2023).
- Negative oder positive Konkordanz: Hierbei sind alle Brustwandableitungen entweder positiv, so dass man ausschließlich R- Zacken findet oder sie sind ausschließlich negativ und man sieht ausschließlich QS- Zacken. Auch dieses Zeichen weist auf eine VT hin (Herold 2023).
Differentialdiagnose
Bei einer Tachykardie mit breiten schenkelblockartig konfigurierten QRS- Komplexen kommen differentialdiagnostisch in Frage:
- Supraventrikuläre Tachykardie mit frequenzabhängigem Schenkelblock
- Supraventrikuläre Tachykardie mit Präexzitationssyndrom (nur selten auftretend)
- Supraventrikuläre Tachykardie mit vorbestehendem Schenkelblock
- Schrittmacherstimulation: Diese ist häufiger bei bipolarer Stimulationskonfiguration, da dann Stimulationsartefakte nur schwer oder nicht erkennbar sind (Herold 2023).
Komplikation(en)
Ventrikuläre Tachykardien können zu Kammerflimmern und zu einem plötzlichen Herztod führen (Erdmann 2009).
Therapie
Bis zum Beweis des Gegenteils sollte jede Tachykardie, die sich mit breiten QRS- Komplexen darstellt, wie eine VT behandelt werden, da es sich bei einer VT um eine akut lebensbedrohliche Situation handelt (Herold 2023).
Die primäre Notfallbehandlung besteht in einer externen Kardioversion (Paul 2018).
Die weitere Behandlungsstrategie besteht in der Implantation eines Kardioverter- Defibrillators, da dies nachweislich die Sterberate senkt. Auf die Rezidivrate der VTs kann damit allerdings kein Einfluss genommen werden (Samuel 2022).
Die Behandlung einer VT ohne Vorliegen struktureller Herzerkrankungen erfolgte in früheren Zeiten medikamentös mit Antiarrhythmika. Seit einer Studie von Klein et al. im Jahre 1992 werden aber auch diese Patienten ausschließlich mittels Katheterablation behandelt (Heeger 2024).
Verlauf/Prognose
Die Prognose einer VT ohne Vorliegen struktureller Herzerkrankungen ist deutlich besser als in Fällen mit struktureller Herzerkrankung. Allerdings besteht auch ohne strukturelle Herzerkrankung eine erhöhte Mortalität, was eine weitere Diagnostik und Therapie erforderlich macht (Heeger 2024).
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio
- AlMohameed S T, Ziv O (2019) Ventricular Arrhythmias. Med Clin North Am. 103 (5) 881 - 895
- Börger H H, von Olshausen K (1995) EKG- Information: Grundlagen – Vektorielle Deutung – Morphologische Interpretation – Klinische Symptome – Rhythmusstörungen – Schrittmacher _ EKG – EKG- Technik und Artefakte. Springer Verlag Berlin / Heidelberg 258
- Erdmann E (2009) Klinische Kardiologie: Krankheiten des Herzens, des Kreislaufs und der herznahem Gefäße. Springer Medizin Verlag Heidelberg 103
- Halhuber M J, Günther R, Ciresa M, Schumacher P. Newesely W (1978) EKG- Einführungskurs: Eine praktische Propädeutik der klinischen Elektrographie. Springer Verlag Berlin / Heidelberg 127
- Heeger C H, Tilz RR (2024) VT – ohne strukturelle Herzerkrankung: Historischer Überblick. Herzsch Elektrophys 35 (1) 102 – 109 doi: https://link.springer.com/article/10.1007/s00399-024-01007-z
- Herold G et al. (2023) Innere Medizin. Herold Verlag 291 - 293
- Kasper D L, Fauci A S, Hauser S L, Longo D L, Jameson J L, Loscalzo J et al. (2015
- Kobayashi Y (2018) Idiopathic Ventricular Premature Contraction and Ventricular Tachycardia: Distribution of the Origin, Diagnostic Algorithm, and Catheter Ablation. J Nippon Med Sch. 85 (2) 87 – 94 doi: 10.1272/jnms.2018_85-14.
- Kasper D L, Fauci A S, Hauser S L, Longo D L, Jameson J L, Loscalzo J et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 1489 – 1491
- von Olshausen K, Börger H H (1996) EKG- Information: Grundlagen – Morphologische Interpretation – Klinische Syndrome. Springer Verlag Berlin / Heidelberg 261 – 262
- Paul T, Gebauer R, Kriebel T, Schneider H, Janousek J (2018) Leitlinie Pädiatrische Kardiologie: Tachykarde Herzrhythmusstörungen im Kindes-, Jugend- und jungen Erwachsenenalter (EMAH-Patienten). AWMF- Register Nr. 023 / 022
- Samuel M, Elsokkari I, Sapp J L (2022) Ventricular Tachycardia Burden and Mortality: Association or Causality? Can J Cardiol. 38 (4) 454 – 464
- Thierbach A (2002) Lexikon der Notfallmedizin. Springer Verlag Berlin / Heidelberg 390
- Weber H (2008) Herzinsuffizienz: Vom Symptom zum Therapie- Erfolg. Springer Verlag Wien / New York 104
Verweisende Artikel (1)
Kammertachykardie;Weiterführende Artikel (7)
Angina pectoris; Antiarrhythmika; Digitalis purpureae folium; Dyspnoe; Kammerflimmern; Kardiogener Schock; Kardiomyopathie;Disclaimer
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