Synonym(e)
Erstbeschreiber
Ludwig und Hoffa beschrieben im Jahre 1849 als Erste das Kammerflimmern (Fröhlig 2006).
Im Jahre 1888 vermutete Mac William Kammerflimmern als Ursache für einen plötzlichen Herztod und begründete dadurch die Idee einer Defibrillation (Fröhlig 2006).
11 Jahre später konnten Prevost und Batelli bei einem Tier erstmals Kammerflimmern durch Einwirkung einer hohen elektrischen Spannung unterbrechen. Erst im Jahre 1932 erfolgten durch Kouwenhoven erste klinische Erfahrungen mit externen Defibrillatoren, Die Defibrillation eines menschlichen Herzens wurde erstmals 1947 vom Chirurgen Beck aus Cleveland erfolgreich durchgeführt (Fröhlig 2006).
Wiggers beschrieb in den 1940er Jahren 4 verschiedene Phasen des Kammerflimmerns (Näheres s. „Einteilung“ [Fröhlig 2006]).
Definition
Unter Kammerflimmern (VF) versteht man eine pulslose Herzrhythmusstörung durch unkoordinierte ineffektive chaotische Aktivierung des Ventrikelmyokards, bei der es zu einem Kreislaufstillstand kommt (Herold 2023).
Auch interessant
Einteilung
Man differenziert zwischen primärem und sekundärem Kammerflimmern. (van Aken 2007):
- Primäres Kammerflimmern:
Dieses wird i. d. R. durch eine Myokardischämie verursacht und tritt am häufigsten im Rahmen einer KHK auf. Bei einem Myokardinfarkt findet man es in ca. 20 % aller Fälle (Secchi 2009).
Primäres Kammerflimmern stellt innerhalb der ersten 24 h nach einem Myokardinfarkt die häufigste Todesursache dar. Es stellt außerdem in ca. 90 % die Ursache eines plötzlichen Herztodes dar (Roskamm 2004).
- Sekundäres Kammerflimmern:
Sekundäres Kammerflimmern kommt seltener vor und kann z. B. nach einem Schock oder im Rahmen eines Herzversagens auftreten (Secchi 2009). Es findet sich auch bei einer durch Degeneration bedingten primären ventrikulären Tachykardie (Michels 2017).
Wiggers unterteilte 4 Phasen beim Kammerflimmern:
1. Undulatorische Phase
Diese stellt den Übergang vom Sinusrhythmus zum Kammerflimmern dar und kann mit einer oder mehreren Depolarisationen beginnen
2. Konvulsive Phase
In dieser Phase verkürzt sich das Aktionspotential und die Leitungsgeschwindigkeit verringert sich. Diese Phase umfasst ca. 30 – 40 s
3. Tremulous Phase
Mit Zunahme der Ischämie verlangsamt sich die Erregungsleitung immer mehr, kleine Depolarisationen beginnen langsamer um den Ventrikel zu wandern und leiten das ca. 2 – 3 min andauernde Stadium ein.
4. Atonische Phase
In dieser Phase bilden sich die metabolischen Folgen der Ischämie aus und verlangsamen die Erregung immer mehr, bis sie in ein Stadium fehlender elektrischer Aktivität münden (Fröhlig 2006).
Ätiopathogenese
Kammerflimmern wird durch eine ungeordnete Aktivierung des Ventrikelmyokards als Folge multipler Reentry- Erregungen verursacht (Paul 2018).
Es kann durch folgende Erkrankungen zu einer Senkung der Flimmerschwelle kommen:
- Herzerkrankungen wie z. B.
- KHK
- Myokardinfarkt
- Myokarditis
- Kardiomyopathie einschließlich genetisch bedingter Kardiomyopathie
- Schwere Herzinsuffizienz
- Elektrolytstörungen wie z. B.:
- Im Rahmen eines Apoplexes bzw. Apoplexes (sehr selten)
- Stromunfall
- Primäre elektrische Erkrankungen des Herzens wie z. B. bei Ionenkanalerkrankungen (Herold 2023)
Pathophysiologie
Kammerflimmern entsteht pathophysiologisch durch zwei Mechanismen:
- 1. arrhytmogenes Substrat
Hierbei handelt es sich um eine ischämische Zone im Bereich des Myokards bzw. um ein Infarktgebiet. Durch verschiedene Faktoren wie z. B. zirkulierende Katecholamine, Hyper- oder Hypothermie, metabolische Störungen, sympathoadrenergens Ungleichgewicht oder arrhythmogen wirkende Medikamente kann Einfluss auf die Flimmerschwelle genommen werden (Larsen 2022).
- 2. Trigger
Als Trigger dient letztlich eine R- auf T- Extrasystole oder – seltener – eine ventrikuläre Tachykardie bzw. ein idioventrikulärer Rhythmus (Larsen 2022).
Die unkoordinierte, hochfrequente elektrische Aktivität der Herzmuskelzellen beim Kammerflimmern bewirkt keinerlei Auswurfleistung des Herzens, was wiederum zu einem sofortigen Ausfall der Pumpfunktion und damit zur Unterbrechung der Blutzufuhr sämtlicher Vitalorgane führt. Dadurch nimmt die Sauerstoffunterversorgung mit daraus folgender Azidose in den Herzmuskelzellen ständig zu und letztlich ist keine elektrische Aktivität mehr möglich, das Kammerflimmern geht in eine Asystolie über (Ullrich 2005).
Diagnostik
Die Diagnose wird i. d. R. durch ein EKG gestellt (Herold 2023).
- EKG
Im EKG finden sich arrhythmische hochfrequente Flimmerwellen mit einer Frequenz >. 300 / min. Zu Beginn können sich diese Flimmerwellen grob, im weiteren Verlauf als fein darstellen (Herold 2023).
QRS- Komplexe lassen sich nicht darstellen, die Morphologie wandelt sich ständig (Fröhlig 2006).
Differentialdiagnose
Beim Kammerflattern handelt es sich um eine regelmäßige Tachykardie (Braun 2022) mit einer Frequenz zwischen 200 – 300 / min (Haas 2011).
Komplikation(en)
- Plötzlicher Herztod (Braun 2022)
Therapie allgemein
Bei Auftreten eines Kammerflimmerns besteht die absolute Indikation zur umgehenden Kardioversion mit 50 bzw. 100 J. Bis zur Bereitstellung des Defibrillators sollten kardiopulmonale Reanimationsmaßnahmen erfolgen (van Aken 2007).
Da eine Hypokaliämie und eine Tachykardie Kammerflimmern begünstigen, sollten hochnormale Kaliumwerte angestrebt werden und frühzeitig Betablocker eingesetzt werden (Roskamm 2004).
Verlauf/Prognose
Ohne rasche Behandlung endet ein Kammerflimmern innerhalb von 12 – 15 min in einer Asystolie (Secchi 2009).
Das primäre Kammerflimmern zeigt i. d. R. eine bessere Prognose (van Aken 2007). Falls innerhalb der 1. Minute nach Auftreten eines Kammerflimmerns defibrilliert werden kann, liegt die Überlebensrate bei 90 – 95 % (Larsen 2022).
Das sekundäre Kammerflimmern verläuft bei ca. 40 % letal. Die Langzeitprognose ist wegen der schweren myokardialen Schädigung nicht gut (Roskamm 2004).
Beim Kammerflimmern korreliert die Gesamtamplitude mit der Erfolgsaussicht der Defibrillation. Bei Amplituden < 1 mm findet sich nur selten eine erfolgreiche Defibrillation (van Aken 2007).
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio
- van Aken H, Reinhart K, Zimpfer M, Welte T (2007) Intensivmedizin. Georg Thieme Verlag Stuttgart154, 156, 157, 158,
- Braun J, Müller- Wieland D (2022) Basislehrbuch Innere Medizin. Elsevier Urban und Fischer Verlag Deutschland 35, 101 – 102, 114 – 115
- Fröhlig G, Carlsson J, Jung J, Koglek W, Lemke B, Markewitz A, Neuzner J (2006) Herzschrittmacher- und Defibrillator- Therapie: Indikation – Programmierung – Nachsorge. Georg Thieme Verlag Stuttgart / New York 336 – 337
- Haas N A, Kleideiter U (2011) Kinderkardiologie. Georg Thieme Verlag Stuttgart 338 - 340
- Herold G et al. (2023) Innere Medizin. Herold Verlag 293 - 294
- Kasper D L, Fauci A S, Hauser S L, Longo D L, Jameson J L, Loscalzo J et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 1491, 1495
- Larsen R, Annecke T, Fink T (2022) Anästhesie. Elsevier Urban und Fischer Verlag 744 - 745
- Michels G, Kochanek M (2017) Repititorium Internistische Intensivmedizin. Springer Verlag GmbH Deutschland 292
- Paul T, Gebauer R, Kriebel T, Schneider H, Jansousek J (2018) Leitlinie Pädiatrische Kardiologie: Tachykarde Herzrhythmusstörungen im Kindes-, Jugend- und jungen Erwachsenenalter (EMAH-Patienten). AWMF Leitlinie, Register Nr. 023 / 022
- Roskamm H, Neumann F J, Kalusche D, Bestehorn H P (2004) Herzkrankheiten: Pathophysiologie – Diagnostik – Therapie. Springer Verlag Berlin / Heidelberg 517
- Secchi A, Ziegenfuß T (2009) Checkliste Notfallmedizin. Georg Thieme Verlag Stuttgart / New York 122
- Ullrich L, Stolecki D, Grünewald M (2005) Intensivpflege und Anästhesie. Georg Thieme Verlag Stuttgart / New York 166
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Apoplex; Herzinsuffizienz; Hypokaliämie; Hypomagnesiämie; Ionenkanalerkrankungen; Kammerflattern; Kardiomyopathie; KHK; Myokardinfarkt; Myokarditis;Disclaimer
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