Erstbeschreiber
Biguanide, zu deren Gruppe Metformin zählt, wurden bereits im Mittelalter in Süd- und Osteuropa zur Behandlung der Zuckerkrankheit eingesetzt in Form der Pflanze „galega officinalis“ (Geißel- oder Schafgarbe), die reich an Guanidin ist. Watanabe wies 1918 als Erster deren blutzuckersenkende Wirkung nach (Mehnert 2003).
Im Jahre 1929 wurde erstmals von Slotta und Tscheche im damaligen Deutschland (jetzt Polen) Metformin bei Tieren als ein hypoglykämisches Biguanid beschrieben, aber erst ab 1950 liefen in Frankreich durch Sterne, Duval und Kollegen klinische Studien bei Diabetikern.
Patentiert wurde Metformin 1957 unter der Schirmherrschaft von Aron Laboraties in Frankreich. Die Zulassung in Frankreich erfolgte 1958 (Rea 2018). In Deutschland kam Metformin 1968 auf den Markt (Häussler 2012) und ist seit 1994 für die Mono- und Kombinationstherapie in Deutschland zugelassen (Kirch 2013).
Allgemeine Information
Zuordnung: Metformin zählt zu den nicht- insulinotropen Substanzen (Substanzen mit geringem bzw. keinem Risiko einer Hypoglykämie [Bahrmann 2018]) und gehört zur Gruppe der Biguanide (Herold 2020).
Metformin bindet sich nicht an Plasma, es wird unverändert über die Nieren ausgeschieden. Die Halbwertszeit liegt zwischen 1,7 – 4,5 h. Innerhalb von 12 h sind 90 % der Substanz ausgeschieden.
Wirkung: Der Wirkmechanismus des Metformins ist inzwischen weitgehend geklärt:
- die hepatische Glukoneogenese wird gehemmt, indem das Glukagon, welches cAMP in Hepatozyten erzeugen kann, antagonisiert wird (Kasper 2015)
- die Resorption von Glukose aus dem Darm wird verzögert
- die Aufnahme von Glukose in die Muskulatur verstärkt (Bahrmann 2018)
- die Insulinempfindlichkeit wird erhöht (Kasper 2015)
Weitere Wirkungen sind:
- der Appetit wird diskret gesenkt
- die Krebsmortalität nimmt ab (Herold 2020)
- Reduktion der Häufigkeit von Basalzellkarzinomen
- die Insulinresistenz verbessert sich (Bahrmann 2018)
- die Gefahr der kardiovaskulären Morbidität und Mortalität sinkt
- die Gefahr einer Hypoglykämie ist nur gering, da die Insulinsekretion nicht beeinflusst wird (Diederich 2020)
- der Nüchtern- Blutspiegel wird gesenkt
- das Lipidprofil verbessert (Kasper 2015)
Nebenwirkungen:
- gastrointestinale Beschwerden (häufig auftretende Nebenwirkung)
- Vitamin B12 Mangel (während der Behandlung wird der Spiegel um ca. 30 % gesenkt [Kasper 2015])
- bei Missachtung der Kontraindikationen besteht die Gefahr eines laktatazidotischen Komas mit hoher Letalität (seltene Nebenwirkung) (Herold 2020)
Indikationen: Laut Leitlinie stellt Metformin, sofern keine Kontraindikationen vorliegen, das Mittel der Wahl bei übergewichtigen Typ 2 Diabetikern dar (Herold 2020). Es ist weltweit das am häufigsten verordnete orale Antidiabetikum. Nach wie vor liefert die beste Evidenz aus Studien die „UK Prospective Diabetes Study“ (UKPDS) aus dem Jahre 1998 (Bahrmann 2018 / Kellerer 2013).
Kontraindikationen:
- schwere Niereninsuffizienz mit andauernder eGFR < 30 ml / min
- Zustände, die für eine Gewebshypoxie prädisponiert sind wie z. B. respiratorische Insuffizienz, Kreislaufschock, schwere Herzinsuffizienz (Mehnert 2003)
- dekompensierte Herzinsuffizienz
- schwere Leberfunktionsstörungen
- Fasten
- Reduktionskost
- Alkoholismus
- konsumierende Erkrankungen
- akute und schwere Erkrankungen
- gastrointestinale Infekte
- Schwangerschaft
- 48 h vor und nach einer Pyelographie mit Kontrastmitteln, da ansonsten die Gefahr einer Laktatazidose besteht
- vor und nach Operationen (s. a. Diabetes und operative Eingriffe)
Dosierungsempfehlung:
Metformin sollte zu Beginn langsam aufdosiert werden, da sich dadurch die gastrointestinalen Nebenwirkungen reduzieren lassen (Bahrmann 2018).
Es empfiehlt sich mit einer kleinen Dosis von 250 – 500 mg zu beginnen und dann alle 2 – 3 Wochen nach BZ- Messungen in Selbstkontrolle die Dosis zu erhöhen (Kasper 2015).
Die Maximaldosis liegt bei 2.000 mg / d. Mit einer höheren Dosis lässt sich keine zusätzliche Wirkung erzielen, wohl aber die Nebenwirkungen steigern (Herold 2020).
Metformin kann 1 – 2 x / d gegeben werden, wobei die abendliche Dosis die wichtigere ist (Herold 2020).
In den Leitlinien werden Gaben von 1 x / d für die Monotherapie und 2 x / d Gaben in der Kombinationstherapie empfohlen (Bahrmann 2018).
Sofern bei dem Patienten eine diabetische Nephropathie mit einer eGFR zwischen 33 – 44 ml / min vorliegt, sollte eine Dosis von maximal 1.000 mg / d nicht überschritten werden. Diese empfiehlt sich - unter regelmäßigen GFR- Kontrollen - auf 2 Gaben pro Tag zu verteilen .
Metformin kann mit anderen oralen Antidiabetika wie z. B. Sulfonylharnstoffe, Alpha- Glucosidase- Hemmern, Glitazone oder mit Insulin kombiniert werden (Mehnert 2003).
In der o. g. UKPD- Studie (s. „Indikationen“) hat sich unter der Therapie mit Sulfonylharnstoff nach Zugabe von Metformin eine Zunahme der Gesamtsterblichkeit um 6 % innerhalb von 6,6 Jahren gezeigt (Arzneimitteltelegramm 1998). Allerdings wurden in dieser Studie lediglich 268 Patienten mit dieser Kombinationstherapie berücksichtigt. Auf dem EASD- Kongress 2013 war die Kombination von Metformin und Sulfonylharnstoffen ebenfalls Thema (Kellerer 2013) und ist immer noch Gegenstand von Kontroversen (Müller 2018).
Mitte 2021 wurden erste Ergebnisse der GRADE- Studie zu Zweifachkombinationen mit Metformin vorgestellt. Allerdings ist derzeit noch keine abschließende Beurteilung möglich, da insbesondere die Bewertung kardiovaskulärer Ereignisse noch nicht abgeschlossen ist (Barnard 2021).
Kontrollen:
Bei Patienten mit einer eGFR zwischen 30 – 59 ml / min ist das Risiko einer Laktatazidose vor Therapiebeginn zunächst zu überprüfen (Herold 2020).
Die Nierenfunktion sollte bei neu eingestellten Patienten zunächst alle 3 – 6 Monate kontrolliert werden (Bahrmann 2018) und später alle 6 Monate mit Kontrollen der Kreatininwerte, des Blutbilds (Mehnert 2003) und des Vit. B 12- Spiegels (Kasper 2015).
In Situationen, bei denen die Gefahr einer akuten Verschlechterung der Nierenfunktion besteht, sollte Metformin abgesetzt bzw. pausiert werden, so z. B. bei:
- Operationen in Vollnarkose
- Untersuchungen mit Röntgenkontrastmitteln
- Exsikkose
- Magen- Darm- Infekte
- fieberhaften Erkrankungen (Herold 2020)
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio
- Arzneimitteltelegramm (1998) Diabetes- Studie UKPDS* Ergebnisse und Folgen für die Praxis. Die Information für Ärzte und Apotheker: Neutral, unabhängig und anzeigenfrei. a- t 10 / 1998
- Bahrmann A et al. (2018) S2k- Leitlinie Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle des Diabetes mellitus im Alter. 2. Auflage AWMF-Registernummer: 057-017
- Barnard C (2021) Trial GRADEs effectiveness of four common second-line type 2 diabetes drugs. ADA Scientific Sessions: Medicine Matters diabetes.
- Diederich S et al. (2020) Referenz Endokrinologie und Diabetologie. Georg Thieme Verlag Stuttgart 386, 491
- Häussler B et al. (2012) Arzneimittel- Atlas 2012: Der Arzneimittelverbrauch in der GKV. Springer Verlag 58
- Herold G et al. (2020) Innere Medizin. Herold Verlag 733
- Kasper D L et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 82, 2413, 2416 - 2417
- Kellerer M (2013) 15 Jahre nach der UKPD- Studie: Eine gute Einstellung des Diabetes lohnt sich (doch). Dtsch Arztebl 110 (46) 4 - 6
- Kirch W et al. (2013) Pflegehandbuch Arzneitherapie. Springer Verlag 366
- Mehnert H et al. (2003) Diabetologie in Klinik und Praxis. Georg Thieme Verlag Stuttgart – New York 218 - 226
- Müller U A et al. (2018) Arzneiverordnung in der Praxis 45 (3) 116 - 122
- Rea P A et al. (2018) Managing Discovery in the Life Sciences: Harnessing Creativity to Drive Biomedical Innovation. Cambridge University Press 269
- Adalsteinsson JA et al. (2021) Metformin is associated with decreased risk of basal cell carcinoma: A whole-population case-control study from Iceland. J Am Acad Dermatol. 85: 56-61