Orale Antidiabetika

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 21.08.2024

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Synonym(e)

Antidiabetika orale, Antidiabetika

Definition

Orale Antidiabetika dienen zur Behandlung eines relativen Insulinmangels und werden zur Therapie eines nicht-insulinpflichtigen Diabetes Typ 2 eingesetzt. Die Wirkstoffgruppe besteht aus unterschiedlichen Vertretern, die über unterschiedliche pharmakologische Mechanismen in der Lage sind den Blutzucker zu senken.  Die verschiedenen Wirkstoffe werden entsprechend der Diabetes-Stufentherapie eingesetzt. Je nachdem, wie weit der Typ 2 Diabetes fortgeschritten ist, können unterschiedliche Therapiestufen nötig sein.

Einteilung

Sulfonylharnstoffe: Sulfonylharnstoffe sind, ähnlich wie die , in der Lage, die lnsulinproduktion der Bauchspeicheldrüse anzuregen und zwar weitgehend unabhängig vom Blutzuckerspiegel. Eine mögliche Nebenwirkung ist, dass die lnsulinproduktion über das Ziel hinausschießen kann, mit der Gefahr einer Unterzuckerung. Eine regelmäßige Aufnahme von Kohlenhydraten ist deshalb bei den Sulfonylharnstoffen, die eine längere Wirkdauer besitzen, notwendig. Sulfonylharnstoffe können ebenso wie Glinide in Kombination mit anderen oralen Antidiabetika eingesetzt werden.

  • Glibenclamid
  • Glimeripirid
  • Gliclacid
  • Gliquidon

Glinide (prandiale Glukoseregulatoren): führen wie die Sulfonylharnstoffe zu einer Insulinfreisetzung indem sie die KATP-Kanäle  durch Bindung an den Sulfonylharnstoff-Rezeptor (SHR1) blockieren. Sie werden als Reservemedikamente verordnet, z. B. bei Niereninsuffienz mit einer Creatinin-Clearance < 25 ml/min, bei denen keine anderen oralen Antidiabetika und keine Insulintherapie infrage kommen. Glinide steigern die Insulinfreisetzung in Abhängigkeit von der Höhe des Blutzuckerspiegels.  Sie werden zu Beginn einer Mahlzeit eingenommen und erreichen innerhalb von etwa 45 Minuten ihre maximale Wirkung. Sinkt der Blutzuckerspiegel, lässt auch die Wirkung der Glinide nach.

  • Nateglinid (z. B. Starlix®)- zugelassen nur in Kombination mit Metformin
  • Repaglinid (z. B. NovoNorm®)

Inkretin-Analoga: Inkretin-Analoga sind gentechnisch hergestellte Peptidanaloga von GLP-1. Die vier Substanzen binden an den GLP-1-Rezeptor der B-Zellen in den Langernhans-Inseln und fördern cAMP-vermittelt die Insulinfreisetzung. Diese Wirkung ist abhängig von der Höhe des Blutzuckers. Sie nimmt mit steigendem Blutzucker zu und fehlt völlig bei Blutzuckerwerten >70mg/dl.  

  • Exenatid
  • Liraglutid
  • Albiglutid
  • Dulaglutid

Hemmung der Inkretin-Proteolyse (Gliptine ): Gliptine verstärken deutlich die Wirkung eines Hormons, welches vom Dünndarm nach der Nahrungsaufnahme ausgeschüttet wird. Dieses Hormon (GLP-1) regt maßgeblich die Insulinfreisetzung aus der Bauchspeicheldrüse an, wenn der Blutzucker steigt oder bereits zu hoch ist, verlangsamt es die Magenentleerung und sorgt somit für ein schnelleres Sättigungsgefühl. Weiterhin unterdrückt das Darmhormon die Glukoseproduktion in der Leber. So bleiben die natürlichen körpereigenen GLP-1 Hormone länger erhalten. Der Blutzucker wird bedarfsabhängig gesenkt. Dadurch bringen Gliptine nur ein geringes Risiko für eine Unterzuckerung mit sich, sind gewichtsneutral, führen also nicht zu einer Gewichtszunahme. Gliptine können z. B. in Kombination mit Metformin, Sulfonylharnstoff, lnsulin oder Glitazonen gegeben werden. Generell werden DPP-4 Hemmer gut vertragen.

  • Linagliptin
  • Saxagliptin
  • Sitagliptin
  • Vildagliptin

Hemmung des renalen Natrium-Glukose-Symporters (Gliflozine): SGLT-2 Hemmer: sind moderne Wirkstoffe, die zusätzlich zur effektiven Blutzuckersenkung einen positiven Einfluss auf Herz und Niere haben. Im gesunden Zustand ist es wichtig, dass die in der Niere herausgefilterten Zucker und Salze dem Körper wieder zurückgeführt werden. Dieser Rücktransport der Glucose aus dem Primärharn der Niere geschieht bis zur Blutzuckerhöhe von etwa 180 mg/dl bzw. 10 mmol/l. Für diesen Rücktransport sind in erster Linie zwei Typen von Transportproteinen verantwortlich: SGLT-1 und SGLT-2, wobei SGLT für Sodium-Glucose Co-Transporter steht. SGLT-2 übernimmt dabei den größeren Anteil der Zuckerrückführung (ca. 90 %). Wird dieser Transporter medikamentös gehemmt, wird der überschüssige Zucker über den Urin ausgeschieden. Dadurch kann der Blutzuckerspiegel gesenkt und als Zusatzeffekt eine Gewichtsabnahme sowie Blutdrucksenkung erreicht werden. SGLT-2 Hemmer haben zusätzlich einen positiven Einfluss auf Herz und Niere, welche durch Diabetes besonders beeinträchtigt werden. Dadurch können Sie das Risiko für Folgeerkrankungen wie z.B. Herzinsuffizienz und Niereninsuffizienz verringern. Ein SGLT-2 Hemmer kann prinzipiell auch gut mit anderen Antidiabetika kombiniert werden, da sich die Wirkmechanismen ergänzen.

  • Canagliflozin
  • Dapagliflozin
  • Empagliflozin

Biguanide Der Wirkmechanismus des Wirkstoffs Metformin ist bisher nicht exakt geklärt. Gesichert ist, dass sich Metformin intrazellulär in den Mitochondrien anreichert und das Schlüssselenzym des Zellstoffwechsels die AMP-aktivierte Proteinkinase (AMP-Kinase) stimuliert. Dies führt zu einer Hemmung der hepatischen Glukoseproduktion. Weiterhin wird die Aufnahme von Blutzucker in die Muskelzellen und in die Fettzellen verbessert. Zudem wirkt es schwach appetithemmend und nimmt positiven Einfluss auf die (Blutfette). Es wird oral appliziert und mit kurzer Halbwertszeit ausschließlich renal eliminiert.

Metformin ist als Monopräparat sowie in Kombination mit anderen oralen Antidiabetika verfügbar. Es wird nach dem Essen eingenommen. Eine mögliche Nebenwirkung ist die Entwicklung einer Laktatazidose. Eine Unterzuckerung ist hingegen nicht zu erwarten.

Eine gefürchtete Nebenwirkung von Metformin ist die Laktatazidose, die insb. bei fortgeführter Einnahme im Rahmen schwerer Erkrankungen und Operationen sowie bei intravenöser Gabe jodhaltiger Kontrastmittel auftritt. Daher muss Metformin bei Vorliegen dieser Risikofaktoren abgesetzt und i.d.R. durch eine Insulintherapie ersetzt werden. Günstig dagegen ist, dass unter einer Therapie mit Metformin kein erhöhtes Risiko für lebensbedrohliche Hypoglykämien besteht.

  • Metformin (z. B. Diabesin®, Diabetase®, Glucobon biomo®)

Thiazolidindione (Glitazone): Thiazolidindione entfalten ihre Wirkung über eine Aktivierung des Peroxisomen-Proliferator-aktivierten Rezeptors gamma (PPAR-γ). Dieser Rezeptor gehört zur Unterfamilie von 48 bekannten nukleären Rezeptoren, die die Genexpression nach Ligandenbindung regulieren. Die PPAR-Subfamilie besteht aus drei Subtypen, den Alpha-, Beta-/Delta-, und Gamma-PPA-Rezeptoren. Natürliche Liganden der PPA-Rezeptoren sind beispielsweise Fettsäuren, Gallensäuren oder Oxysterole. Es gibt nur einen zugelassenen  Vertreter dieser Wirkstoffgruppe.

  • Pioglitazon (z. B. Actos®, der einzige noch zugelassene Vertreter) -
  • Rosiglitazon (z. B. Avandia®- wegen Kardiotoxizität keine Zulassung mehr)

Alpha-Glukosidase-Hemmer: Alpha-Glukosidasehemmer sind Stickstoff-haltige Oligosaccharide mikrobiellen Ursprungs. Siewirken als kompetitive Hemmstoffe der alpha-Glukosidase (Saccharase-Isomaltase) und werden zur Therapie des Typ-2-Diabetes genutzt. Die alpha-Glukosidase spaltet glukosehaltige Disaccharide der Nahrung. Das Enzym findet sich im Bürstensaum des Darmepithels in unmittelbarer Nachbarschaft des Na+-abhängigen Glukosetransporters GLUT-1. Er sorgt in Zusammenarbeit mit der alpha-Glukosidase für eine regelrechte Resorption der Glukose. Alpha-Glukosidasehemmer reduzieren somit die Kohlenhydrataufnahme im Darm. Dadurch verringert sich der postprandiale Blutzuckeranstieg.

  • Acarbose (z. B. Glucobay®)
  • Miglitol (z. B. Diastabol®)
  • Guarmehl (z. B. Glucotard®)

Pharmakodynamik (Wirkung)

Antidiabetika können auf unterschiedliche Weise einen Insulinmangel kompensieren:

  • Erhöhung der Inulinsensitivität (Metformin, Thiazolidindione)
  • Förderung der Insulinsekretion durch Blockade der KATP-Kanäle (Sulfonylharnstoffe, Glinide)
  • Förderung der Insulinsekretion durch Blockade des GLP-1-Rezeptors der B-Zellen der Langerhans-Inseln (Inkretin-Analoga)
  • Förderung der Insulinsekretion und Verbesserung der Glukosetoleranz durch Hemmung des proteolöytischen Abbaus (DPP-4) der Inkretine GIP und GLP-1 Gliptine)
  • Steigerung der renalen Glukoseausscheidung durch Hemmung des renalen Natrium-Glukose-Symporters, SGLT-2  (Gliflozine)
  • Reduktion der Glucose-Reabsorption (alpha-Glukosidase-Hemmstoffe)

Führen Lebensstiländerungen (Gewichtsreduktion durch Ernährungsumstellung und körperliche Bewegung) bei Typ-2-Diabetikern nicht zu einer ausreichenden Senkung des HbA1c-Wertes (Ziel-HbA1c 6,5–7,5 %), dann liegt eine Indikation zur Einleitung einer medikamentösen Therapie mit oralen Antidiabetika vor. Mittel der 1. Wahl ist bei allen Typ-2-Diabetikern das Biguanid Metformin.

Wechselwirkungen

Je nach Wirkstoff bestehen unterschiedliche Wechselwirkungsprofile, die der jeweiligen Fachinformation des Arzneimittels entnommen werden können.

Hinweis(e)

Aufgrund der belegten Wirksamkeit hinsichtlich der Stoffwechseleinstellung sowie der makrovaskulären Risikoreduktion und eines günstigen Nebenwirkungsprofils wird heute Metformin in der medikamentösen Therapie des Diabetes mellitus Typ 2 als das Mittel der ersten Wahl angesehen.

Bei Unverträglichkeit, Kontraindikationen oder unzureichender Wirksamkeit von Metformin kommen monotherapeutisch oder als Kombinationstherapeutika zunächst  Sulfonylharnstoffe (zu beachten ist das  Hypoglykämierisiko) in Frage. Weitere Alternativen sind: Inkretin- Analoga (GLP-1-Analoga -subkutane Anwendung), Gliptine (DPP-4-Inhibitoren) und Gliflozine (SGLT-2-Inhibitoren) zum Einsatz.

In der Gliptinfamilie konnten für Sitagliptin und Saxagliptin Anhaltspunkte für einen geringen Zusatznutzen gezeigt werden (für Sitagliptin in der Monotherapie und in der Kombination mit Metformin sowie für die Fixkombination Sitagliptin/Metformin für Saxagliptin in der Kombination mit Metformin).

Antidiabetika sollten möglichst einzeln oder auch als Zweifachkombination eingesetzt werden, Drei- oder gar Vierfachkombinationen sind umstritten (hohes Interaktionspotential, kaum valide Studien). Zu beachten ist, dass die meisten Antidiabetika bei mittel- bis hochgradiger chronischer Niereninsuffizienz und bei anderen schweren Komorbiditäten kontraindiziert sind . Daher sollten Antidiabetika bei erforderlicher Therapieeskalation eher mit einer geeigneten Form der Insulintherapie kombiniert werden. In der Schwangerschaft und Stillzeit ist eine Anwendung oraler Antidiabetika nicht empfohlen.

Insb. im hohen Alter ist jede Therapie mit Antidiabetika unter genauer Beachtung möglicher Kontraindikationen und Interaktionen einzusetzen.

Weiterführende Artikel (3)

Glitazone; Metformin; Sulfonylharnstoffe;
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