Synonym(e)
Erstbeschreiber
Der Erreger der Antibiotika- assoziierten Kolitis wurde erstmals 1977 als C. difficile von Bartlett et al. beschrieben (Bartlett 1977).
Definition
Die antibiotikaassoziierte Kolitis (AAC) stellt eine gastrointestinale Komplikation nach Antibiotikagabe – unabhängig von der Darreichungsform (Braun 2022) - dar (Akanbi 2017).
Auch interessant
Einteilung
Unkomplizierter Verlauf:
Am häufigsten findet man einen unkomplizierten Verlauf der AAC. Nach Absetzen des Antibiotikums sistieren die Diarrhoen von alleine (Braun 2022).
Schwerer Verlauf einer CDI:
Von einem schweren Verlauf spricht man, wenn mindestens eines der folgenden Kriterien zutrifft:
- Leukozytose > 15 x 10^9 / L
- Fieber > 38,5° C
- Anstieg des Serumkreatinins auf > 50 % des Ausgangswertes (Manthey 2023)
Komplizierte (fulminante) CDI:
Diese ist gekennzeichnet durch mindestens eins der folgenden Kriterien<.
- Septischer Schock
- Hypotension mit einem systolischen Druck von < 100 mm Hg
- Ileus
- Laktat im Serum ≥ 20 mg / dl
- Perforation
- Fulminante Krankheitsdynamik
- toxisches Megakolon (Manthey 2023)
Vorkommen/Epidemiologie
Die Häufigkeit der antibiotikaassoziierten Kolitis hat seit den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts weltweit deutlich zugenommen (Loeschke 1999). Inzwischen stellt die C. difficile- Infektion (CDI) die häufigste erregerbedingte Ursache einer nosokomialen Diarrhoe dar (Manthey 2023).
Es entstehen ca. 1/3 d. F. im ambulanten Bereich und 2/3 im stationären Krankenhausbereich, Alten- bzw. Pflegeheimen (Herold 2023).
Die AAC stellt die häufigste Komplikation einer Antibiotikatherapie dar mit einer Inzidenz zwischen 5 – 35 % (Storr 2021).
Bei ca. 80 % aller Kleinkinder und bei 1 – 3 % aller Erwachsenen gehört C. difficile jedoch zur normalen Darmflora, lediglich hypervirulente Stämme wie z. B. NAP1 / BI / 027 verursachen schwere Krankheitsverläufe (Herold 2023).
Ätiopathogenese
Eine antibiotikaassoziierte Kolitis kann bis zu 3 Monate nach einer Antibiotikabehandlung auftreten. Risikofaktoren sind außerdem:
- Lebensalter > 65 Jahre
- Schwere Grunderkrankungen
- Immunsuppression
- Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED)
- Einnahme von Protonenpumpenhemmer (durch Hemmung der Magensäureproduktion)
- Abdominal- chirurgische Eingriffe (Herold 2023)
- Stattgehabte C. difficile- Infektion (CDI) in den letzten 12 Monaten
- Zustand nach Organ- oder Stammzelltransplantation
- Chronische internistische Komorbiditäten
- Hospitalisierung oder auch stattgehabte Hospitalisierung innerhalb der letzten 3 Monate
- Unterbringung in Gemeinschaftseinrichtungen des Gesundheitssystems (Manthey 2023)
Die Wahl des Antibiotikums spielt bei Auftreten einer ambulant erworbenen AAC eine große Rolle (Manthey 2023). Besonders betroffen sind Antibiotika mit Anaerobierwirkung und hoher biliärer Ausscheidung (Fuessle 2002). In zwei Metaanalysen konnte gezeigt werden, dass hierzu insbesondere folgende Antibiotika zählen:
- 1. Clindamycin (Odds Ratio 16,8 – 20,4)
- 2. Fluorchinolone (QR 5,5 – 5,7)
- 3. Cephalosporine (QR 4,5 – 5,7)
- 4. Penicillinderivate (QR 2,7 – 3,3)
- 5. Makrolide (QR 2,5 – 2,7)
- 6. Cotrimoxazol (QR 1,8)
(Manthey 2023)
Verursacht wird die Erkrankung überwiegend durch Toxine des anaeroben, sporenbildenden Stäbchens Clostridioides difficile, früher als Clostridium difficile bezeichnet. Clostridioides difficile stellt den häufigsten Erreger einer nosokomialen Diarrhoe dar (Herold 2023). Es sind aber auch Fälle beschrieben, wo die AAC durch Klebsiella oxytoca verursacht wurde. Hierbei treten i. d. R. hämorrhagische Diarrhoen auf und man spricht von einer AAHC, d. h. antibiotikaassoziierten hämorrhagischen Kolitis (Akanbi 2017).
Pathophysiologie
Durch Gabe von Antibiotika kommt es zu einer Veränderung der physiologischen Darmflora, in der sich C. difficile ansiedeln kann. Der Organismus sondert ein Enterotoxin und ein Zytotoxin ab, die üblicherweise als Toxin A bzw. Toxin B bezeichnet werden (Bush 2023). Klinisch sind die beiden Toxine nicht zu unterscheiden (Braun 2022).
Die Toxine führen überwiegend im Kolon zu einer gesteigerten Flüssigkeitssekretion und es entwickeln sich die für die Erkrankung typischen Pseudomembranen. Dabei handelt es sich um diskrete weiße Plaques, die in schweren Fällen konfluieren können (Bush 2023)..
Es gibt andererseits auch asymptomatische Träger von toxinbildenden Stämmen. Auf der anderen Seite bilden nicht alle Stämme von C. difficile Toxine (Bush 2023).
Klinisches Bild
Das klinische Bild ist gekennzeichnet durch plötzliche Änderungen der Stuhlkonsistenz und Stuhlfrequenz (Manthey 2023).
Die Diarrhoen können leicht, mit halbfesten Stühlen verlaufen oder auch flüssig mit Blutbeimengungen sein. Es können abdominelle Schmerzen bestehen. Übelkeit und Erbrechen finden sich nur selten (Bush 2023).
Als Zeichen einer Exsikkose können bestehen:
- Hypotonie
- Tachykardie
- Stehende Hautfalten
- Nierenfunktionsstörungen bis hin zur Oligurie
- Bewusstseinsstörungen
- Rhabdomyolyse (Manthey 2023).
Diagnostik
Bei V. a. eine AAC sollte frühzeitig eine breiig- flüssige Stuhlprobe mikrobiologisch untersucht werden. Eine Diagnostik aus geformten Stuhl ist dabei nicht indiziert (Manthey 2023).
Bildgebung
Die Schwere der Erkrankung lässt sich mit folgenden bildgebenden Parametern beurteilen:
Transabdominale Sonographie
Hierbei sollte insbesondere auf dilatierte Darmschlingen, Lymphknotenvergrößerungen, freie Flüssigkeit und Darmperistaltik geachtet werden (Manthey 2023).
Abdominelle Computertomographie
Hierbei ist besonders zu achten auf Zeichen einer Perforation, Peritonitis und extraintestinale Absiedlungen (Manthey 2023).
Labor
In Deutschland wird als sensitiver Screening- Test i. d. R. der immunologische Nachweis der Glutamat- Dehydrogenase (GDH) im Stuhl verwendet (Manthey 2023). Sämtliche C. difficile- Stämme – auch nicht- toxische - produzieren allerdings Glutamatdehydrogenase (GDH)- Antigen (Bush 2023).
Alternativ kann auch – bei allerdings höheren Kosten – der Toxin- Gen- Nachweis mit einem Nukleinsäureamplifikationstest, dem sog. NAT erfolgen (Manthey 2023).
Um die Toxine selbst zu detektieren, ist ein direkter immunologischer Nachweis der Toxine A und B erforderlich. Damit gilt die Diagnose als gesichert (Manthey 2023).
Bei Vorliegen eines positiven GDH, aber negativen Toxin- Nachweis kann man eine Klärung durch eine toxigene Kultur erlangen (Manthey 2023).
Um den Schweregrad der Erkrankung zu ermessen, sollten zusätzlich folgende Laborparameter erhoben werden:
- Blutbild einschließlich Differenzialblutbild
- C- reaktives Protein
- Retentionswerte
- Elektrolyte
- Säure- Basen- Haushalt
- Procalcitonin
- Bei Fieber: Blutkulturen (Manthey 2023)
Histologie
Die Vermehrung erfolgt ausschließlich anaerob. Von daher ist die Kultivierung schwierig. Durch Sporenbildung zeigt sich eine erhöhte Resistenz gegenüber Umwelteinflüssen (Herold 2023).
Differentialdiagnose
Die wichtigsten Differentialdiagnosen zur CED sind:
- Divertikulitis
- Divertikel- assoziierte Kolitis
- Reizdarmsyndrom
- Zöliakie
- NSAR- Enteritis und – Kolitis
- Chlamydien- assoziierte Proktitis
- Autoimmunenteropathie
- Infektiöse Enteritiden
- Ischämische Kolitis (Wiestler 2020)
Komplikation(en)
- Gangränöses Kolon
- Kolonperforation (Farooq 2015)
- Megakolon (Manthey 2023)
Therapie
Das sofortige Absetzen sowohl der Antibiose – soweit medizinisch vertretbar - als auch etwaiger antimikrobieller Wirkstoffe stellt nach wie vor den Eckpfeiler der Behandlung dar (Dinleyici 2019).
Da es sich bei der pseudomembranösen Kolitis um eine infektiöse Erkrankung handelt, sollten die Patienten umgehend isoliert werden (Braun 2022).
Auf Motilitätshemmer und Protonenpumpen- Inhibitoren sollte umgehend verzichtet werden (Manthey 2023).
Falls es sich um ein leichtes Krankheitsbild bei Patienten ohne weitere Risikofaktoren handelt, kann der Spontanverlauf nach Absetzen der Antibiose unter enger klinischer Beobachtung abgewartet werden. In allen anderen Fällen sollte umgehend mit einer spezifischen Therapie begonnen werden. Als Primärtherapie wird laut Leitlinie vorgeschlagen:
- Fidaxomicin 2 x 200 mg / Tag p. o. über 10 Tage (präferierte Erstlinientherapie)
oder
- Vancomycin 4 x 125 mg / Tag p. o. über 10 Tage (Manthey 2023)
Falls es sich um ein leichtes Krankheitsbild ohne weitere Risikofaktoren handelt, kann eine Therapie mit Metronidazol 3 x 400 mg / Tag p. o. erwogen werden. Metronidazol stellte über Jahrzehnte zusammen mit Vancomycin den Goldstandard der Therapie dar. Inzwischen konnte jedoch durch mehrere Studien belegt werden, dass Metronidazol ein signifikant vermindertes Therapieansprechen im Vergleich zu Vancomycin zeigt (Manthey 2023).
Wichtig sind außerdem eine ausreichende Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution (Manthey 2023).
Fäkaler Mikrobiomtransfer:
Eine weitere Form der Behandlung stellt die Stuhl- Mikrobiotika- Transplantationen dar (Dinleyici 2019).
Der fäkale Mikrobiomtransfer hat sich als effektiver erwiesen als medikamentöse Therapien. International wird dieser ab dem zweiten Rezidiv empfohlen. In Deutschland ist dieses aber aus medizinrechtlichen Gründen nur schwierig umzusetzen (Lange 2022).
Die zusätzliche Gabe von Probiotika (insbesondere von Saccharomyces boulardii) hat sich bei der Behandlung bewährt (Dinleyici 2019).
Verlauf/Prognose
Die Mortalitätsrate einer CDI ist mit 20 % immer noch sehr hoch (Manthey 2023).
Der Verlauf der Ribotypen 014 und 020 ist überwiegend relativ milde. Beim Ribotyp 027 und den toxinbildenden Ribotypen 017 und 078 findet sich i. d. R. ein relativ gefährlicher Verlauf (Herold 2023).
Die 30- Tage- Letalitätsrate einer nosokomialen Clostridioides- difficile- Infektion (CDI) liegt zwischen 3 – 30 %, je nach zusätzlichen Risikofaktoren (Herold 2023).
Rezidive treten nach einer initialen Therapie mit Metronidazol oder Vancomycin bei ca. 20 % der Patienten auf. Durch eine Behandlung mit Fidaxomicin konnte die Rezidivrate um ca. 50 % gesenkt werden (Manthey 2023).
Prophylaxe
Der Einsatz von Probiotika wie z. B. insbesondere Saccharomyces boulardii stellt eine wirksame Prävention dar (Dinleyici 2019).
Hinweis(e)
Meldepflichtig wird eine CDI bei schwerem Verlauf, der definiert ist als:
- Notwendigkeit stationärer Behandlung einer ambulant erworbenen CDI
- Notwendigkeit eines chirurgischen Eingriffs im Rahmen einer CDI wie z. B. Megakolon, Kolektomie, refraktäre Kolitis, Perforation
- Notwendigkeit der Behandlung auf einer Intensivstation durch CDI selbst oder deren Komplikationen
- Tod als direkte Todesursache einer CDI innerhalb von 30 Tagen nach Diagnosestellung oder CDI als eine zum Tode beitragende Erkrankung (Manthey 2023).
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir
Kopernio

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Verweisende Artikel (1)
Antibiotikainduzierte Diarrhö;Weiterführende Artikel (9)
Cephalosporine; Cotrimoxazol; Divertikulitis; Fluorchinolone; Makrolide; Probiotika; Saccharomyces boulardii ; Vancomycin; Zöliakie;Disclaimer
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