Herzglykoside

Autor:Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 21.08.2024

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Erstbeschreiber

Im Jahre 1775 beschrieb Dr. William Withering (1741 – 1799) als Erster sowohl die Wirkung der Herzglykoside bei „Beinwassersucht“ (Herzinsuffizienz) als auch die Digitalisüberdosierung. Damit begann die Digitalis- Ära (Bühring 2016).

Definition

Zu den Herzglykosiden zählen Naturstoffe unterschiedlicher Pflanzen. Sie lassen sich z. B. finden im Wolligen Fingerhut, Roten Fingerhut, Maiglöckchen und Meerzwiebel. In der Pharmakotherapie verwendet man i. d R. methylierte oder acetylierte Glykosid- Derivate; in Deutschland überwiegend Digoxin, Digitoxin und halbsynthetische Glykoside (Erdmann 2009).

Allgemeine Information

Pharmakodynamik 

Herzglykoside bewirken eine Hemmung der

- kardialen Na+

- K+

- ATPase-Membranpumpe (Kasper 2015)

- Anstieg der intrazelluläten Na+- Konzentration (Herold 2021)

 

Die Grundwirkungen der Herzglykoside sind somit:

- Positiv bathmotrop (Erhöhung der Erregbarkeit des Herzens)

- Positiv inotrop (Erhöhung der Kontraktilität des Herzens)

- Negativ dromotrop (Verlangsamung der Leitungsgeschwindigkeit)

- Negativ chronotrop (Verlangsamung der Herzfrequenz im Ruhezustand)

(Herold 2021)

 

Die indirekte Wirkung über die Erregung des Vagusnerven bewirken

  • im AV- Knoten:
    • Verlängerung der Refraktärperiode
    • Verlangsamung der Erregungsüberleitung (Lüllmann 2006)
  • im Sinusknoten:
    • Senkung der Frequenz des Schrittmachers
    • Senkung der Herzfrequenz (Lüllmann 2006)

 

Durch die direkte Wirkung der Glykoside kommt es:

  • in der Kammermuskulatur zu
    • einer Verkürzung der Refraktärzeit
    • Erhöhung der Erregungsleitungsgeschwindigkeit
  • in den Purkinje- Fasern zu einer
    • Verkürzung der Refraktärzeit mit eventuellem Auftreten von Extrasystolen
  • in der Vorhofmuskulatur zu einer
    • Verkürzung der Refraktärzeit mit Steigerung des Automatismus
  •  im AV- Knoten zu einer
    • Zunahme der Refraktärzeit und Verlangsamung der Erregungsüberleitung
  • in der Myokardzelle zu einer
    • Hemmung der Na+ / K+- ATPase
    • Intrazellulär zu einer Ca2+- Erhöhung mit Steigerung der Kontraktionskraft (Boeckh 2002)

 

Die systemische Wirkungen auf den gesamten Körper sind:

  • Verschwinden der Dyspnoe
  • Verminderung venöser Stauungserscheinungen
  • Einsetzende Ausschwemmung und deutliche Abnahme der Ödeme
  • Abnahme der Herzfrequenz durch
    • Abnahme des Sympathikotonus
    • Erregung der Vaguskerne
    • Verminderung des zentralen Venendrucks und damit Entlastung der Dehnungsrezeptoren (Lüllmann 2006)

 

 

Indikation

- Tachyarrhythmie bei Vorhofflimmern (Herold 2021) und Vorhofflattern (Hitchings 2020), sofern durch Betablocker keine ausreichende Kontrolle der Frequenz möglich ist (Herold 2021)

Herzinsuffizienz mit schwerer Symptomatik. Ab Stadium NYHA III kann eine Add- on- Therapie mit Digitalis versucht werden, sofern die Basistherapie ausgeschöpft ist (Herold 2021).

 

 

Dosierung und Art der Anwendung

 

Digoxin:

Der therapeutische Bereich liegt zwischen 0,5 – 0,9 ng / ml, die Halbwertszeit bei 40 h (Herold 2021). Bei einer i. v.- Gabe setzt die Wirkung nach 10 – 40 min ein, bei einer oralen Gabe erst nach mehreren Stunden. Digoxin ist zu 50 – 90 % bioverfügbar. Die Elimination erfolgt ausschließlich renal (Erdmann 2009).

Die Ersteinstellung mit Digoxin sollte als langsame Sättigung über 2 – 5 Tage mit 1,0 – 1,5 mg / d erfolgen. Die Erhaltungsdosis liegt bei 0,25 – 0,2 mg / d (Erdmann 2009).

 

Digitoxin:

Der therapeutische Bereich liegt zwischen 8 - 18 ng / ml, die Halbwertszeit bei 6 – 8 h (Herold 2021). Bei einer i. v.- Gabe setzt die Wirkung nach 10 – 40 min ein, bei der oralen Gabe erst nach mehreren Stunden. Digitoxin ist bis zu 100 % bioverfügbar. Die Elimination erfolgt sowohl renal als auch hepatisch (Erdmann 2009).

Die Ersteinstellung mit Digitoxin sollte als langsame Sättigung über 2 – 5 Tage mit 1,0 – 1,5 mg / d erfolgen. Die Erhaltungsdosis liegt bei 0,07 mg / d (Erdmann 2009).

 

 

Unerwünschte Wirkungen

Generell kann man sagen, dass Herzglykoside gut toleriert werden (Erdmann 2009). Unerwünschte Nebenwirkungen können nur dann bei einem Plasmaspiegel im therapeutischen Bereich auftreten, wenn eine herabgesetzte Glykosidtoleranz durch bestimmte Erkrankungen bzw. Zustände besteht (Herold 2021).

Ansonsten finden sich ausschließlich Nebenwirkungen bei einer Digitalisintoxikation in Form von verschiedensten Arten an Herzrhythmusstörungen, gastrointestinalen Beschwerden und neurologischen Symptomen (Herold 2021).

 

 

Kontraindikation

Kontraindikationen für Herzglykoside sind:

- Bradykarde Rhythmusstörungen wie z. B. Karotis- Sinus- Syndrom, Sick- Sinus- Syndrom, SA- Block

- WPW- Syndrom

- Kammertachykardie

- Hypokaliämie

- Hyperkalzämie (Herold 2021)

- Bei Vorliegen eines muskulären Auswurfhindernisses wie z. B. im Rahmen einer subvalvulären Aortenklappenstenose

- Aortenklappeninsuffizienz (kann zu einer Verschlechterung der hämodynamischen Situation führen).

- Akuter hypoxischer Muskelschaden (Lüllmann 2006)

- Ventrikuläre Arrhythmien

- AV- Block II°

- Hypomagnesiämie (Hitchings 2020)

 

 

Wechselwirkungen

Einem digitalisierten Patienten sollte niemals Calzium i. v. verabreicht werden, da dann die Gefahr von Tachyarrhythmien bis hin zum Kammerflimmern besteht (Herold 2021).

Wechselwirkungen bestehen außerdem bei Schleifen- und Thiaziddiuretika, da diese eine Hypokaliämie verursachen können. Weitere Medikamente wie z. B. Amiodaron, Calciumkanalblocker, Chinin, Spironolacton und einige Antibiotika können die toxische Wirkung von Herzglykosiden verstärken (Hitchings 2020).

 

 

Präparate

- Lanicor: Die Erhaltungsdosis liegt bei 0,25 mg / d

- Novodigal: Die Erhaltungsdosis liegt bei 0,2 mg / d

- Digacin: Die Erhaltungsdosis liegt bei 0,25 mg / d (Erdmann 2009)

Nach 5 – 10 Tagen wird unter dieser Dosierung ein effektiver Wirkspiegel erreicht (Erdmann 2009).

Hinweis(e)

- Herzglykoside haben eine sehr geringe therapeutische Breite von 1,5  2,0. Von daher ist die Gefahr der Digitalisintoxikation hoch (Herold 2021).

- Die Ausscheidung von Digoxin ist bei einer Niereninsuffizienz anzupassen, nicht so die von Digitoxin. Ab einer GFR von < 60 ml / Min. sollte deshalb Digitoxin bevorzugt werden (Herold 2021).

- Da Herzglykoside die QT- Zeit verlängern, sollte man vorsichtig mit anderen Substanzen derselben Wirkweise sein (Lüllmann 2006).

- Bislang konnte durch Herzglykoside kein Einfluss auf die Mortalität nachgewiesen werden (Herold 2021).

Literatur

  1. Boeckh M, Böckers T (2002) Original- Prüfungsfragen mit Kommentar: GK 2 Allgemeine Pharmakologie und Toxikologie. Georg Thieme Verlag Stuttgart / New York 209
  2. Bühring U, Girsch M (2016) Glykoside. Praxis Heilpflanzenkunde. 320 – 322
  3. Erdmann E. (2009) Klinische Kardiologie: Krankheiten des Herzens, des Kreislaufs und der herznahen Gefäße. Springer Medizin Verlag Heidelberg 158 - 160
  4. Herold G et al. (2022) Innere Medizin. Herold Verlag 211, 221
  5. Hitchings A, Lonsdale D, Burrage D, Baker E. Deutsche Ausgabe: Waldner M, Jefremow A, Kalisch A (2020) Die Top 100 Medikamente: Oraktische Pharmakologie für den klinischen Alltag. Elsevier Urban und Fischer Verlag 110 - 111
  6. Kasper D L, Fauci A S, Hauser S L, Longo D L, Jameson J L, Loscalzo J et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 473e- 9
  7. Lüllmann H, Mohr K, Hein L (2006) Pharmakologie und Toxikologie: Arzneimittelwirkungen verstehen – Medikamente gezielt einsetzen. Ein Lehrbuch für Studierende der Medizin, der Pharmazie und der Biowissenschaften, eine Informationsquelle für Ärzte, Apotheker und Gesundheitspolitiker. Georg Thieme Verlag Stuttgart / New York 132

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