Karotis-Sinus-SyndromG90.00

Autor:Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 20.08.2024

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Synonym(e)

Karotis- Sinus- Synkope; Karotis- Synkope; Syndrom des hypertensiven Karotissinus

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Erstbeschreiber

Franke beschrieb im Jahre 1963 erstmals die Hyperreflexie der Pressorezeptoren im Bereich des Karotis- Sinus (Lüderitz 1986).

Definition

Unter einem Karotis- Sinus- Syndrom (CSS) versteht man eine Überempfindlichkeit des Karotissinus, die ausgelöst werden kann durch Kopfdrehung, Kompression von außen (enger Kragen) etc. (Berlit 2006).

Bei Gesunden führt eine Stimulation der Barorezeptoren zu einem geringen Abfall der Herzfrequenz und einer leichten Vasodilatation. Bei einem hypersensitiven Karotissinus ist diese Antwort jedoch deutlich verstärkt. Treten zusätzlich klinische Symptome auf, so spricht man von einem CSS (Erdmann 2009). 

Einteilung

Das CSS zählt zu den neutral vermittelten synkopalen Syndromen (Gertsch 2008). Man differenziert beim CSS zwischen 3 verschiedenen Formen:

  • Kardioinhibitorischer Typ: Dieser Subtyp ist mit 90 % der am häufigsten Vorkommende. Hierbei verursacht die Vagusreizung einem Sinusarrest bzw. einen SA- Block und führt zu einer ventrikulären Asystolie von ≥ 3 s oder bis hin zur Asystolie (Herold 2020 / Erdmann 2009).
  • Vasodepressorischer Typ: Diese Form ist mit ca. 10 % eher selten. Eine Vagusreizung führt hierbei zu einer Hypotension mit einem Blutdruckabfall von > 50 mmHg. Es findet sich kein Nachweis einer gravierenden Bradykardie oder Asystolie (Herold 2020).
  • Mischform: Mischformen der o. g. Subtypen kommen in ca. 20 % - 25 % der Fälle vor (Erdmann 2009).

 

Vorkommen/Epidemiologie

Das CSS tritt bei älteren Menschen in bis zu 25 % auf (Herold 2020) und betrifft vorzugsweise das männliche Geschlecht (Erdmann 2009). Es finden sich aber nur bei ca. 10 % der Betroffenen Symptome (Berlit 2006).

Assoziierende Erkrankungen: Das CSS tritt mitunter in Zusammenhang mit folgenden Erkrankungen auf:

Im Bereich des Karotissinus besteht i. d. R. eine Arteriosklerose, die jedoch nur selten zu höhergradigen Stenosen führt (Erdmann 2009). In seltenen Fällen findet sich eine Kombination von CSS und Sick- Sinus- Syndrom (Gertsch 2008).

Ätiopathogenese

In erster Linie spielen arteriosklerotische Veränderungen der Gefäßwand im Bereich des Karotissinus eine Rolle. Diese führen zu einer Sensibilitätszunahme der Barorezeptoren (Bob 2001).

Pathophysiologie

Beim CSS besteht eine Fehlfunktion zwischen dem an der Karotisgabel liegenden Karotissinus und dem Sinusknoten. Durch eine abnorme vagale Funktion und eine Überempfindlichkeit auf Acetylcholin bewirken die im Karotissinus liegenden hypersensitiven Barorezeptoren bei Stimulation eine Verlangsamung der Polarisation des Sinusknotens (Gertsch 2008 / Gülker 1998). 

Klinisches Bild

  • Schwindel
  • Präsynkopen
  • Synkopen (häufig nach Drehungen des Kopfes, einengendem Kragen, Rasieren, Massage der Karotisgabel) (Herold 2020)

Diagnostik

Anamnese

Es empfiehlt sich eine ausführliche Anamnese mit besonderer Berücksichtigung von:

  • Auftreten von Symptomen unter Kompressionen im Bereich des Karotis- Sinus durch z. B. Kopfwendung, engen Kragen, Rasieren etc. (Herold 2020)

Duplexsonographie: Die Duplexsonographie der Karotiden dient hierbei zum Ausschluss mobilisierbarer Plaques. Laut empirischer Daten wird diese Untersuchung bei Patienten mit Strömungsgeräuschen über der Karotis vor der Karotismassage empfohlen (Diehl 2020).

Karotis- Sinus- Massage: Die Karotis- Sinus- Massage sollte erfolgen:

  • nach der Duplexsonographie, sofern Strömungsgeräusche über den Karotiden vorhanden sind (zur Vermeidung von Embolien)
  • unter kontinuierlicher EKG- Ableitung
  • und kontinuierlicher, nicht invasiver Blutdruckmessung

Bei der Untersuchung werden über 10 sec nacheinander beide Glomera der Karotisarterien manuell massiert. Bei negativem Ergebnis empfiehlt sich die Wiederholung im Stehen (im günstigsten Fall auf dem Kipptisch) (Diehl 2020).

Bemerkung: Die Untersuchung wird auch „Czermakscher Druckversuch“ genannt (Lüderitz 1986).

Absolute Kontraindikationen:

  • große, unregelmäßige Plaques bzw. Stenosen von > 70 % der A. carotis
  • innerhalb der letzten 3 Monate stattgefundene
  • TIAs
  • Apoplex
  • Myokardinfarkt (Diehl 2020)

Der Test gilt als positiv für einen hypertensiven Karotissinus, wenn:

  • ≥ 3 sec. Asystolie
  • und / oder
  • systolischer RR- Abfall von > 50 mmHg

Sollte es dabei zu einer Synkope kommen, spricht man von einem CSS (Diehl 2020). Zu berücksichtigen ist, dass der Test bei 25 % der über 65- Jährigen eine ≥ 3 sec. anhaltende Asystolie bzw. einen RR- Abfall von > 50 mmHg zeigt und nur in Verbindung mit Anamnese und Klinik bewertet werden sollte (Herold 2020).

Differentialdiagnose

Paragangliom im Bereich des Mittelohres (selten - Berlit 2006 / Hosten 2007).

Therapie

Der Patient sollte über die günstige Prognose des CSS aufgeklärt werden. Eine Behandlung ist nicht in jedem Fall erforderlich. Bei bestimmten Indikationen kann die Implantation eines Schrittmachers (SM) gegeben sein (s. u.).

Beim ausschließlich vasodepressorischen Typ liegt generell keine Indikation zur SM- Implantation vor, da diese Form nicht auf eine Schrittmachertherapie anspricht (Berlit 2006 / Erdmann 2009).

Schrittmacher- Implantation: Die Indikation für einen Schrittmacher besteht bei Patienten mit:

  • dominierend kardioinhibitorischer Karotis- Sinus- Synkope
  • häufig rezidivierenden Reflexsynkopen bei > 40- Jährigen, die dokumentiert werden konnten (Diehl 2020)

 

Verlauf/Prognose

Das CSS hat eine günstige Prognose, unabhängig von einer Schrittmacher- Implantation. Bei der Mischform (s. Einteilung) ist die Rezidivrate jedoch - auch nach Implantation eines Schrittmachers – hoch (Berlit 2006).

Literatur

  1. Berlit P (2006) Klinische Neurologie. Springer Medizin Verlag 1249
  2. Bob (2001) MLP Duale Reihe: Innere Medizin Sonderausgabe. Georg Thieme Verlag 232 - 233
  3. Diehl R R et al. (2020) Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie: Synkopen.
  4. Erdmann (2009) Klinische Kardiologie: Krankheiten des Herzens, des Kreislaufs und der herznahen Gefäße. Springer Medizin Verlag 86 - 87
  5. Gertsch M (2008) Das EKG: Auf einen Blick und im Detail. Springer Medizin Verlag 400
  6. Gülker H et al. (1998) Leitfaden zur Therpapie der Herzrhythmusstörungen. Walter de Gruyter Verlag 31 - 31
  7. Herold G et al. (2020) Innere Medizin. Herold Verlag 281
  8. Hosten N et al. (2007) Computertomographie von Kopf und Wirbelsäule. Georg Thieme Verlag 276
  9. Kasper D L et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 2571
  10. Lüderitz B et al. (1986) Herzschrittmacher: Therapie und Diagnostik kardialer Rhythmusstörungen. Springer Verlag 249 – 250, 405
  11. Stierle U et al. (2014) Klinikleitfaden Kardiologie. Elsevier Urban und Fischer

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