Thrombozytose D75.9

Autor: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer

Co-Autor: Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 21.08.2024

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Definition

Erhöhte Zahl von Blutplättchen im Blutbild, s.u. Thrombozyt. Die Thrombozytose ist eine sehr häufige Laborabnormität und keine Diagnose im eigentlichen Sinne. Sie wird bei gut einem Drittel der intensivpflichtigen Patienten und einem Fünftel der Traumapatienten verzeichnet. Sie hat als möglicher Hinweis auf ein zugrundeliegendes solides Malignom oder aber eine primär hämatologische Neoplasie einen hohen klinischen Stellenwert (paraneoplastisches Syndrom). Unter einer Thrombozytose versteht man einen Thrombozytenwert, der den oberen Normwert übersteigt. Eine einheitliche numerische Definition hingegen existiert nicht, dies nicht zuletzt aufgrund unterschiedlicher Analysegeräte und ungenügender Validierung der Normwerte. In der Literatur findet sich häufig ein oberer Grenzwert von 500/nl, wobei bei einem Wert unterhalb dieses cutoffs eine hämatologische Stammzellerkrankung nicht auszuschliessen ist.

Ätiopathogenese

Sekundäre (reaktive) Thrombozytose: Die Differentialdiagnose der Thrombozytose beinhaltet primäre sowie sekundäre (reaktive) Ursachen, wobei die reaktiven Ursachen über alle Altersgruppen hinweg deutlich überwiegen. In einer Serie von 732 medizinischen und chirurgischen Patienten waren 88% der Thrombozytosen (Thrombozyten > 500/nI) reaktiver Natur, ähnlich auch in einer Serie von 91 Patienten, in welcher 70% der Thrombozytosen (Thrombozyten > 600/nl) einer sekundären Ursache zugeordnet werden konnten.

Die häufigsten reaktiven Ursachen sind: Gewebetrauma inkl. vorausgehende Operationen, Infekte und (chronische) Entzündungen, Neoplasien, Eisenmangel und Hypo-/Asplenismus. Bei den meisten Patienten sind klinische Zeichen einer der Thrombozytose zugrundeliegenden systemischen Erkrankung vorhanden. Jedoch können auch subklinische Erkrankungen eine reaktive Thrombozytose triggern. Wichtig ist der Ausschluss okkulter solider Neoplasien. In einer größeren prospektiven Kohortenstudie (Patienten der Grundversorgung 40Jahre) waren bei 11.6% bzw.. 6.2% der Männer/ Frauen mit Thrombozytose im nachfolgenden Jahr solide Tumoren nachweisbar (v.a. Lungen- und kolorektale Karzinome). Es ist anzunehmen, dass die Thrombozytose nicht nur als reines Epiphenomen zu betrachten ist, sondern das Tumorwachstum per se fördert. Beim Ovarialkarzinom stellt die Thrombozytose einen prognostisch ungünstigen Risikofaktor dar.

Primäre Thrombozytose: Die häufigste Ursache einer primären Thrombozytose ist die Essentielle Thrombozythämie (ET), welche sich häufig als isolierte Thrombozytose manifestiert. Die ET gehört zu den myeloproliferativen Neoplasien (MPN), einer Gruppe von hämatologischen Stammzellerkrankungen, welche durch eine vermehrte Produktion reifer Blutzellen charakterisiert wird. Aus dieser Gruppe kann sowohl die Polycythaemia vera (PV, charakterisiert durch eine Polyglobulie), die Primäre Myelofibrose (PMF, charakterisiert durch Anämie, Splenomegalie und Nachweis unreifer Vorstufen im peripheren Blut wie auch die chronische myeloische Leukämie (CML, charakterisiert durch eine Leukozytose mit Linksverschiebung bis zum Blasten) ebenfalls mit einer Thrombozytose vergesellschaftet sein. Insbesondere bei älteren Patienten ist bei Nachweis einer Thrombozytose und gleichzeitiger Anämie (häufig makrozytär) differentialdiagnostisch an ein myelodysplastisches Syndrom (MDS) oder aber ein overlap aus myelodysplastischem Syndrom und myeloproliferativer Neoplasie (ein sogenanntes MDS/MPN) zu denken. Seltener kann auch eine akute myeloische Leukämie mit einer Thrombozytose einhergehen. Die familiären Thrombozytosen sind sehr seltene, hereditäre Erkrankungen, welche bei auffälliger Familienanamnese in Betracht gezogen werden.

Ein bedeutsamer klinischer Hinweis sind thromboembolische und hämorrhagische Ereignisse. Patienten mit einer MPN zeigen paradoxerweise sowohl ein deutlich erhöhtes Thrombose- wie auch Blutungsrisiko. Weiterhin stellen B-Symptomatik, vasomotorische Symptome wie flushing, Kopf- oder atypische Thoraxschmerzen, Erythromelalgie (schmerzhafte, häufig brennende Sensationen und Rötung der Akren), Pruritus sowie eine Splenomegalie weitere klinische «red Hags» dar. Zu den laboranalytischen Hinweisen zählen: Nachweis von Blasten, ein leukoerythroblastäres Blutbild (kernhaltige Erythrozyten und myeloische Vorstufen im peripheren Blut) sowie der Nachweis dysplastischer Veränderungen im Blutausstrich.

Klinisches Bild

Auftreten z.B. bei hochentzündlicher chronischer Polyarthritis (Werte bis zu 1 Mio. Thrombozyten/μl). Dadurch besteht deutlich erhöhtes Thrombose-Risiko.

Therapie

Die Therapie einer reaktiven Thrombozytose besteht in erster Linie in der Behandlung der Grunderkrankung. Im Gegensatz zur breiten Anwendung bei Patienten mit MPN ist der Einsatz von Aspirin bei reaktiver Thrombozytose sehr umstritten. Es gibt weder kontrollierte klinische Studien noch Beobachtungsstudien, welche den Nutzen von Aspirin in diesem Kontext belegen. Die Thrombozytose per se scheint das Thromboserisiko nicht relevant zu erhöhen, gleichzeitig vorhandene prothrombogene Faktoren beeinflussen das Thromboserisiko jedoch durchaus. In diesem Spannungsfeld empfehlen wir klar, von einem generellen Einsatz von Aspirin bei reaktiver Thrombozytose abzusehen. Ein allfälliger Behandlungsentscheid soll nur individualisiert unter Abwägung von Blutungs- und Thromboserisiko erfolgen.

Verweisende Artikel (1)

Ulcus cruris venosum;

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Zuletzt aktualisiert am: 21.08.2024